Protocol of the Session on May 4, 2016

Meine Damen und Herren, das Ganze wäre ja irgendwie nachvollziehbar, wenn irgendwann einmal von der Landesregierung ein inhaltlicher Punkt genannt worden wäre, wo sie sich von ihrem eigenen Vertragsentwurf, den sie verhandelt hat, distanziert habe. Doch dazu hat sie nicht ein einziges Wort gesagt.

Allein der Umstand, dass es bei Schura in einer turnusmäßigen Wahl des Vorstandes zu einem Wechsel kommt, reichte aus, um Abstand von den Verträgen zu nehmen.

(Jörg Bode [FDP]: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, das ist ein fatales Signal, das Sie hier aussenden. Denn Sie haben immer gesagt, es sei eine große Errungenschaft, dass sich die Vertragspartner, die Verbände zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt hätten. Im gleichen Zug sagen Sie, weil aufgrund einer demokratischen Wahl eine Person an die Spitze kommt, der Sie offensichtlich misstrauen: Jetzt stellen wir alles auf null und halten uns nicht mehr an das, was wir vorher gesagt haben! - Das halte ich für fatal, weil gerade hier die demokratischen Spielregeln dazu genutzt werden, die eigenen Interessen vordergründig durchzusetzen und das auszuhebeln, indem es zum Anlass genommen wird, etwas infrage zu stellen, obwohl es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, solche Entscheidungen dann auch zu akzeptieren.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Meine Damen und Herren, bei dieser Entscheidung sind offensichtlich nicht die Inhalte entscheidend gewesen, sondern Personen. Ihnen musste doch vorher klar gewesen sein, dass diese Verträge nicht mit Personen, sondern mit den Vereinen geschlossen werden und damit natürlich auch Bestand haben müssen. Man fragt sich dann natürlich, was Sie eigentlich machen, wenn die Katholische Kirche einen Papst wählt, der Ihnen nicht passt. Kündigen Sie dann das Konkordat?

(Beifall bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Eine gute Anregung! Wir diskutieren das einmal!)

Wie gehen Sie eigentlich damit um, dass Sie DITIB und Schura in die Versammlung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt entsandt haben? Was bedeutet das eigentlich, Herr Ministerpräsident? Bedeutet Ihre Skepsis gegenüber dem neuen Schura-Vorsitzenden auch, dass Sie auch das zurückziehen wollen? Wird das auch „auf Eis gelegt“? - Daran sieht man doch, dass die Tragweite Ihrer Entscheidung überhaupt nicht durchdacht ist.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, im Ergebnis zeigt das eines: Entweder haben Sie das Ganze leichtfertig verhandelt, Sie haben Verträge mit einer großen Tragweite am Ende von einer Person abhängig gemacht, und nun erkennen Sie, dass Sie das inhaltlich vielleicht gar nicht halten können, wenn plötzlich ein unerwarteter Wechsel nach einer demokratischen Wahl geschieht, oder Sie haben Angst vor der Diskussion, weil Sie merken, dass die Unruhe in Ihren eigenen Reihen steigt, weil Sie eine Kommunalwahl vor Augen haben, oder Sie versuchen den kalten Ausstieg aus dieser Diskussion in einer ungeeigneten und aus meiner Sicht unverantwortlichen Art und Weise.

(Beifall bei der FDP)

Mit beiden Varianten, meine Damen und Herren, haben Sie gezeigt, dass Sie mit dieser Diskussion überfordert sind und dass Sie bei diesem sensiblen Thema ohne Plan und völlig verantwortungslos agieren. Ich hoffe, dass es gelingt, den Schaden, den Sie allein schon auf der bisherigen Strecke angerichtet haben, wieder zu kitten, und dass es uns dann noch gelingt, zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt die Vorsitzende der SPD-Fraktion, Johanne Modder. Bitte schön, Frau Modder!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum heute erneut eine Aktuelle Stunde

von der FDP zu den Verträgen mit den muslimischen Verbänden?

(Jörg Bode [FDP]: Das liegt am Minis- terpräsidenten! - Christian Grascha [FDP]: Das liegt an der Verwirrung, die Ihr Ministerpräsident schafft!)

Erst während des letzten Tagungsabschnitts haben wir hier miteinander über die Verträge beraten. Wir waren uns auch, glaube ich, alle einig: Wir wollen, wenn auch mit Änderungen, diese Verträge erfolgreich zum Abschluss bringen.

Meine Damen und Herren, was ist in der Zwischenzeit passiert? - Am vorvergangenen Wochenende - ich nenne es einmal das „ObamaWochenende“ - hat es in einem der drei muslimischen Verbände, in der Schura, einen völlig überraschenden und unerwarteten Führungswechsel - und zwar nicht nur in der Person des Vorsitzenden - gegeben. Das hat bei vielen zu Irritationen geführt bis hin im Verband selber, meine Damen und Herren. Dass eine solche Situation Nachfragen auslöst, ist aus meiner Sicht etwas ganz Normales und völlig klar.

Dass gerade in einer so hochsensiblen Phase der Vertragsverhandlungen - das ist das Entscheidende, Herr Grascha -,

(Christian Grascha [FDP]: War der nicht vorher schon Geschäftsführer? Saß er nicht auch schon am Verhand- lungstisch?)

in der wir miteinander um Änderungen ringen - das wissen Sie selber -, Klärungsbedarf über die neue Ausrichtung des Verbandes besteht, ist zumindest aus unserer Sicht völlig richtig und nachvollziehbar.

