Protocol of the Session on May 16, 2018

Das, meine Damen und Herren, ist der Kern des Streits. Ihr Bundesverkehrsminister hat es in der letzten Wahlperiode versemmelt auf ganzer Linie als Oberdepp der Bundesregierung in dieser Frage.

(Widerspruch bei der CDU)

Herr Kollege Wenzel, das waren jetzt zwei Worte hintereinander, die wir hier üblicherweise nicht verwenden wollen.

Ich dachte, das wäre eine bayerische Amtsbezeichnung. Aber dann verzichte ich darauf.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Das mag sein. Aber wir sind hier in Niedersachsen. Insofern bitte ich, sich norddeutsch, höflich und elegant auszudrücken.

(Jens Nacke [CDU]: Sind die Ord- nungsrufe ausgegangen, oder was ist los?)

Meine Damen und Herren! Diese Misswirtschaft setzt sich jetzt fort. Jetzt kommen Sie mit einem Gesetzentwurf um die Ecke und wollen hier mit Landesgeld einsteigen.

Meine Damen und Herren, wir haben uns auch die rechtlichen Grundlagen noch einmal sehr genau angeguckt. Wenn Sie hier aktiv werden, dann müssen Sie sich an die Kompetenzordnung des Bundes und der Länder halten. Darin ist ganz klar geregelt, wer für was verantwortlich ist.

Wenn Sie das hier einfach ignorieren und sagen „Wir legen uns 500 Millionen für dieses und für jenes an die Seite“, dann verstoßen Sie damit eklatant gegen die Kompetenzordnung des Bundes und der Länder. Das ist verfassungsrechtlich ein Problem, Herr Finanzminister und Herr Wirtschaftsminister.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Sie schaffen sich ein Sondervermögen, von dem Sie heute noch nicht genau wissen, was daraus zu finanzieren ist. Im Kern ist es eigentlich ein Tilgungsverhinderungsgesetz. Sie legen sich das Geld für die zweite Hälfte der Wahlperiode an die Seite, meine Damen und Herren.

Deswegen sage ich auch ganz deutlich: Das ist kein Sondervermögen, sondern das ist eine schwarze Kasse, Herr Finanzminister.

(Ulf Thiele [CDU]: Was für ein Un- sinn!)

Ich habe das auch schon einmal „Reptilienfonds“ genannt. Denn das beschreibt noch genauer, worum es Ihnen geht.

Im Kern ist das auf verschiedenen Ebenen rechtlich höchst angreifbar. Deswegen bitte ich Sie, noch einmal genau zu überlegen, welche dieser Aufgaben, die Sie im Hinterkopf haben, im Sinne der Landeshaushaltsordnung tatsächlich veranschlagungsreif sind. Die sollten Sie jetzt im Haushaltsplanentwurf 2019 verankern. Darin sollten Sie tatsächlich auch im Detail ausführen, welche Aufgaben es dort gibt. Auf alles andere sollten Sie verzichten.

Herzlichen Dank für das Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP - Ulf Thiele [CDU] meldet sich zu Wort)

Herr Kollege Wenzel, wir möchten das noch einmal klarstellen. „Depp“ ist eigentlich ordnungsrufpflichtig. Wir würden heute einmal darüber wegsehen, aber bitten, dass Sie in Zukunft die Sprache etwas treffender wählen.

(Zustimmung bei der CDU - Jens Na- cke [CDU]: Das ist nicht in Ordnung! Das ist eine ganz klare Beleidigung eines Bundesministers gewesen! Da kann auch für Grüne kein Welpen- schutz gelten! - Gegenruf von Jörg Bode [FDP]: Kritik am Präsidium ist auch ordnungsrufverdächtig!)

- Herr Nacke, wir haben im Präsidium zu entscheiden, wie damit zu verfahren ist. Wir sind hier eigentlich nicht das Parlament, in dem besonders viele Ordnungsrufe verhängt werden. Dann hätten wir schon ganz andere Themen gehabt. Wir haben uns entschieden, sorgfältig miteinander umzugehen. Das ist bisher auch gut gelungen. Herr Wenzel ist zumindest ermahnt worden. Ich glaube, er weiß, um was es geht. Zukünftig wird es dafür einen Ordnungsruf geben.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Als ehemaliger Minister kennt er die Re- geln ganz genau!)

