Protocol of the Session on April 18, 2018

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Nacke, zwei Anmerkungen dazu:

Sie sagten, es gehe uns nicht um eine wirksame Kontrolle, sondern um ein Signal in Richtung AfD. Ich will Ihnen deutlich sagen: Es geht uns selbstverständlich darum, eine wirksame, effektive Opposition auszuüben.

Das spielt gleich in die zweite Bemerkung hinein: Dazu muss man hier auch eine offene Diskussion über Verfassungsänderungen führen. Denn angesichts der immer stärkeren Fragmentierung der Oppositionslandschaft, die wir erleben, wird es nötig sein, eine Debatte darüber zu führen, z. B. durch Verfassungsänderungen die Rechte der Opposition so zu stärken, dass man tatsächlich eine effektive Opposition ausüben kann.

Sie haben das eher als eine Frage des politischen Willens dargestellt. Da stellt sich mir die Frage: Warum wird uns dann seitens der Landesregierung und auch der Regierungsfraktionen signalisiert, dass man unser Anliegen zwar verstehe, dass man aber die Verfassung nicht ändern, uns jedoch auf andere Art und Weise der Sache nach so stellen wolle, als hätte es eine Verfassungsänderung gegeben? Warum meint man, eine Verfassungsänderung käme jetzt zu früh?

Die Notwendigkeit, hier zu einer Stärkung der Opposition zu kommen, sehen der Sache nach doch auch Sie. Dann müssen doch auch Sie ehrlicherweise sagen: Die Verfassungsänderung ist der konsequente und richtige Weg.

(Beifall bei der FDP und bei der AfD sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine abschließende Bemerkung: Herr Kollege, ich würde von Ihnen gerne noch etwas zu der Frage hören, wie Sie sich die Alternativen vorstellen. Ist aus Ihrer Sicht alles gut? Soll alles so bleiben?

Oder welche Wege sollen aus Ihrer Sicht gegangen werden?

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- NEN und bei der AfD)

Schönen Dank, Herr Dr. Birkner. - Es antwortet der Kollege Jens Nacke.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass die Verfahren vor dem Staatsgerichtshof hier noch einmal angesprochen werden. Selbstverständlich stehe ich, wenn Sie irgendwann einmal über Klagen vor dem Staatsgerichtshof nachdenken, gerne hilfreich mit dem einen oder anderen Hinweis zur Seite - wenn Sie mir im Gegenzug versprechen, dass Sie der Landesregierung nicht verraten, dass ich Ihnen geholfen habe.

(Heiterkeit und Zuruf von Helge Lim- burg [GRÜNE])

Denn es sind ja gerade nicht quorenbedingte Rechte, die seinerzeit seitens der CDU und auch seitens der SPD vor dem Staatsgerichtshof geltend gemacht worden, sondern im Wesentlichen Rechte einzelner Abgeordneter, Auskunftsrechte beispielsweise.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das Akten- einsichtsrecht ist quorenbedingt!)

Dass die finanzielle Ausstattung aller Fraktionen verbessert werden soll, können wir bei einem nächsten Tagesordnungspunkte besprechen. Ich wollte das nicht in diesen Zusammenhang ziehen; aber es gibt natürlich keinen Grund, hier irgendetwas zu verschweigen. Wenn der Eindruck entstanden ist, dass ich das wollte, bitte ich dafür um Entschuldigung.

Wie will man die Verfassung ändern? Warum haben wir signalisiert, dass wir Ihnen an dieser Stelle entgegenkommen? - Ich habe es Ihnen schon in meiner Rede gesagt: Wir haben Verständnis für die Problematik und für das politische Anliegen von FDP und Grünen, etwas erreichen zu können, ohne die Zusammenarbeit mit der AfD zu suchen. Deswegen haben wir das politische Angebot unterbreitet, Ihnen über diese Hürde zu helfen, ohne dass dafür gleich die Verfassung geändert werden muss.

Ich darf - wenn Sie mir den einen Satz noch erlauben, Frau Präsidentin - an dieser Stelle eine kurze Anmerkung machen:

Die FDP hat in der letzten Wahlperiode nicht behauptet, in der Verfassung würden die Rechte kleiner Fraktionen nicht hinreichend gewürdigt. Dabei konnte die FDP-Fraktion die Quoren alleine nicht erfüllen. Das konnte sie nur zusammen mit der anderen damaligen Oppositionsfraktion, der CDU-Fraktion. Aber die war so stark, dass sie die Quoren auch alleine erreichte und die FDPFraktion gar nicht zu fragen brauchte. Auch die Fraktion der Grünen hat das in den Wahlperioden davor nicht behauptet. Dabei konnte sie nur zusammen mit der SPD die Quoren erfüllen. Aber die konnten die Minderheitenrechte auch in Anspruch nehmen, ohne die Grünen zu fragen.

