Ich frage mich an der Stelle im Übrigen auch: Wer legt eigentlich die Höchstgrenze fest, wie viel ausgegeben werden darf? Ich gebe die Frage zurück an Sie: Wie viel darf ein 18-Jähriger denn pro Woche kiffen? Welche Pläne haben Sie denn dafür? - Diese Frage müssten Sie auch einmal beantworten.
Dann gibt es den Präventionsaspekt. Das ist eine Sache, die wir auch in unserem Koalitionsvertrag verankert haben: im Bereich der Prävention besser zu werden und das Drogenproblem durch Prävention zu lösen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn ein Jugendlicher von der Polizei wegen Cannabisbesitzes aufgegriffen wird, dann ist das bereits eine erste Präventionsmaßnahme. Die Jugendlichen werden von den Polizisten über die Gefahren von Cannabis und auch über das existierende Verbot aufgeklärt, und es kommt häufig auch zu Gesprächen bei der Drogenberatung. Das sind Methoden der Prävention, die wir nicht vergessen wollen.
Der erste Punkt bezieht sich auf eine angebliche Entlastung der Justiz: Es wird ja sowieso gemacht, und die Justiz kommt da gar nicht hinterher. - Straftatbestände aufzuweichen, nur weil sie missachtet werden, entspricht nun wirklich nicht meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit.
Der zweite Punkt, den Sie erörtern, ist, dass es keine wissenschaftlich belastbaren Erkenntnisse darüber gebe, welche tatsächlichen Auswirkungen eine Liberalisierung hätte und welche Gefahren für
den Straßenverkehr sie möglicherweise bedeuten würde. - Es ist aber ein Trugschluss, daraus zu folgern, dass man erst einmal ein Modellprojekt brauche, um wissenschaftliche Daten zu erlangen. Das Risiko, das wir damit eingehen würden, lassen Sie dabei völlig außer Acht.
Ein dritter Punkt, den Sie als Begründung anführen, ist die Zunahme der organisierten Kriminalität. Glauben Sie, dass Sie mit diesem Modellprojekt irgendjemanden beeindrucken, der schon heute gegen das Gesetz verstößt? - Die Drogenszene, der Schwarzmarkt bleibt bestehen. Der Dealer wird auf andere billigere, gefährlichere Substanzen ausweichen. Er wird auch ganz sicher weiterhin Drogen an Personen ausgeben, die sie nicht im Rahmen Ihres Modellprojekts bekommen dürfen, nämlich an Minderjährige. Für die würden Sie mit Ihrem Modellprojekt nämlich auch nichts erreichen.
Alles in allem - ich fasse das zusammen - hat uns Ihr Antrag in keinster Weise überzeugt. Ich hatte gehofft, dass er ein paar Aspekte enthält, die Denkanstöße geben. Das war leider nicht der Fall. Der Antrag ist nicht zu Ende gedacht. Ihr Modellprojekt ist keine Lösung des Problems. Deshalb können wir dem Antrag nicht zustimmen.
Vielen Dank, Herr Kollege Fühner. - Jetzt spricht für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Stephan Bothe. Herr Bothe, bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.
(Wiard Siebels [SPD]: Höre ich da „namentliche Abstimmung“? - Heiter- keit - Gegenruf von Dr. Stefan Birkner [FDP]: Herr Kollege Siebels, Sie sind noch ziemlich angefasst!)
Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Birkner, ich verstehe durchaus einige Ihrer Argumente. Aber am Ende ist es eigentlich blanker Hohn und gesellschaftspolitischer Wahnsinn, wenn Sie Ihren Antrag unter das Motto „Jugendliche schützen“ stellen. Während überall in Deutschland verantwortungsbewusste Eltern alles daransetzen, ihre Kinder zu einem Leben ohne Drogen zu erziehen, haben manche Politiker nichts Besseres zu tun, als ihnen in den Rücken zu fallen und pausenlos öffentlich darzulegen, dass der Konsum von Cannabisprodukten gesellschaftlich nahezu anerkannt sei und deswegen legalisiert werden solle. Damit konterkarieren Sie die Vorbildfunktion von Politik und tragen zur Verunsicherung junger Menschen bei.