Wir fahren jetzt in der Tagesordnung fort. Für die AfD-Fraktion haben sich zwei Redner gemeldet. Zunächst - - -

(Ulf Thiele [CDU]: Ich hatte eine Frage angemeldet, und keiner hat es gese- hen! Als Herr Wenzel dort vorne stand, habe ich gemeldet! Das Präsi- dium hat das nicht zur Kenntnis ge- nommen und ist darüber hinwegge- gangen!)

Für die AfD-Fraktion haben sich zum Tagesordnungspunkt „Sondervermögen“ Herr Peer Lilienthal und anschließend Herr Stefan Henze gemeldet.

Wenn ich ihm noch Zeit übrig lasse.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt geht es los: Niedersachsen wird digital. Beim Blick in den Gesetzentwurf wird aber deutlich: Los geht natürlich gar nichts! Ich hatte den Eindruck, es fehlt die Hälfte, und habe die ganze Zeit gewartet, dass noch eine Erweiterung der Tagesordnung um eine Art Masterplan kommt. Denn als Haushälter können Sie in den Gesetzentwurf gucken und eigentlich nichts damit anfangen, weil nirgendwo richtig steht, was tatsächlich gemacht werden soll. Spätestens bei den Ausschussberatungen müsste das anders sein.

Was man aber erkennt, ist, dass die Digitalisierung der Landesverwaltung sehr viel Raum einnimmt - Sie haben das eben als zweite Säule bezeichnet -, natürlich nicht ganz aus freien Stücken. Schließlich wurde bereits 2017 ein Online-Zugangsgesetz verabschiedet, das einen ambitionierten Rahmen für die Digitalisierung der Verwaltung setzt. Diese Digitalisierung wird vom Bürger auch nachgefragt.

Sie ist also hochbeliebt. In zwei Bereichen wünscht sich der Bürger nach einer Umfrage des European Digital Governance Barometer 2017 ganz besonders dringend mehr Digitalisierung: erstens bei allem, was das Ausweiswesen angeht - also bei der Beantragung von Personalausweisen und Reisepässen -, und zweitens im Rahmen der Kommunikation mit der Finanzverwaltung.

Machen wir doch einmal eine Bestandsaufnahme! Wir wollen ja in vier Jahren das Handeln dieser Landesregierung bewerten. Nehmen wir ein beliebige Landesverwaltung als Beispiel: Auch die Finanzverwaltung soll digitaler werden, vermute ich, Herr Minister. - Das habe ich mir gedacht. Erstens ist das ja dem Bürger wichtig, und zweitens geht es beim Finanzamt oft um etwas ganz besonders Wichtiges, nämlich um Geld.

Wir versetzen uns einmal in die Lage eines niedersächsischen Bürgers, der sich, um die Abgabefrist bis zum 31. Mai wissend, daranmacht, seine Steuererklärung zu fertigen. Unser Beispielbürger ist natürlich digitalaffin und möchte deshalb elektronisch mit dem Finanzamt kommunizieren. Er setzt sich also an den Computer, geht ins ELSTERPortal - dass er den „trivialen“ Anmeldevorgang schon unter Rot-Grün hinter sich gebracht hat, setzen wir einmal voraus; das ist auch nicht ganz einfach - und versucht, die Körperschaftsteuererklärung für seine GmbH zu machen.

Dabei stellt er fest: Das geht gar nicht! - Das Gesetz verpflichtet ihn zwar eigentlich, die Körperschaftsteuererklärung bis zum 31. Mai ausschließlich elektronisch abzugeben. Das geht aber nicht. Warum nicht? - Weil das technisch nicht möglich ist. Wie in jedem Jahr - zumindest in den letzten Jahren - ist es versäumt worden bzw. hat man es einfach nicht geschafft, die technische Möglichkeit zu schaffen, die Körperschaftsteuererklärung zeitgerecht abzugeben. Jedes Jahr muss das BMF eine Sonderregelung schaffen, in der steht: Die Erklärung kann später abgegeben werden.

