Protocol of the Session on June 21, 2018

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der CDU)

Jawohl. - Infolge dieser Rechtsbrüche wurde über zahlreiche Straftaten berichtet. Gerade in letzter Zeit ist es zu Mord- und Vergewaltigungsfällen sowie -versuchen gekommen (Messerattacke Großburgwedel, Ermordung von Susanna in Wies- baden, Vergewaltigung einer 25-Jährigen in Frei- burg etc.). Gleichzeitig entwickeln sich einzelne Asylunterkünfte zu Gewaltzentren (aktuelle gewalt- tätige Auseinandersetzungen in Göttingen, Cottbus und Potsdam). Begünstigt wird dies durch ein Verwaltungshandeln, wie es sich exemplarisch im aktuellen BAMF-Skandal - der längst bis nach Niedersachsen ausstrahlt - in Bremen manifestiert. In einem Interview mit der Welt (12. Juni 2018) unterstützt nun die Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Frau Doris Schröder-Köpf, die Forderung der AfD-Bundestagsfraktion, diesbezüglich einen Untersuchungsausschuss einzurichten.

In diesem Zusammenhang ergeben sich die folgenden Fragen an die Landesregierung:

1. Inwieweit unterstützt die Landesregierung die Forderung der Integrationsbeauftragten, Frau Doris Schröder-Köpf, einen umfassenden Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen im BAMF einzusetzen?

2. In welchem Maße wird sich die Landesregierung für eine effektive Zurückweisung von Personen, deren Asylantrag in Deutschland bereits abgelehnt worden ist und die erneut versuchen einzureisen, und von bereits in der EU registrierten Asylbewerbern sowie Personen ohne gültige Papiere an der deutschen Grenze einsetzen?

3. Welche Konzepte verfolgt die Landesregierung, um die niedersächsische Bevölkerung vor Gewalttaten zu schützen?

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich habe eine Bitte an uns alle und an Sie alle: Wenn Sie den Plenarsaal verlassen oder betreten, dann halten Sie bitte die Türgriffe fest, bis sich die Türen schließen. Das ist wirklich sehr laut. Die Türen schließen mit einem „Klick“. Das dröhnt dann überall hin, dort hinten und hier vorne, und das unterbricht dann die Debatte und Diskussion. - Ich danke Ihnen.

Der Innenminister, Boris Pistorius, antwortet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein absolut prioritäres Anliegen der Landesregierung, dass die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen in Sicherheit leben und sich hier sicher fühlen. Dafür arbeiten die Sicherheitsbehörden jeden Tag äußerst erfolgreich, wie die letzte vorgestellte Kriminalstatistik eindrucksvoll belegen konnte.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wie wir aber auch wissen, liegen die Wurzeln kriminalitätsbezogener Unsicherheitsgefühle nicht nur in der jeweiligen objektiven Sicherheitslage begründet. Wichtig ist es deshalb, subjektive Ängste im Alltag der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen, zugleich aber auch immer wieder über die tatsächlichen Gegebenheiten aufzuklären. Selbstverständlich zählt dazu auch, bestehende Problembereiche offen anzusprechen - so haben es diese Landesregierung und auch die Vorgängerregierung stets getan - und nicht unter den Tisch zu kehren.

