Protocol of the Session on June 7, 2016

Herr Will, ich kann gut verstehen, dass Sie nicht gerne an Ihre Ausführungen und Anträge von 2009 und 2011 erinnert werden wollen.

(Zustimmung bei der CDU - Detlef Tanke [SPD]: Keine Selbstüberschät- zung, Frau Kollegin!)

Was ich bemerkt habe, ist der Wandel in Ihrer Meinung, und ich glaube, wir werden das Ganze in den Beratungen, die wir im Ausschuss haben werden, ganz gut aufdröseln können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Detlef Tanke [SPD]: Bleiben Sie in der Vergangenheit! Wir machen die Zu- kunft!)

Vielen Dank. - Jetzt hat sich Susanne Menge, Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum zweiten Mal in unserer rotgrünen Regierungszeit fassen wir ein heißes Eisen an, um das CDU und FDP über viele Jahre einen großen Bogen gemacht haben. Zum zweiten Mal stellen wir uns erfolgreich einem vielschichtigen Problem, an dem CDU und FDP zu ihrer Regierungszeit gescheitert sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nachdem uns mit dem erfolgreichen Prozess zur Alpha-E-Trasse etwas gelungen ist, was niemand für möglich gehalten hat, wagen wir uns mit dem Nahverkehrsgesetz zum zweiten Mal an ein Thema, das äußerst komplex ist, bei dem unterschiedliche Interessen abzuwägen und viele Beteiligte zusammenzubringen sind. Ich spreche hier von einer EU-rechtskonformen Regelung der Ausgleichszahlungen für die Schülerbeförderung.

(Detlef Tanke [SPD]: Ja! Ganz wichtig!)

Die Schülerbeförderung gilt als das Rückgrat des ÖPNV, vor allem in unserem ländlichen Raum. Umso wichtiger ist es für uns, die Ausgleichszahlungen für die Rabatte im Schülerverkehr ange

sichts zurückgehender Schülerzahlen auch für die Zukunft zu sichern und den kommunalen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen Planungssicherheit zu geben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Immerhin trägt das Land über die Ausgleichszahlungen Verantwortung für 133 Verkehrsunternehmen und rund 12 000 Beschäftigte in Niedersachsen. Ganz nebenbei: Das sind doppelt so viele Arbeitsplätze wie im niedersächsischen Schiffsbau. Und das Land trägt Verantwortung für die Beförderung von aktuell rund 856 000 Schülerinnen und Schülern.

Über viele Jahre hat das FDP-geführte Verkehrsministerium die nötige rechtliche Neuaufstellung versäumt. Die Verordnung Nr. 1370/2007 des EUParlaments und des Rats vom 23. Oktober 2007 regelt das Beihilfe- und Vergaberecht im ÖPNV, und danach müssen wir uns richten, verehrte Damen und Herren. Spätestens seit Inkrafttreten der Verordnung in 2009 bestand auch für die Niedersachsen Veranlassung, eine EU-rechtskonforme Regelung zu finden. Der § 45 a des Personenbeförderungsgesetzes sieht z. B. keine Überkompensationskontrolle vor. Eine solche Kontrolle schreibt die Verordnung für direkt vergebene Aufträge aber seit 2009 zwingend vor.

Nach vielen Jahren des Aufschiebens und der Übergangslösungen ist nun Ende 2016 Schluss mit der Extrawurst für Niedersachsen. Spätestens zum 1. Januar 2017 müssen die Ausgleichszahlungen auch hierzulande dem Beihilferecht entsprechen.