(Christian Grascha [FDP]: Sie wissen nicht, was Sie wollen! Das ist das Problem! - Gegenruf von Filiz Polat [GRÜNE]: Können Sie nicht einmal zuhören? - Gegenruf von Christian Grascha [FDP]: Ich rede in diesem Haus so viel, wie ich will!)

Die Gespräche mit Schura waren von großem Vertrauen und Respekt geprägt. Das hing natürlich auch mit der Persönlichkeit des bisherigen Vorsitzenden, Herrn Avni Altiner, eng zusammen. Das muss natürlich auch mit dem neuen Vorsitzenden, Herrn Recep Bilgen, neu aufgebaut werden; das ist gar keine Frage.

Natürlich steht auch die Frage im Raum: Wird die Schura in Niedersachsen jetzt über Milli Görüs zentral gesteuert?

Dass dieser Führungswechsel weder bei der FDP noch bei der CDU Fragen aufwirft, nehme ich so zur Kenntnis. Wenn heute in dieser Debatte der Eindruck erweckt werden soll, dass die Landesregierung dieses Vorhaben der Verträge mit den muslimischen Verbänden jetzt nicht mehr mit aller Ernsthaftigkeit verfolge und einen kalten Ausstieg plane, dann ist das - das wissen Sie, Herr Dr. Birkner - falsch.

(Beifall bei der SPD - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Da bin ich mir noch nicht so sicher!)

Sehr geehrter Herr Dr. Birkner, ich unterstütze ausdrücklich den Weg der sachlichen Auseinandersetzung, den Sie bei der letzten Debatte eingeschlagen haben, auch am Vertragswerk selber. Das habe ich während des letzten Plenums sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Aber wenn Sie jetzt diese Unterstellung in den Raum stellen, man plane den kalten Ausstieg, dann frage ich mich wirklich: Warum machen Sie das eigentlich? Welchen Zweck hat das?

(Jörg Bode [FDP]: Weil der Verdacht nahe liegt!)

- Die Verdachtsmomente sollten Sie ein bisschen überdenken.

Wir von der Fraktionsspitze, die Fraktionsvorsitzenden, haben in der letzten Woche mit dem Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei zusammengesessen. Dort hat sich der Ministerpräsident klar geäußert, dass die Landesregierung an den Verträgen festhält. Wir haben uns sogar gemeinsam darauf verständigt, dass die Verhandlungen mit allen Fraktionen dieses Hauses weitergeführt werden sollen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das hat er ver- gessen!)

Wir haben auch Gespräche vereinbart. Diese Haltung der Landesregierung hat der Ministerpräsident anschließend sogar in einem gemeinsamen Pressestatement auch der Landespresse gegenüber wiederholt. Sie waren dabei, Herr Dr. Birkner. Deswegen verstehe ich Ihr Ansinnen nicht. Ich frage mich wirklich, was Sie persönlich umtreibt.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das kann ich Ihnen sagen!)

Meine Damen und Herren, zu keinem Zeitpunkt war von „Ausstieg“ oder „Abbruch der Vertragsverhandlungen“ die Rede.

(Christian Grascha [FDP]: Sie wissen ganz genau, dass das Unsinn ist!)

Ich gehe nach den Gesprächen der letzten Woche weiterhin davon aus, dass wir gemeinsam an dem Ziel der Vertragsabschlüsse festhalten. Dazu gehört aber auch - und da richte ich meine Worte an die CDU-Fraktion -, dass auch Sie klar äußern, was Sie wollen und wo Sie Veränderungen haben wollen. Sie dürfen sich nicht länger hinter den Prüfaufträgen an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst verstecken!

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Hahaha!)

Aus meiner Sicht sollten jetzt sehr schnell die Gespräche mit dem neuen Vorstand der Schura geführt werden, um hier für Klarheit zu sorgen. Wir sollten unsere Änderungswünsche zusammentragen und gemeinsam zu einem Ergebnis kommen.

Meine Damen und Herren, wir haben in der Staatskanzlei gemeinsam festgestellt: Das Thema der Verträge mit den muslimischen Verbänden eignet sich nicht für parteipolitische Spielchen.

(Petra Tiemann [SPD]: So ist es! - Christian Grascha [FDP]: Das nennt man Debatte!)

Das Thema ist zu wichtig, um es in die Kommunalkämpfe oder in Wahlkämpfe insgesamt zu ziehen. Das sage ich ausdrücklich.

Frau Modder, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Herr Birkner würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Bitte schön, Herr Dr. Birkner!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Modder, vor dem Hintergrund, dass die Regierungssprecherin, Frau Pörksen, in der NWZ vom 28. April damit zitiert wird, dass es jetzt um die Sorge einer zu großen

Nähe von Schura und Milli Görüs zur AKP ginge, frage ich Sie, wie Sie das hinsichtlich DITIB bewerten, bei der ja die Imame direkt aus der Türkei finanziert werden.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Bitte schön!

Herr Dr. Birkner, wenn Sie Fragen an die Landesregierung haben, müssen Sie die auch an die Landesregierung stellen.