Protocol of the Session on June 21, 2018

Für Jugendliche ist es oftmals einfacher, an einen Joint zu kommen als an eine Flasche Alkohol. Denn der Dealer auf der Straße - auch das haben Sie in Ihren Redebeiträgen sehr schön beschrieben - fragt eben nicht nach dem Alter. Während Minderjährige also durchaus an Drogen kommen, erreichen die Drogenpräventionsangebote, die Sie auch alle gefordert haben, dieselben Jugendlichen nur schwer. Denn aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und davor, dass die Eltern oder gar die Schule davon erfahren, nehmen viele Jugendliche Hilfsangebote gar nicht erst in Anspruch. Und genau das ist das Problematische an der derzeitigen Rechtslage und verpflichtet uns als politisch Verantwortliche zu handeln. Diese paradoxe Situation löst man auch nicht dadurch, dass man vonseiten der Landesregierung einfach sagt: „Es besteht kein Handlungsbedarf“, so wie es in der letzten Woche geschehen ist.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der CDU, Sie sagen z. B., ein liberaler Umgang mit Cannabis würde insbesondere für Jugendliche verharmlosend wirken. Das habe ich heute vielfach gehört. Womit lässt sich das eigentlich belegen? - Erst einmal hätten wir dadurch die Chance, Jugendliche frühzeitig anzusprechen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wenn man sich den Katalog der Dinge anhört, die mit Drogenkonsum einhergehen, stellt man fest, dass die frühzeitige Ansprache ein ganz wichtiges Anliegen ist.

Sie sagen, der Konsum würde durch eine Liberalisierung zunehmen. Tut er das wirklich? Ich habe mich ein bisschen über die Zahlen gewundert. Viele Länder, darunter Portugal, die Schweiz, Tschechien, Uruguay und etliche US-Bundesstaaten, haben ihren Umgang mit Cannabis gelockert. Kanada hat gestern als erste große Industrienation Cannabis legalisiert. Einen kausalen Zusammenhang zwischen der Rechtslage und dem Cannabiskonsum konnte bisher übrigens in keinem einzigen dieser Länder nachgewiesen werden. In Italien ist beispielsweise die Konsumrate nach einer Strafverschärfung angestiegen, in Griechenland trotz einer Lockerung gesunken. Wie sich eine Lockerung in Deutschland auswirken wird?

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das wissen wir nicht!)

Ich weiß es nicht. Sie wissen es nicht. Und genau deshalb wollen wir ein Modellprojekt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Sie sagen, der Schwarzmarkt würde nicht austrocknen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass Erwachsene die Möglichkeit nutzen werden, Cannabis auf legalem Wege zu erwerben, auch wenn es vielleicht etwas teuer wird. Ein reiner Schwarzmarkt für Jugendliche ist für die organisierte Kriminalität nicht ertragreich genug. Für Alkohol gibt es übrigens auch keinen solchen Schwarzmarkt.

Wir brauchen also Fakten statt Vermutungen, meine Damen und Herren. Nur so können wir eine vernünftige und sachliche Debatte über das weitere Vorgehen führen. Ich war sehr dankbar für den Hinweis von Dr. Pantazis, dass eine Enquetekommission im Gespräch ist. Wenn wir in Niedersachsen ein solches Modellprojekt hätten, dann könnte die Enquetekommission auf Fakten- und Datenbasis diskutieren. Daran müssten Sie eigentlich ein Interesse haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wenn die Große Koalition hier weiterhin einen Handlungsbedarf leugnet, nimmt sie damit nicht nur die Gefahren für Konsumentinnen und Konsumenten, insbesondere für Jugendliche, weiterhin billigend in Kauf, sie hinkt auch der gesellschaftlichen Realität hinterher.