Das Versäumnis der Vorgängerregierung beseitigen wir jetzt mit unserem Gesetzentwurf. Statt direkt Verträge mit den Verkehrsunternehmen abzuschließen, wollen wir, dass das Geld künftig an die kommunalen Auftraggeber überwiesen wird. Es ist nämlich im Sinne eines gut funktionierenden Verkehrskonzepts, wenn bei den Aufgabenträgern nicht nur die Verantwortung für die Gestaltung des ÖPNV sitzt, sondern auch die Aufgabenkompetenz. Wichtig war uns bei der Systemumstellung, dass für alle der Status quo erhalten bleibt und die Mittel wie bisher nach Fahrplankilometern verteilt werden. Keine Region erhält deshalb durch diese Novelle weniger Geld.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir schaffen mit diesem Gesetz nicht nur Rechtssicherheit, wir tun noch viel mehr. Zusätzlich zur Sicherstellung der

Schülerbeförderung geben wir deutlich mehr Geld in den ÖPNV. Herr Will ist darauf eingegangen. Zu den 90 Millionen Euro Ausgleichszahlungen stellen wir den kommunalen Aufgabenträgern 20 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Mittel werden mit einer Gewichtung zu je einem Drittel nach Einwohnerzahl, Fläche und demografischer Entwicklung verteilt. Dieses Geld schafft den Auftraggebern die Möglichkeit, Mobilitätskonzepte zu entwickeln und den ÖPNV mithilfe anderer Instrumente wie z. B. Kombibussen, Bürger- oder Discobussen sinnvoll zu ergänzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir freuen uns, dass die Neuaufstellung der Ausgleichszahlungen plus der zusätzlichen 20 Millionen Euro von vielen Seiten getragen und unterstützt wird. Der Wirtschaftsminister begleitet unsere Anliegen mit Wohlwollen und erklärte zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden, die Gesetzesänderung zu begrüßen.

Wir fordern Qualitätsentwicklung, eruieren Ergebnisse und bringen Bewegung in die Diskussion um einen zukünftigen ÖPNV als Alternative eventuell zum eigenen Auto. Das Beispiel des ZGB macht deutlich, dass dies mit Fachkompetenz und Kreativität sehr gut gelingen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich auf den konstruktiven Austausch im Ausschuss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Menge. - Das Wort hat jetzt Jörg Bode, FDP-Fraktion. Herr Bode, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bedaure ich es sehr, dass Sie diesen langen Gesetzestitel gewählt haben, weil er nämlich zwei Dinge zusammengepackt hat, die eigentlich gar nicht zusammengehören. Das eine ist die Frage einer erhöhten Mittelzuwendung für die Region Braunschweig, der wir uns, wie wir auch erklärt haben, gerne hätten anschließen wollen. Hierüber hätte man auch schnell zu einer Einigung kommen können, die aber nichts mit der Kommunalisierung der 45-a-Mittel zu tun hat. Deshalb werden wir am Ende des Tages diesem Teil nicht zustimmen können, obwohl wir es gerne wollten.

Das möchte ich zur Klarstellung sagen. Deshalb möchte ich mich nur auf den Bereich der 45-aMittel, der Ausbildungsverkehre und deren Kommunalisierung beziehen.

Das ist schon ein dolles Stück, Herr Minister Lies. Die Kollegin König, die Kollegin Hövel und ich haben Ihnen am 29. April eine umfassende schriftliche Anfrage zu genau diesem Themenkomplex gestellt, um vorbereitet zu sein und zu wissen, welche Sachgrundlagen wir haben, um besser argumentieren zu können, weil wir ja ahnten, dass etwas kommt. Sie haben die verfassungsmäßige und vom Staatsgerichtshof gesetzte Antwortfrist seit über einer Woche überschritten, damit RotGrün dieses Gesetz, noch bevor die Daten von Ihnen vorgelegt werden, vorlegen konnte. Sie haben sich schon wieder nicht an die Vorgaben des Staatsgerichtshofs gehalten. Ich fordere Sie auf, die Antwort bis Ende dieser Woche vorzulegen. Ansonsten werden wir Ihren Verfassungsbruch vom Staatsgerichtshof feststellen lassen. - Herr Mielke, Sie können sich schon einmal vorbereiten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was soll denn tatsächlich besser werden, wenn es so kommt, wie Herr Will sagt? - Herr Will, Sie kritisieren, es wäre ein EU-rechtswidriger Zustand, und sagen: Dann sollen es doch bitte die Landkreise regeln. - Dadurch wird kein EU-rechtskritischer Zustand besser. Es gibt ja gar keine andere Regelung. Sie lassen sie tatsächlich damit im Regen stehen. Jeder Landkreis muss seine eigene Regelung in Brüssel notifizieren lassen, damit dass alles rechtskonform passieren kann. Was das für einen Arbeitsaufwand auslöst! Was für eine Zeit dahinter steht! Kein Unternehmen wird im nächsten Jahr Zuschüsse rechtskonform erhalten können, weil EU-Rechtsverfahren nun einmal länger dauern. Sie lösen im kommenden Jahr Chaos aus,