Meine Damen und Herren, im Kontext des Zuwanderungsgeschehens 2015/2016 „Mord- und Vergewaltigungsfälle sowie -versuche“ zu benennen und dies zum Anlass zu nehmen, nach Konzepten der Landesregierung zu fragen, „um die niedersächsische Bevölkerung vor Gewalttaten zu schützen“, erscheint für eine sachliche Diskussion wenig hilfreich. Es erfüllt nicht mehr und nicht weniger als den Tatbestand der Aufhetzung.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Derart abscheuliche Einzeltaten sollen und dürfen nicht verschwiegen werden, meine Damen und Herren. Die Täter müssen ermittelt, vor Gericht gestellt und bestraft werden. Daran kann kein Zweifel bestehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Niemand aber sollte versuchen, diese Verbrechen zu instrumentalisieren mit dem infamen Ziel, hier bei uns Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Ich sage zum wiederholten Mal: Menschen, die aus großer Not zu uns flüchten, verhalten sich ganz überwiegend rechtstreu.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dort, wo dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, ist mit der gebotenen Konsequenz und Entschiedenheit vorzugehen. Werden entsprechende Gewalttaten von Personen mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit begangen, sind neben der Strafverfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden von den zuständigen Ausländerbehörden alle aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, insbesondere eine Ausweisung zur Herstellung der Ausreiseverpflichtung, zu prüfen und bei Vorliegen der Voraussetzungen auch zu ergreifen. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport unterstützt die Ausländerbehörden bei Bedarf in ganz konkreten Einzelfällen und bietet ihnen darüber hinaus grundsätzliche Hilfestellung.

Hier noch einige Zahlen, die - soweit das gewünscht wird - eine sachliche Diskussion erleichtern:

Die Entwicklung der Gewaltkriminalität wird durch die Polizeiliche Kriminalstatistik abgebildet. Bei der Gewaltkriminalität handelt es sich um eine Zusammenfassung bestimmter Delikte wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Raub und Körperverletzung mit Todesfolge. Die Zahl der bekannt gewordenen Fälle hat sich im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 insgesamt um 813 Fälle auf 18 454 Fälle reduziert. Dies entspricht einem Rückgang um rund 4 %.

Ebenfalls rückläufig ist die Zahl der Gewaltdelikte - ich wiederhole diesen Einleitungssatz noch einmal: ebenfalls rückläufig ist die Zahl der Gewaltdelikte -, bei denen Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt wurden. Im Jahr 2017 wurden 1 944 Fälle registriert. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Rückgang um 7 %.

Zur Erinnerung auch noch einmal diese Zahlen: Im Jahr 2015 kamen 102 231 Menschen nach Niedersachsen. Schon 2016 hatte sich diese Zahl auf 31 065 Männer, Frauen und Kinder verringert. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 15 299. Heute können wir nicht einmal annähernd die von Ihnen beschriebene Situation in den Zuwanderungszahlen erkennen. Sie scheinen da in einer völlig anderen Realität unterwegs zu sein. In den ersten Monaten dieses Jahres sind rund 6 500 Menschen auf der Suche nach Schutz und Sicherheit nach Niedersachsen gekommen - 6 500 im Verlauf dieses Jahres.

Schon daran wird mehr als deutlich: Ihre polemisch inszenierte Dramatik ist nicht nur überflüssig, sondern völlig überzogen und schädlich. Zudem ent

larvt Ihre Eingangsbemerkung erneut die dahinter stehende Absicht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei den mit der Dringlichen Anfrage als „exemplarisch“ angesprochenen Vorgängen in der Außenstelle Bremen des BAMF handelt es sich nach allem, was wir bisher wissen, um einen klaren Ausnahmefall. Der Rechtsstaat in Deutschland war und ist zu keiner Zeit in Gefahr.

(Zustimmung von Belit Onay [GRÜNE])

Natürlich wird das gerne glauben gemacht, um Stimmung zu machen. Wir kennen das seit inzwischen drei Jahren, seit Herr Gauland im Sommer 2015 sagte: Wenn es die Flüchtlingsbewegung, die Flüchtlingszahlen nicht gegeben hätte, wäre die AfD längst verschwunden. - Recht hat er. Vor diesem Szenario hat die AfD Angst. Deswegen wandeln Sie die Realität regelmäßig in ein Schreckensszenario um, um dafür zu sorgen, dass die Menschen Ihnen nachlaufen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber zurück zum BAMF. Meine Damen und Herren, gerade weil es sich bei diesem Vorgang um eine Ausnahme handelt, sollten wir bzw. sollten alle, die sich dem demokratischen Rechtsstaat verpflichtet fühlen, alles tun, um eine Legendenbildung zur deutschen Flüchtlingspolitik und entsprechende Verschwörungstheorien hinsichtlich einer vermeintlichen Herrschaft des Unrechts und eines fortdauernden Rechtsbruchs zu verhindern.