Lassen Sie mich den kanadischen Premier Justin Trudeau vom gestrigen Tag zitieren:

„Bislang ist es für Jugendliche viel zu einfach gewesen, Marihuana zu bekommen - und für Kriminelle Gewinne einzustecken. Das wird sich nun ändern.“

In seinem Land, in Kanada! Lassen Sie uns herausfinden, ob das in Niedersachsen auch so wäre! Stimmen Sie mit uns für ein Modellprojekt, damit wir endlich über Fakten statt über Vermutungen und Unterstellungen reden. Gekifft wird sowieso, ob wir das wollen oder nicht.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Piel. - Meine Damen und Herren, ich gucke sicherheitshalber nach rechts und nach links, um zu sehen, ob die Landesregierung reden möchte. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall, sodass wir die Beratung abschließen können.

Wir gehen nun über zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll tätig werden der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, mitberatend soll sein der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so befinden will, den bitte ich um ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir nehmen einen sanften Themenwechsel vor, meine Damen und Herren.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Der nächsten Milchkrise wirksam begegnen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1068

Eingebracht wird der Antrag durch die Kollegin Miriam Staudte. Bitte sehr, Frau Staudte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich hoffe, ich kann das Aufmerksamkeitsniveau beim Thema Milch halten. Cannabis interessiert womöglich mehr.

Aber auch das Thema der Milchpolitik ist für Niedersachsen entscheidend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben Ihnen einen Antrag vorgelegt, in dem wir letztlich eine totale Umkehr in der aktuellen Milchpolitik fordern.

Vielleicht erst einmal einige Worte zur Situation: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich persönlich kenne Begriffe wie „Butterberg“, seit ich denken kann. Im Moment stehen wir nicht vor Butterbergen, sondern vor gigantischen Lagern mit Milchpulver. Ich meine das tatsächlich wörtlich. Wir hatten vor ungefähr zwei Wochen eine kleine Protestaktion vor einem Milchpulverlager im Emsland. Wir Grüne waren dort nicht allein. Es waren Landwirtinnen und Landwirte vom Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter, BDM, und von der AbL da. Es waren Leute vom BUND da, vom NABU, von Entwicklungshilfeorganisationen, von der Kirche. Und sie alle haben demonstriert, weil sie der Meinung sind: So geht es nicht weiter! Wir brauchen endlich eine Milchmengenreduktion, wenn wir stabile Preise garantieren wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zurzeit haben wir tendenziell immer eine Überproduktion, und diese Überproduktion führt eben zu Preisverfall. Es gibt immer wieder Milchpreiskrisen. Das wissen Sie aus der Vergangenheit. Es ist ziemlich sicher, dass wir wieder Milchpreiskrisen kriegen werden, wenn wir an der aktuellen Politik nichts ändern. Das sind keine Preiskrisen, in denen die Landwirte etwas weniger Geld verdienen und schauen müssen, wie sie irgendwie hinkommen, sondern es sind immer existenzbedrohende Krisen, weil das Preisniveau unter die Erzeugerpreise fällt. Das führt viele, viele Höfe in den Ruin. 2014 haben Hunderte von Betrieben schließen müssen, obwohl es kurzfristige Interventionen durch die EU gab.

Die einen geben die Betriebe auf, die anderen kaufen die Herden auf. Man kann also auch nicht sagen: Naja, eine Krise bereinigt dann sozusagen irgendwie das Überangebot. - Letztlich verschärft sich die Problematik.

Auch wenn in der momentanen Situation niemand von einer akuten Krise spricht, liegen die Preise dennoch ganz deutlich unter den 40 Cent, von denen die Landwirte sagen: Die brauchen wir eigentlich, wenn wir gut wirtschaften wollen. - Es sind 31 Cent beim DMK und knapp 37 Cent bei Arla. Das sind im Moment die Preise. Aber man

muss tatsächlich davon ausgehen, dass die wieder in den Keller gehen.