Dass der Konsum von Cannabisprodukten teilweise gesellschaftliche Realität ist, heißt noch lange nicht, dass dieser Konsum auch gesellschaftlich anerkannt ist. Und das ist auch gut so. Hierfür gibt es handfeste gesundheitliche Gründe.
Der Gesetzgeber ist aufgefordert, Polizei-, Justiz- und Jugendbehörden so auszustatten, dass Strafverfolgungsmaßnahmen ebenso möglich sind wie wirkungsvolle Interventionen von Sozialarbeitern und Therapeuten. Die Verfahrensdauer muss verkürzt werden. Staatliche Sanktionen müssen spürbar und erkennbar sein, wenn sie ihre generalpräventive Wirkung entfalten sollen. Das muss nicht immer Strafe sein; es können durchaus auch direkte Ansprache, Aufklärung und gezielte Therapieangebote sein.
Anstatt sich also von der Befriedung parteipolitischer Klientelinteressen leiten zu lassen, Herr Kollege Birkner, hätten Sie sich besser einmal mit den nachgewiesenen neurotoxischen Risiken und den anderen erheblichen Gesundheitsfolgen des Cannabiskonsums beschäftigen sollen.
Die Freigabe von Cannabis wäre auch ein verhängnisvolles Signal an junge Menschen, die bisher nur mit dem Gedanken gespielt haben, einmal Cannabis zu konsumieren.
„Jugendliche schützen“ haben Sie sich auf die Fahnen geschrieben. Doch das Resultat Ihres Gesellschaftsexperiments am lebenden Körper wäre fatal. Kernspintomografische Untersuchungen der Langzeitfolgen von Cannabiskonsum, durchgeführt an der Universität Melbourne, haben nachgewiesen, dass regelmäßiger Konsum des immer als „weiche“ Droge gehandelten Cannabis schwerwiegende Folgen hat. Neben erhöhter Suchtanfälligkeit für Alkohol, Tabak und „harte“ Drogen konnten Symptome wie Wahn, Halluzination, Antriebslosigkeit und Interessenverlust sowie - dies ist besonders gravierend, meine Damen und Herren; da bin ich wieder bei Ihnen, Kollegen von den Grünen - massive Hirnveränderungen nachgewiesen werden.
Sie, Kollegen von FDP und Grünen, wollen dies allen Ernstes unseren Kindern antun. Dass die Grünen hier Vorreiter sind, überrascht mich überhaupt nicht. Doch dass sich die FDP hier einspannen lässt, ist ein starkes Stück.
Meine Damen und Herren, ich sage es in aller Deutlichkeit: An der grundsätzlichen Strafbarkeit des Cannabiskonsums darf nicht gerüttelt werden. Was jedoch geändert werden kann, ist die Ausstattung von Polizei-, Justiz- und Jugendbehörden.
Strafverfolgungsmaßnahmen müssen ebenso möglich sein wie wirkungsvolle Interventionen von Sozialarbeitern und Therapeuten. Beratung und Aufklärung sowie gegebenenfalls gezielte Therapieangebote müssen erheblich ausgebaut werden. Parallel zu diesen Maßnahmen muss die Dauer von Strafverfahren deutlich verkürzt werden, damit die staatlichen Sanktionen unmittelbar spürbar und erkennbar sind. Denn nur so kann sich ihre generalpräventive Wirkung entfalten.
Es wäre wünschenswert, wenn sich die Bundesländer hier auf ein einheitliches Vorgehen verständigen und gerade beim Konsum geringer Mengen
nicht allein auf das Strafrecht setzen würden. Die bundesweite Informationskampagne zum Thema Alkoholmissbrauch, die sich gezielt an junge Menschen richtete, hat anschaulich gezeigt, dass der Staat eben nicht machtlos ist. Denn diese Kampagne war, ohne auf das Strafrecht zurückgreifen zu müssen, erfolgreich. Der Zahl jugendlicher Komatrinker ging spürbar zurück.