Diese Art der Polemik ist in der heutigen Zeit angesichts der unbestritten großen Herausforderungen völlig unangemessen und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie ist geeignet, unnötig Unsicherheit in der Bevölkerung zu produzieren und zu verschärfen. Eine solche Inszenierung ist - mit einem Wort - verantwortungslos und führt - meine Damen und Herren, das erleben wir täglich in zahlreichen Kommentaren in den sozialen Medien - zu Wut und Hass der vielen Trolle von rechts.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Belit Onay [GRÜNE] - Klaus Wichmann [AfD] zeigt eine Zeitung)

Ich möchte hierzu im Übrigen noch eines anmerken: Der Versuch, mit dieser Anfrage diese Debatte fortzuführen, zieht lediglich eine weitere Verun

glimpfung der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF nach sich. Auch das darf nicht sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fehler, die im BAMF gemacht wurden, müssen natürlich in allen Einzelheiten analysiert und umfassend aufgeklärt werden. Ein solcher Vorfall darf sich unter keinen Umständen wiederholen. Es sind Lehren zu ziehen. Notwendige Reformen beim BAMF mit dem Ziel nachhaltiger Verbesserung sind bzw. werden nach der Ankündigung des Bundesinnenministers eingeleitet. Für etwaiges Fehlverhalten gibt es rechtsstaatliche Verfahren, die der Aufklärung falschen Verwaltungsverhandelns und gegebenenfalls auch der Ahndung individuellen Unrechts durch die zuständigen Behörden und Institutionen dienen. Bei all dem gilt aber, meine Damen und Herren: Allein die Tatsachen sind zu betrachten. Nur dann ist diese Art von Aufklärungsarbeit ein fruchtbares Beispiel für ein funktionierendes rechtsstaatliches und demokratisches Gemeinwohl.

Zu Frage 1: Die Landesregierung ist sehr an einer schnellen und umfassenden Aufklärung der Vorgänge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge interessiert. Sie unterstützt aus diesem Grund alle Maßnahmen, die geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf Bundesebene entscheidet allein das nach dem Grundgesetz hierfür zuständige Verfassungsorgan, der Deutsche Bundestag. Ungeachtet dessen bleibt es jedem Menschen in Deutschland freigestellt, dazu eine eigene Meinung zu haben.

Zu Frage 2: Für Zurückweisungen an der deutschen Grenze ist die Bundespolizei zuständig. Ihr obliegt gemäß § 2 des Gesetzes über die Bundespolizei der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes, soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt. Zu diesen Aufgaben gehört u. a. die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt. Die Landesregierung beabsichtigt nicht, eigene Polizeikräfte zur Durchführung von Zurückweisungen an der deutschen Grenze einzusetzen, zumal Niedersachsen nur eine gemeinsame Grenze mit den Niederlanden hat.

Darüber hinaus ist die Landesregierung der Auffassung, dass im Falle von Asylsuchenden, die

erstmals einen Asylantrag stellen, Deutschland gemäß der Dublin-III-Verordnung zunächst grundsätzlich zu prüfen hat, welcher EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist. Stellen Asylsuchende einen Antrag auf Schutz gegenüber deutschen Grenzbehörden, ist Deutschland gemäß Artikel 3 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung für diesen Antrag zuständig. Erst wenn diese Einzelfallprüfung abgeschlossen ist und die Zuständigkeit eines anderen EU-Staates feststeht, könnte Deutschland ein Überstellungsersuchen an diesen Staat stellen und die Person dorthin bringen lassen. Stellt die Ausländerin oder der Ausländer hingegen einen Folgeantrag, weil sie oder er in Deutschland bereits ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen hat, kann nach § 71 Abs. 6 Satz 2 des Asylgesetzes eine Zurückweisung bereits an der Grenze erfolgen.