Warum gibt es eigentlich diese Überkapazitäten? Die Milchbäuerinnen und Milchbauer haben nichts davon. Da muss man sich fragen: Wer hat eigentlich ein Interesse an diesen Überkapazitäten? Wenn Sie z. B. mit Vertretern des BDM oder der AbL sprechen, dann wird Ihnen ganz schnell gesagt: die großen Molkereien. Die agieren auf dem Weltmarkt und haben ein großes Interesse daran, dass die Milchpreise sehr weit unten sind, weil sie ansonsten auf dem Weltmarkt eben nicht mitmischen könnten. Aber ich glaube nicht, dass das unserer Zielrichtung sein kann. Wir müssen hier die Interessen der Landwirte und der Landwirtinnen vertreten und nicht die einiger weniger Großmolkereien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun gibt es also diese gigantischen Milchpulverlager. 2014 hat die EU in der Krise gesagt: Okay, wir versuchen, preisstabilisierend zu handeln, wir kaufen Milch auf. - Gigantische Mengen wurden zu Milchpulver verarbeitet - in einem sehr energiereichen Prozess, wie man sagen muss -, und 358 000 t werden derzeit eingelagert. Allein diese Einlagerung kostet die EU jährlich 10 Millionen Euro.

Niemand braucht diese Mengen. Man hat immer gesagt: Wenn sich der Preis stabilisiert, dann können die wieder auf den Markt gebracht werden etc. - Im Jahr 2017 sind aber nur 200 t von diesen Milchpulvermengen verkauft worden. Sie haben jedoch Einfluss auf den Markt. Allein ihre Existenz wirkt preisdämpfend. Die Bauern wissen, dass sie keine hohen Preise erzielen können, wenn theoretisch alle, die mit Milchprodukten arbeiten wollen, immer auf diese gigantischen Milchpulverberge, die natürlich zum Verkauf stehen, zurückgreifen könnten. Das ist ein Problem. Diese Preisstabilisierung wirkt wirklich nur sehr punktuell im Krisenfall. Aber auf Dauer hat sie eigentlich einen gegenteiligen Effekt.

Der andere Punkt, den ich in diesem Zusammenhang ansprechen möchte, ist das Thema Lebensmittelverschwendung. Wir diskutieren regelmäßig darüber. Alle Parteien sagen, dass das eine ganz schlimme Sache und ökologisch-ökonomischer Unsinn ist. Aber was wird dann mit diesen über 350 000 t Milchpulver passieren? Sie sind quasi unverkäuflich. Dann wird immer gesagt, sie sollen an Bedürftige oder an Flüchtlinge abgegeben werden. Jetzt steht zur Debatte, sie als Proteinkompo

nente in Tierfutter einzuarbeiten. Ich vermute, wenn demnächst das Mindesthaltbarkeitsdatum abläuft, werden diese Mengen in der Biogasanlage landen. Das aber kann nicht Sinn und Zweck der Milchproduktion sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine noch schlimmere Variante wäre natürlich, wenn man es auf funktionierende afrikanische Märkte bringen, dort so Marktstrukturen zerstören und letztendlich die nächste Hungersnot mit vorbereiten würde. Deswegen haben die Entwicklungshilfeorganisationen an dieser Protestaktion teilgenommen.

Was müsste man stattdessen tun? Wir haben in unserem Antrag verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen und natürlich auch die Maßnahmen gelobt, die wir in der letzten Wahlperiode ergriffen haben, z. B. die Grünlandförderung oder die Einführung des Weidemilchlabels. Wir haben auch Zusammenschlüsse wie die Nord-MeG gefördert, die die Verhandlungsposition der Milchbauern gegenüber den Molkereien stärken sollen. Aber es braucht weitergehende Maßnahmen.

Wir wollen die Weidetierprämie. Ein Tier auf der Weide macht natürlich mehr Arbeit; es produziert vielleicht auch nicht so viel Milch wie eine Kuh, die das ganze Jahr im Stall steht und mit Kraftfutter gefüttert wird. Aber da es keinen Mangel an Milch gibt, ist es richtig, die Weidemilchprämie einzuführen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir wollen, dass die Molkereien verpflichtet werden, mit den Bauern Verträge abzuschließen, sodass sie wissen, zu welchen Preisen sie Milch abliefern. Das muss wirklich gefördert werden. Und wir brauchen eine sehr viel stärkere und genauere Milchmarktbeobachtung durch die EU, damit präventiv eingegriffen werden kann.

Kommen Sie bitte zum Ende!

Ich muss leider zum Ende kommen, weil die Zeit abgelaufen ist.

Die weiteren Punkte finden Sie im Antrag. Ich hoffe sehr, dass wir sie im Ausschuss intensiv beraten.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)