Dieses Jahr ist die Frist bis zum 31. August verlängert worden. Die Krux daran ist, dass die Möglichkeit der technischen Einreichung überhaupt erst Ende Juli besteht. Der Beispielbürger hat also vier Wochen Zeit, um die Körperschaftsteuererklärung einzureichen.

Das hat übrigens einen ganz interessanten Nebeneffekt: In diesem Zeitraum von vier Wochen gehen alle Körperschaftsteuererklärungen in Niedersachsen ein, die nicht auf Papier - was wir ja

nicht mehr wollen - oder verspätet abgegeben werden - was wir auch nicht wollen.

So kann man erstens den Steuerbürger demoralisieren und zweitens die Finanzverwaltung völlig überlasten.

Wenn er schon dabei ist, Papier zu wälzen, macht er auch gleich seine Einkommensteuererklärung - nach dem Motto „Ein Abwasch!“ - auf Papier.

Diese Beispiele könnte man übrigens beliebig fortführen: nicht verfügbare Gewerbesteuererklärung, keine Möglichkeit, Belege einzuscannen und zu speichern. Mitteilungen zwischen den Finanzämtern werden ausschließlich per Post ausgetauscht. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen: Wenn Sie in Hamburg eine Beteiligung haben und in Niedersachsen zur Einkommensteuer veranlagt werden, muss das Finanzamt auf einen Brief warten. Da funktioniert elektronisch überhaupt noch gar nichts.

Das Steuerrecht ist komplex, das ist keine Frage. Vorgänge zu standardisieren, ist unheimlich schwierig. Dennoch zeigt der Blick nach Schweden, wie Digitalisierung in der Steuerverwaltung aussehen kann. Ich kann das einmal zeigen - ich bin auch in Schweden steuererklärungspflichtig -: Das hier ist mein Steuerbescheid aus Schweden!

(Der Redner zeigt ein Mobiltelefon)

Das ist schon alles. Da brauche ich nicht einmal zu scrollen. Die Steuererklärung habe ich mit der App gemacht. Das hat fünf Minuten gedauert. Das ist also gar kein Problem. Für meinen Bruder habe ich ein bisschen länger gebraucht, vielleicht sechs Minuten oder so.

Digitalisierung im Steuerrecht geht also. Von Schweden lernen heißt im Rahmen der Digitalisierung siegen lernen.

Wir wollen keinen Druck aufbauen, Herr Minister. Aber aus Ihnen muss Reinhold Ole Hilbersson werden! Sie müssen schwedischer werden! Wir schauen Ihnen dabei auf die Finger und stimmen der Ausschussüberweisung natürlich zu.

(Beifall bei der AfD)

Herr Henze ergänzt den Beitrag der AfD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Verwendung der Mittel ist im Gesetzentwurf in großen Teilen leider sehr vage be

schrieben. Etwas Konkretes, das man belastbar nennen könnte, findet sich eigentlich nur in den Bereichen der Investitions- und Investitionsfördermaßnahmen in der Landesverwaltung und der niedersächsischen Justiz sowie bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen der mittelbaren Landesverwaltung auf kommunaler Ebene. Für viele andere Bereiche finden sich nur schön formulierte Absichtserklärungen.

Immerhin hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - ein ganz wichtiges Ministerium übrigens - einen von der Landesregierung zu beschließenden und jährlich fortzuschreibenden Maßnahmenfinanzierungsplan zu erstellen. Wie schön!

(Jörg Bode [FDP]: Tolles Wort!)

Der konkrete und viel interessantere Masterplan bleibt aber weiterhin im Dunkeln. Wahrscheinlich gibt es Gründe dafür, Herr Minister.

Immerhin hat Herr Muhle, Ihr Staatssekretär für Digitalisierung, inzwischen festgestellt, dass man in Österreich „in jeder Gondel mit dem Laptop arbeiten“ kann - das stand heute in der Zeitung -, aber dass dies in Deutschland z. B. im Zug von Berlin nach Hannover nicht möglich ist. Dieses Problem wollten wir mit unserem Antrag „Digitalisierung der Hauptverkehrsachsen“ bereits im März lösen.