Zudem sind Ausländerinnen und Ausländer, die kein Asyl suchen, bei unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet an der Grenze zurückzuweisen. Eine unerlaubte Einreise liegt u. a. vor, wenn die Ausländerin oder der Ausländer ohne erforderlichen Pass einreisen möchte, kein Visum oder sonstigen Aufenthaltstitel für Deutschland besitzt oder ihr oder ihm aufgrund eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbotes im Sinne von § 11 des Aufenthaltsgesetzes der Grenzübertritt verweigert ist.

Zu Frage 3: Ergänzend zur Vorbemerkung bestehen in Niedersachsen konkrete Konzepte, um der Entstehung von Gewalt durch und gegen Flüchtlinge frühzeitig entgegenzuwirken und Gewalttaten zu verhindern. Dazu gehören u. a. die Niedersächsische Landesrahmenkonzeption „Junge Schwellen- und Intensivtäterinnen und Schwellen- und Intensivtäter“ und das Landeskonzept zur Bekämpfung von erwachsenen Intensivtäterinnen und Intensivtätern. Dazu gehören weiter die Richtlinie „Polizeiliche Prävention in Niedersachsen“, Maßnahmen zur Gewaltprävention, u. a. die Information der Bevölkerung über Gewalttaten und entsprechende Verhaltensweisen, Standards für polizeiliche Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstrainings, Stärkung der Zivilcourage u. a. durch Förderung des Zeugenverhaltens, die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung und schließlich diverse Materialien der Polizei zur Information für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen wie Kriminalitätsopfer, Zuwanderer und Arbeitgeber.

Um die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Niedersachsen nachhaltig zu verbessern, fördert das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung durch die Richtlinien „Demokratie und Toleranz“ sowie „Migration, Teilhabe und Vielfalt“ Maßnahmen gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus sowie für Demokratie, Toleranz und Einhaltung der Menschenrechte. Insbesondere durch Maßnahmen für Jugendliche werden die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vermittelt und wird fremdenfeindlichen und rechtsextremen Einstellungen entgegengetreten.

Darüber hinaus wurde am 10. Dezember 2014 auf Initiative des Landes Niedersachsen der Verein für jugend- und familienpädagogische Beratung Niedersachsen - beRaten e. V. zur Förderung der Jugendhilfe und der Kriminalprävention gegründet. Bereits frühzeitig beginnt auch das Kultusministerium mit einer langfristig angelegten Prävention im Hinblick auf Radikalisierung, Extremismus und Gewalt. In Schulen werden unterschiedliche Projekte und Programme durchgeführt, zum Teil mit externen Kooperationspartnern.

Ebenso leistet der seit mehr als 20 Jahren aktive Landespräventionsrat Niedersachsen seinen Beitrag, indem er Kommunen bei ihrer Präventionsarbeit unterstützt und Fachleute in ganz Niedersachsen miteinander vernetzt und gefördert werden. Folgende Maßnahmen werden von dort wahrgenommen: Gewaltprävention auf kommunaler Ebene, Gewaltprävention im Kontext von Radikalisierung, Koordinierungsstelle „Häusliche Gewalt“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus bündelt die Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachsen, kurz: KIP NI, unter Federführung des Verfassungsschutzes und des LKA die Anstrengungen des Landes Niedersachsen beim zentralen Thema der Prävention von Salafismus und Islamismus. Schließlich ist der niedersächsische Verfassungsschutz seit vielen Jahren mit den beiden Aussteigerprogrammen zu Rechtsextremismus und Islamismus erfolgreich. Junge Menschen werden durch diese unterstützt, sich von der Szene zu lösen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Es liegt uns eine Zusatzfrage von Herrn Jens Ahrends, AfDFraktion, vor.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich frage die Landesregierung: Welche Informationen liegen der Landesregierung vor in Bezug auf Unregelmäßigkeiten in den BAMF-Außenstellen in Niedersachsen, was die Erteilung von Asylanträgen und -erlaubnissen angeht?