Nun fordern Sie ein, die Quoren so zu verkleinern, dass sie auch von zwei kleinen Fraktionen erfüllt werden können. Das können Sie tun. Dann sollten Sie aber nicht mit der tagesaktuellen Situation argumentieren. Da Sie das nicht getan haben, gehe ich davon aus, dass Sie bislang vielmehr anders argumentieren.

Herr Nacke, Sie müssen zum Schluss kommen.

Jawohl, ich komme zum Ende, Entschuldigung.

Sie argumentieren vielmehr anders. Bislang war das alles kein Problem, weil es eine große Oppositionsfraktion gab. An der Stelle ist die Argumentation aus meiner Sicht nicht schlüssig.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Wir fahren nun fort. Zu Wort gemeldet hat sich für die SPD-Fraktion der Kollege Wiard Siebels.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst bei meinen Vorrednern bedanken. Ich freue mich wirklich, dass wir hier sehr ernsthaft und sehr sachlich debattieren, und habe den Eindruck, dass wir unser parlamentarisches Selbstverständnis sehr ernst nehmen.

Minderheitenrechte - so will ich die Zielrichtung der beiden auf eine Änderung der Verfassung abzielenden Gesetzentwürfe einmal zusammenfassen - sind für diesen Landtag in der Tat ein wichtiges Thema. Auslöser ist die Situation einer Großen Koalition, die Situation eines Übergewichts der Mehrheit gegenüber der Minderheit von 105 zu in der Summe 42 Mandaten.

Dass wir das Thema Minderheitenrechte sehr ernst nehmen, zeigen bereits die Gespräche, die in den vergangenen Wochen und Monaten zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern geführt worden sind, und die Redebeiträge, die es im Landtag im Rahmen von Geschäftsordnungsdebatten gegeben hat.

Ich will darauf hinweisen, dass wir in bislang kleineren Ausschüssen die Zahl der Mitglieder auf 15 aufgestockt haben, weil 15 der erste Teiler ist, bei dem alle Fraktionen einen regulären Sitz erhalten. Das gilt beispielsweise für den Unterausschuss „Prüfung der Haushaltsrechnungen“, der bisher fünf Mitglieder gehabt hat. Er hat jetzt 15 Mitglieder, sodass dort alle Fraktionen mit Stimmrecht vertreten sind. Ich finde, dass das eine gute und richtige Regelung ist.

Ich will auch darauf hinweisen, dass wir heute noch über neue Regelungen im Abgeordnetengesetz diskutieren und sie auch beschließen werden. Ich finde es richtig, dass man den Oppositionsfraktionen etwas unter die Arme greift. In der Tat, Herr Wichmann, ist es eine Grundvoraussetzung, ihnen Rechte einzuräumen. Aber sie müssen eben auch personell und damit finanziell in der Lage sein, diese Rechte auszuüben. Deswegen ist das, wie ich finde, schon ein wichtiger Punkt.

Dem will ich anfügen, dass im Abgeordnetengesetz auch geregelt werden wird, den Oppositionsfraktionen bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und bei der Einsetzung von Enquetekommissionen Mitarbeiterstunden zu vergüten. Auch das finde ich wichtig.

Gerade ist die Frage der Redezeiten im Plenum genannt worden. Da kann man sich in der Tat noch weitergehende Regelungen vorstellen. Herr Limburg hat ja den Vorschlag gemacht, alle Fraktionen einfach gleichzubehandeln. Ich könnte jetzt einen draufsetzen und sagen, vielleicht müssten wir die Redezeiten für die Oppositionsfraktionen sogar noch verlängern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Gut! Sehr gut!)

Aber ich möchte vorsichtig entgegenhalten - das könnte Sie möglicherweise auch beeindrucken, Herr Limburg -, dass wir im Moment bei einer Regelung sind, bei der 55 Abgeordnete der SPDFraktion durch 6 Minuten Redezeit bei einem Tagesordnungspunkt repräsentiert werden und 9 Abgeordnete der AfD-Fraktion durch 4 Minuten Redezeit. Also, ganz so schlecht ist diese Regelung möglicherweise nicht.