Doch zurück zur Droge Cannabis. Welche gefährlichen Auswirkungen die Freigabe in der Praxis hat, zeigt ein Blick in den US-Bundesstaat Colorado: Die Legalisierung von Cannabis führte dazu, dass die Kapazitäten in den Jugendpsychiatrien verdoppelt werden mussten. Psychosen, Wahnvorstellungen, Halluzinationen nahmen drastisch zu.
Gerade vor dem Hintergrund der gesundheitsgefährdenden Folgen des Cannabiskonsums ist die wichtigste Frage, die sich mir stellt, die nach dem Jugendschutz, den Sie mit Ihrem Antrag angeblich verbessern wollen. In der Realität schützt eine Legalisierung von Cannabis die Jugendlichen nämlich nicht, sondern führt bereits in jungen Jahren zu Abhängigkeiten und Suchtkreisläufen.
Ist Ihnen die Tatsache bekannt, dass in den Ländern, in denen Cannabis für Erwachsene legalisiert wurde, auch die Zahl der jugendlichen Konsumenten massiv gestiegen ist?
Kollegen von der FDP und von den Grünen, mit Ihrem Antrag beschädigen Sie die Vorbildfunktion von Politik und tragen zur Verunsicherung in der Diskussion über die Gefahren von Cannabis bei. Deshalb sagen wir als AfD ganz klar Nein. Die Zustimmung zum vorliegenden Antrag auf Legalisierung der Droge Cannabis wäre ein fatales Signal und ginge in die völlig falsche Richtung.
Vielen Dank, Herr Kollege Bothe. - Es folgt jetzt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es spricht die Vorsitzende, Frau Anja Piel. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe der Debatte zu unserem Antrag zumindest entnommen, dass uns alle ein großes Ziel eint: Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren zu schützen, die mit dem Konsum von Drogen verbunden sind.
Die Vorstellungen darüber, wie wir dieses Ziel erreichen, gehen hingegen weit auseinander. Wir haben jetzt viele Argumente für und gegen eine regulierte Abgabe von Cannabis gehört; ich will sie nicht alle wiederholen. Aber um die Debatte auf die Sachebene zurückzuholen, will ich deutlich machen, warum ein Modellprojekt in Niedersachsen nicht nur sinnvoll, sondern auch dringend notwendig ist. Die Argumente haben Sie zum Teil in Ihren Reden mitgeliefert.
Fakt ist nämlich: Der Konsum von Cannabis ist gesellschaftliche Realität, ob wir das wollen oder nicht. Daran ändert auch das derzeitige Verbot gar nichts. Ich bin dem Kollegen Birkner außerordentlich dankbar dafür, dass er das so klar beschrieben hat. Das ist eigentlich eine gescheiterte Strategie.
Für Jugendliche ist es oftmals einfacher, an einen Joint zu kommen als an eine Flasche Alkohol. Denn der Dealer auf der Straße - auch das haben Sie in Ihren Redebeiträgen sehr schön beschrieben - fragt eben nicht nach dem Alter. Während Minderjährige also durchaus an Drogen kommen, erreichen die Drogenpräventionsangebote, die Sie auch alle gefordert haben, dieselben Jugendlichen nur schwer. Denn aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und davor, dass die Eltern oder gar die Schule davon erfahren, nehmen viele Jugendliche Hilfsangebote gar nicht erst in Anspruch. Und genau das ist das Problematische an der derzeitigen Rechtslage und verpflichtet uns als politisch Verantwortliche zu handeln. Diese paradoxe Situation löst man auch nicht dadurch, dass man vonseiten der Landesregierung einfach sagt: „Es besteht kein Handlungsbedarf“, so wie es in der letzten Woche geschehen ist.