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

was den Schülerverkehr und den öffentlichen Personennahverkehr im Land Niedersachsen angeht.

(Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wo ist denn das Mehr, wenn jeder Landkreis genau den Betrag erhält, den er - bzw. die dortigen Unternehmen - zuvor erhalten hat, Sie aber durch Ihre Rechtsänderung die Umsatzsteuerpflichtigkeit auslösen, womit Millionen an den Bundesfinanzminister in Berlin abgeführt werden müssen, die nicht

mehr dem öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung stehen? Wo ist das Mehr für den öffentlichen Personennahverkehr? Wo ist, bitte schön, das Mehr für den öffentlichen Personennahverkehr, wenn auf einmal in jedem Landkreis für die Auszahlung von Geldern eine eigene Verwaltung und Bürokratie aufgebaut und vorgehalten werden muss? - Das alles kostet Geld, das nicht für den öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung steht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

In der Vereinbarung, die Sie mit den Kommunen abgeschlossen haben, heißt es: All das Geld, das nicht für die verbilligten Ausbildungszeitkarten für Schüler, Studenten und Auszubildende gezahlt wird, dürfen die Kommunen behalten.

(Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren - - -

Herr Bode, Entschuldigung! Frau Menge möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Jetzt passt das noch in die Redezeit. Sonst wäre sie abgelaufen.

Sehr gerne. Dann kann ich meinen Gedanken weiter ausführen. - Danke, Frau Menge.

Bitte schön, Frau Bode, Sie haben das Wort.

(Heiterkeit und Beifall - Zurufe: Herzli- chen Glückwunsch!)

Mein Name ist Menge. Das macht aber nichts.

Frau Menge, bitte schön! Entschuldigung!

Herr Bode, Sie haben gerade gefragt, wo da der Mehrwert sei, und haben unterstellt, dass in den Verwaltungen ein Wasserkopf aufgebaut wird. Glauben Sie, dass die 45-a-Mittel in den sogenannten Schulverwaltungsämtern der einzelnen Landkreise gut aufgehoben waren, damit von dort aus öffentlicher Personennahverkehr aufgebaut wird?

Vielen Dank. - Herr Bode, jetzt haben Sie das Wort.

Sehr geehrte Frau Menge, Sie haben, glaube ich, keine Ahnung, wie die einzelnen Landkreise das organisiert haben. Diese Unterstellung stimmt nicht. Herr Will hat jedenfalls richtig dargestellt, dass zuvor alles gut aufgestellt war und vernünftig lief. Er hatte mir damals unterstellt, ich würde das machen wollen, was Sie jetzt machen. Er hat dagegen gekämpft. Ich weiß gar nicht, was Sie ihm in den Tee getan haben, dass er jetzt auf einmal eine derart andere Position vertritt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Noch eines: Wenn weniger Geld netto für den öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung steht, obwohl Sie brutto den gleichen Betrag wie zuvor in das System gegeben haben, und Kommunen andere Aufgaben aus den Mitteln, die eigentlich für Schüler und Auszubildende gedacht sind, finanzieren können, also Gelder herausziehen und für sich wegnehmen können, dann führt das zu einer breiten Preiserhöhung für die Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Tickets für den normalen Fahrgast, die Schüler, die Studenten werden teurer.

(Detlef Tanke [SPD]: Lächerlich!)

Das haben dann Sie zu verantworten, Herr Will, weil Sie den Grünen auf den Leim gegangen sind.

(Lachen bei den GRÜNEN)