(Christian Grascha [FDP]: Das haben wir auch nicht gesagt!)

Wir beabsichtigen ferner, die Fragestunde neu zu gestalten. Das mag einerseits dem allgemeinen Reformbedürfnis entsprechen, weil sich die Fragestunde in der Vergangenheit nur mittelmäßig bewährt haben dürfte, aber ist natürlich auch immer vor dem Hintergrund einer Stärkung der Oppositionsrechte, einer Stärkung des Fragerechts der einzelnen Abgeordneten zu sehen.

Weiter haben wir - auch das ist genannt worden - beim Quorum für die Ausschussüberweisung Veränderungen vorgenommen.

Hier geht es nun um das Quorum für Aktenvorlagebegehren, für die Beantragung eines Untersuchungsausschusses, für die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs bei Volksbegehren - das dürfte eher nebensächlich und mehr der Stringenz einer solchen Regelung geschuldet sein - und um die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs bei der Normenkontrolle. Der Vorschlag ist, das Quorum von bisher einem Fünftel auf ein Sechstel abzusenken bzw. alternativ, je nach Antragslage, diese Rechte einer Fraktion zuzubilligen.

Hier will ich nun noch einmal das aufgreifen, was der Kollege Nacke vorhin deutlich gemacht hat - das bezieht sich parallel auf die Frage der Redezeiten, wie ich gerade ausgeführt habe -: Wenn man das täte, käme man wirklich zu einer Ungleichbehandlung der einzelnen Abgeordneten, weil dann ein Abgeordneter einer kleinen Fraktion einen viel größeren Anteil an solchen Rechten hätte als ein Abgeordneter einer großen Fraktion. Allein deshalb halte ich das schon für problematisch.

Die Oppositionsfraktionen haben 42 Abgeordnete, und das Quorum beträgt 28 Abgeordnete. Es würde also erreicht, allerdings nur dann, wenn sich die

Opposition in den Fragen, über die wir streiten, einig wäre.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich will mich den Worten von Herrn Nacke ausdrücklich anschließen, dass ich sehr großes Verständnis dafür habe, dass die Oppositionsfraktionen nicht auf diesen Weg verwiesen werden wollen - wenngleich ich mir den kleinen Seitenhieb nicht völlig ersparen kann, dass zumindest für Teile der Opposition gilt, dass die Rolle der Opposition für sie ein selbst gewähltes Schicksal ist.

Einen Moment, Herr Siebels! Es ist gerade besonders laut, und nach dem Klingeln wurde es noch lauter. - Ich bitte das Haus um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Herr Dr. Birkner fragt, ob er Ihnen eine Zwischenfrage stellen darf.

Ich würde gern im Zusammenhang ausführen. Im Anschluss können wir das gerne über Kurzinterventionen, Redezeitenergänzung usw. machen.

Die Frage ist also: Ist es zielführend, diese Quoren abzusenken? Zu welcher Beurteilung kämen wir in einer neuen Legislaturperiode, in der es möglicherweise keine Große Koalition gibt? - Es gilt also, zwischen dem Minderheitenschutz einerseits und dem Missbrauch solcher Minderheitenrechte andererseits - Missbrauch im Sinne von inflationärem Gebrauch - abzuwägen.

Diese Abwägung hat der Verfassungsgeber aber schon vorgenommen, meine Damen und Herren. Ich will dazu aus einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zitieren. Sie betrifft Bundesrecht, aber das ist parallel zu betrachten, weil es dabei genau um Oppositionsrechte ging. In seiner Pressemitteilung 22/2016 vom 3. Mai 2016 sagt das Bundesverfassungsgericht:

„Auch aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition ergibt sich keine Notwendigkeit einer Absenkung der grundgesetzlichen Quoren für die Ausübung der parlamentarischen Minderheitenrechte. Die in den Text der Verfassung aufgenommenen Quoren stellen vielmehr die vom Verfassungsgeber und vom verfassungsändernden Gesetzgeber gewollte Konkretisierung des Grundsatzes dar. Die Entstehungsgeschichte der Grundgesetzbe

stimmung über an Quoren gebundene parlamentarische Minderheitsrechte lässt insbesondere keine Anhaltspunkte für eine Regelungslücke erkennen.“

Ferner führt das Bundesverfassungsgericht in der Pressemitteilung aus: