Herzlichen Dank, Herr Limburg. - Jetzt hat sich der Kollege Jens Nacke von der CDU-Fraktion gemeldet.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Limburg, herzlichen Dank, dass Sie mich an dieser Stelle zitiert haben. Ich freue mich, dass meine 100-%-Quote vor dem Staatsgerichtshof gegen die rot-grüne Landesregierung endlich eine hinreichende Würdigung erfahren hat.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Geben Sie uns das Klagerecht, dann schaffen wir das auch!)
- Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu sage ich vielleicht gleich noch etwas. Denn eine Normenkontrollklage war ja vor allen Dingen deshalb nicht erforderlich, weil tatsächlich so wenig Gesetze das Licht der Welt erblickt haben.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Warum habt ihr dann so geschimpft über un- sere Regierungsarbeit, wenn wir ei- gentlich so wenig gemacht haben?)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wahrung der Rechte von Minderheiten ist eines der wichtigsten Elemente der Demokratie. Nur sie ermöglicht den Wettstreit der Ideen. Nur sie ermöglicht es den Wählerinnen und Wählern, sich ein objektives Bild von der Regierungsarbeit zu machen. Minderheiten von heute sind Mehrheiten von morgen. Der Wechsel von Regierungsmacht ist in Demokratien der Normalfall.
An dieser Stelle wollte ich auch wieder Norbert Lammert zitieren. Sie haben das vorweggenommen. Herzlichen Dank dafür! Das gibt mir die Ge
Die CDU-Fraktion hat jedenfalls im Sinne von Norbert Lammert sehr frühzeitig erkannt, dass einer Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen von CDU und SPD in Niedersachsen als Koalition nur noch eine Opposition gegenüberstehen würde, deren Möglichkeiten begrenzt sind. Wir haben es deshalb gemeinsam mit der SPD für geboten gehalten, die Voraussetzungen für die Arbeit der Opposition deutlich zu verbessern.
Ich komme damit direkt zu dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Ich kann auf die Begründung dort verweisen. Sie zitieren eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Wettstreit von Regierung und Opposition die Demokratie auszeichnet und dass es Minderheiten ermöglicht werden muss, ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen.
Um gerade diesem Anspruch zu genügen, haben CDU und SPD in Absprache mit Ihnen wesentliche Änderungen vorgenommen. Entgegen der bisherigen Praxis haben wir das Verhältnis der Redezeiten der großen Fraktionen zu denen der kleinen Fraktionen zu Ihren Gunsten verändert. Wie kann man dem Anspruch, den eigenen Standpunkt im Parlament einbringen zu können, besser gerecht werden als durch Redezeit in diesem Haus?
In diesem Gesetz sind wesentliche finanzielle Verbesserungen enthalten, die allein den Oppositionsfraktionen zugutekommen. Sie werden natürlich auch zustimmen. Das ist gemeinsam abgestimmt; da gebe ich Ihnen völlig recht. Gerade von diesen Verbesserungen profitiert allein die Opposition. So führen wir allein zu Ihren Gunsten zum ersten Mal einen Sockelbetrag für Oppositionsfraktionen ein. Entgegen den Ausführungen von Herrn Wichmann sind finanzielle Möglichkeiten der Fraktionen, um Mitarbeiter zu beschäftigen, die die Arbeit vorbereiten, von elementarer Bedeutung.
Darüber hinaus sind wir Ihrem Wunsch entgegengekommen, Ausschussüberweisungen faktisch bereits durch zwei Fraktionen zu ermöglichen,
indem wir das Quorum, das bei 30 Abgeordneten gelegen hat, auf 20 Abgeordnete gesenkt haben. Das für die praktische Arbeit so wichtige Recht, Anträge in Ausschüssen zu beraten, wurde dadurch deutlich gestärkt.
Wir haben auch die Größe der Ausschüsse so verändert, dass Sie zukünftig mit Sitz und Stimme in jedem Ausschuss sitzen werden. Sie haben nicht lediglich eine beratende Stimme, wie es in früheren Zeiten bei kleineren Fraktionen in den Ausschüssen zum Teil der Fall war.
Bei all diesem Wettstreit würde ich mir wünschen, dass Sie diese wesentlichen Veränderungen für Ihre Arbeit nicht unter den Tisch fallen lassen oder als selbstverständlich darstellen. Die CDU hat längst dafür gesorgt, dass das Versprechen des stellvertretenden Ministerpräsidenten Dr. Bernd Althusmann eingelöst wurde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nun vorliegenden Gesetzesentwürfe der Oppositionsfraktionen zielen auf eine Veränderung der Verfassung. Eine solche Veränderung unterliegt nicht einer einfachen Mehrheit, sondern einer Zweidrittelmehrheit. Dafür gibt es einen guten Grund: Die Verfassung soll gerade nicht dem Willen wechselnder Mehrheiten unterliegen. Sie soll Grundsätzliches regeln, das über das Tagesgeschäft hinausgeht. In der Verfassung sind die grundlegenden Voraussetzungen für die Arbeit der Verfassungsorgane geregelt.
Es mutet ein bisschen merkwürdig an, dass die kleinen Fraktionen vor dem Hintergrund eines Wahlergebnisses darauf drängen, dass für sie in der Verfassung Rechte verankert werden, die ihnen die Mütter und Väter der Verfassung nicht einräumen wollten und die Sie auch bis heute nie eingefordert haben. Tatsächlich wollen Sie die Gunst der Großen Koalition mit ihrer verfassungsändernden Mehrheit zu Ihrem Vorteil nutzen. Aus unserer Sicht ist es jedoch nicht gerechtfertigt, die Verfassung des Landes Niedersachsen nach einem einzelnen Wahlergebnis den aktuellen Verhältnissen im Lande anzupassen. Die von Ihnen eingeforderten Verfassungsänderungen müssen daher darauf geprüft werden, ob sie eine dauerhafte und angemessene Veränderung sind. Die aktuellen tatsächlichen Machtverhältnisse dürfen dabei nur eine nachrangige Rolle spielen.
Es geht als Erstes um das Einsetzen von Untersuchungsausschüssen. Ein Untersuchungsausschuss ist ohne Zweifel ein besonders scharfes parlamentarisches Recht gegen die Regierung. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gilt als das schärfste Oppositionsrecht. Allerdings geht es bei der Ausübung des Untersuchungsrechtes nicht um die Einbringung von Standpunkten in den parlamentarischen Wettstreit, sondern um die konkrete Kontrolle der Regierung.
Aus gutem Grund sieht nicht nur die Verfassung in Niedersachsen, sondern sehen die Verfassungen aller Bundesländer vor, dass sich zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein bestimmtes Quorum an Abgeordneten zusammenfinden muss. In vielen Bundesländern handelt es sich dabei um ein Viertel, in den meisten - wie auch in Niedersachsen - um ein Fünftel der Abgeordneten. Ein kleineres Quorum ist in keinem Bundesland vorgesehen. Wir würden hier einen niedersächsischen Sonderweg beschreiten, den es seit der Weimarer Reichsverfassung so nicht gegeben hat. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat darauf hingewiesen.
An dieser Stelle darf darauf hingewiesen werden, dass die drei Oppositionsfraktionen gemeinsam sehr wohl ein Fünftel der Abgeordneten umfassen und somit die Möglichkeit haben, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen. FDP und Grünen geht es nämlich tatsächlich nicht um die wirksame Kontrolle der Regierung; es geht ihnen um das politische Signal, keine Initiativen gemeinsam mit der AfD ergreifen zu wollen. Für dieses Anliegen habe ich großes politisches Verständnis. Aber ich finde, Sie können nicht erwarten, dass dafür die Verfassung geändert wird.
Bei Normenkontrollverfahren gelten in den Ländern vergleichbare Quoren. Lediglich das Land Hessen kennt ein geringeres Quorum von einem Zehntel bzw. knüpft das Recht der Normenkontrolle an den Fraktionsstatus. In diesem Zusammenhang verweise ich ebenfalls auf die Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, der die Übertragung derartiger Rechte an Fraktionen für verfassungswidrig hält, weil dadurch ein Abgeordneter einer kleinen Fraktion deutlich größere Wirkungsmöglichkeiten bekommt als ein Abgeordneter einer großen Fraktion. Eine derartige Ungleichbehandlung der Abgeordneten ist nicht hinnehmbar.
Die abstrakte Normenkontrolle ist ein Sonderfall der politischen Kontrolle. Der Normalfall sollte sein, dass die politischen Parteien im parlamentarischen Verfahren ihre Positionen austauschen. Das gilt selbstverständlich auch für die Bewertung der verfassungsgemäßen Ausgestaltung. Es sollte daher ausdrücklich die Ausnahme bleiben, dass eine Minderheit im Parlament das höchste Gericht bemüht, um eine Mehrheitsentscheidung des Parlaments zu kippen. Keinesfalls darf die abstrakte Normenkontrolle zum politischen Kampfinstrument verkommen. Es geht um die Betrachtung einer Parlamentsentscheidung im Lichte der Verfassung und um nichts anderes.
Die Verfassung sieht daher zu Recht auch bei der Normenkontrollklage eine Hürde vor. Ich wiederhole mich an dieser Stelle gerne: Auch bei der Normenkontrollklage können die Grünen und die FDP gemeinsam mit der AfD das notwendige Quorum erreichen. Auch hier geht es ihnen lediglich darum, ein politisches Signal setzen zu wollen - oder nicht setzen zu wollen.
Die CDU-Fraktion hat sich daher entschieden, Ihren Verfassungsänderungswünschen nicht zu entsprechen.
Ich möchte an dieser Stelle, weil ich nun die Gelegenheit dazu habe, zwei Zitate bringen, wenn Sie mir das gestatten.
Das eine stammt von Richard von Weizsäcker, aus seiner Antrittsrede im Deutschen Bundestag 1984. Da hat er gesagt:
„Von Mehrheiten und Minderheiten wird mehr verlangt, als zählen zu können. Die Minderheit muss der Mehrheit das Recht zur Entscheidung zugestehen. Die Mehrheit hat beim Umgang mit diesem Recht die Pflicht, sich in der offenen Suche nach Wahrheit besonders zu engagieren. Sie muss ihre Entscheidung auf Grundsätze stützen, die von allen eingesehen und als legitim empfunden werden können.“
Weil die AfD hier gerade so munter gesprochen und Sie sich da wieder etwas wichtig genommen haben, Herr Wichmann, möchte ich besonders für Sie ein Zitat von Winston Churchill bringen. Der soll nämlich einmal gesagt haben:
und Bösartiges gesagt wird. Wenn wir aber alles in allem nehmen, sind wir doch eher bereit, uns damit abzufinden, als sie abzuschaffen.“
Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Zu Kurzinterventionen haben sich sowohl Herr Limburg als auch Herr Dr. Birkner zu Wort gemeldet. Jeweils anderthalb Minuten!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nacke, drei Anmerkungen zu Ihrer Rede:
Erstens. Ihre Erfolgsquote in Bückeburg sei Ihnen herzlich gegönnt. Aber auch wir wollen als Opposition die Möglichkeit haben, dort Rechte einzuklagen. Da geht es nicht nur um die Normenkontrolle. Wir können ja gar nicht auf Akteneinsicht klagen, wenn wir nicht einmal das Recht haben, Akteneinsicht zu verlangen. Das unterstreicht doch eher die Notwendigkeit von Änderungen an unserem Regelwerk.
Zweitens. Herr Nacke, Sie haben die Redezeiten angesprochen. Ich will das gar nicht gering schätzen. In der Tat gab es da ein wichtiges Entgegenkommen von SPD und CDU gegenüber den kleineren Fraktionen. Das begrüßen wir. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass dies ein Kompromiss war. Der Kollege Grascha hat ja den Vorschlag gemacht, einfach die Regeln aus Schleswig-Holstein zu übernehmen. Dann hätten alle Fraktionen in der Tat die gleiche Redezeit. Dazu waren Sie nicht bereit. Dann haben wir uns in der Mitte getroffen und diese Regelung gefunden.
Drittens. Auch in der Frage der Fraktionskostenzuschüsse würdigen wir ausdrücklich, dass Sie der Opposition entgegengekommen sind. Aber zur Wahrheit gehört auch - das kam in der öffentlichen Kommentierung aus den Reihen der Regierungsfraktionen etwas zu kurz -, dass wir nicht nur einen Oppositionszuschlag einführen, sondern auch den Betrag, den alle Fraktionen - also auch Sie - bekommen, deutlich anheben.
Auch Sie werden also von diesem gemeinsam getragenen Gesetz finanziell ganz erheblich profitieren. Das sollten Sie den Menschen nicht verschweigen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Nacke, zwei Anmerkungen dazu: