Protocol of the Session on May 4, 2016

befürchten eine Aufweichung der hohen EUStandards in der Nutztierhaltung und in der Lebensmittelerzeugung. Berges: ‚Eine Amerikanisierung der Tierhaltung ist für uns undenkbar. Deswegen lehnen wir TTIP ab.‘“

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

In demselben Artikel äußert sich auch Herr Dierkes von der ISN. Wortwörtlich wird dann auch der Vorsitzende der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft zitiert, den Sie ja gut kennen:

„Friedrich-Otto Ripke lehnt TTIP ab. Deutschland liege bei den Tierschutzstandards in der Geflügelhaltung ‚um Längen vor den USA‘, sagte Ripke.“

Ich habe bislang kein Dementi zu diesen Aussagen gefunden. Sie können die Pressemitteilungen der Landvolkverbände auf deren Homepages nachlesen. Wir nehmen diese Äußerungen sehr ernst. Vielleicht sollten Sie sich einmal mit Ihrem Parteifreund Herrn Ripke auseinandersetze. Ich habe nur das zitiert, was dazu in der Oldenburgischen Volkszeitung gesagt wurde.

Dieser Haltung schließen wir uns an. Wir sind stolz auf unsere hohen Tierschutzstandards in Niedersachsen und in Europa. Wir sind stolz auf unsere hohen Verbraucherschutzstandards.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir sind stolz darauf, dass wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern keine Gentechnik und kein Hormonfleisch unterjubeln und dass genmanipulierte Lebensmitteln gekennzeichnet werden müssen.

Wenn der US-Agrarminister sagt, die Verbraucher sollen mit ihrem Handy über den Strichcode auf Lebensmittelverpackungen auch Informationen zur gentechnischen Veränderung von pflanzlichen Zutaten scannen - das hat er wortwörtlich so gesagt, und auch der Bundeslandwirtschaftsminister hat das begrüßt -, dann sage ich jetzt als Minister für den ländlichen Raum: Es ist doch eine Illusion, dass man mit einem Handy in einen Laden geht und mittels einer App herausfindet - in manchen Region ist der Empfang gar nicht gut genug -, ob genmanipulierte Zutaten enthalten sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Frau Emmerich-Kopatsch hat auf die Drucksache 17/1462 hingewiesen: Dort hat der Landtag der Landesregierung ganz klare Maßstäbe für Freihandelsabkommen - Plural - mit auf den Weg gegeben: Erstens geht es darum, dass die Transparenz der TTIP-Verhandlungen verbessert werden muss. - Das sehen wir doch hoffentlich gemeinsam so. Es kann doch nicht sein, dass wir über TTIPLeaks von Greenpeace oder über Material, das man nur in abgeschottenen Leseräumen lesen darf und worüber man danach nicht sprechen darf, über die Verhandlungsstände informiert werden. Wir haben Transparenz gefordert. Wir haben gefordert, dass der Datenschutz nicht aufgeweicht wird - gerade im Hinblick auf die NSA-Affäre.

(Astrid Vockert [CDU]: Was sagt denn Minister Lies dazu?)

Wir haben eine ganz klare Position: In Europa gültige Sozial-, Umwelt-, Verbraucherschutz-, Lebensmittel-, Gesundheits- und Datenschutzstandards müssen gewahrt bleiben und dürfen nicht aufgeweicht werden.

Herr Minister, lassen Sie eine Frage von Herrn Dürr zu?

Herr Präsident! Herr Minister, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich wollte nur sichergehen, dass Sie für die gesamte Landesregierung sprechen. Sie haben gerade deutlich gemacht, dass Sie das Freihandelsabkommen ablehnen. Gilt das für alle Ministerinnen und Minister des Kabinetts?

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Das hat er mit keinem Wort gesagt!)

Herr Minister!

Ich habe gesagt: Dieser Landtag hat auf Antrag von SPD und Grünen klare Kriterien und Maßstäbe - und daran hält sich die Landesregierung - an Freihandelsabkommen gelegt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der FDP: Aha! - Ast- rid Vockert [CDU]: Das war keine Antwort!)

Wir nehmen Landtagsbeschlüsse ernst. Anhand dieser Bedingungen werden wir das natürlich prüfen.

(Zurufe von der FDP: Ah! - Christian Dürr [FDP]: Sie vertreten also nicht das Nein der Grünen!)

- Sie haben doch zu Recht gesagt, dass noch kein TTIP-Abkommen vorliegt. Wir können jetzt lange darüber philosophieren. Wir werden das Abkommen an der Vorgabe messen, dass keine Sozial-, Umwelt-, Verbraucherschutz-, Lebensmittel-, Gesundheits- und Datenschutzstandards in irgendeiner Form aufgeweicht und keine demokratischen Rechte ausgeschaltet werden. Die Unterschiede im Agrar- und Lebensmittelsektor zwischen der EU und den USA müssen besonderes berücksichtigt werden.

Der Landtag hat uns noch einmal den Auftrag gegeben - und das sollte doch gemeinsames Ziel sein -, dass unsere bäuerlichen Strukturen nicht gefährdet werden dürfen.

Herr Minister, auch Herr Bode möchte noch eine Zwischenfrage platzieren.

Nein, jetzt nicht mehr. Ich will ja gerade ausführen, welche Maßstäbe wir haben. Vielleicht hört er ja zu.

Der Landtag hat fünftens beschlossen, dass ein spezieller Investorenschutz angesichts der ausgebildeten Gerichtssysteme der USA und der EU verzichtbar ist und der Rechtsstatus nicht durch Sonderklagerechte von Konzernen ausgehöhlt werden darf. Und: Durch die Parlamente beschlossene Gesetze und Standards für den europäischen Binnenmarkt dürfen nicht durch Freihandelsabkommen infrage gestellt werden. Es dürfen keine neuen Barrieren entstehen für Erhöhungen von umwelt- und sozialpolitischen Standards sowie Gebühren, Steuern, Abgaben oder Konzessionen, z. B. auf CO2 und andere Schadstoffe.

(Christian Dürr [FDP]: Sie wollen also weiter verhandeln, das beruhigt mich!)

Der Antrag bzw. der Beschluss, der gefasst wurde, geht noch viel weiter. Die USA müssen endlich - das ist ganz wichtig; darauf hat auch Frau Kollegin Emmerich-Kopatsch hingewiesen - die grundlegenden Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte der ILO anerkennen; da geht es u. a. um Streiks und um gewerkschaftliche Organisationen. Das ist in den USA nicht überall gewährleistet; deshalb müssen wir das einfordern.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Genauso kann es für die Kommunen keinen Zwang zur Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen geben.

An diesen Maßstäben wird die gesamte Landesregierung Freihandelsabkommen messen. Der Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft, der Arbeitnehmerrechte und der Verbraucherschutz dürfen und werden nicht auf einem Basar im Gegenzug zu Erleichterungen in anderen Sektoren aufgegeben werden. Das ist die ganz klare Haltung der Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, zu Tagesordnungspunkt 2 c liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Besprechung schließen kann.

Wir kommen zu

d) „Kalter Ausstieg“? - Wie ernst ist es der Landesregierung mit den Islam-Verträgen? - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/5660

(Unruhe)

- Herr Dürr, Sie wollen, dass wir weitermachen?

(Jörg Bode [FDP]: Das ist unsere Ak- tuelle Stunde!)

- Eben, Herr Bode!

Das Wort hat Herr Dr. Birkner. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Dezember 2014 von Ministerpräsident Weil in einem Zeitungsinterview im Hinblick auf die beabsichtigten Verträge mit DITIB, Schura und der Alevitischen Gemeinde gehört „Wir

planen eine Unterzeichnung Anfang des Jahres“, also im Frühjahr 2015. Im Dezember 2015 hieß es dann, dass die Entwürfe der Verträge nun nur noch durch das Kabinett zur Kenntnis genommen werden sollten, weil man sich nicht mehr ganz sicher war. Denn der Abgeordnete Pantazis hatte sich ja zu Wort gemeldet und laut Zeitungsartikeln vorsorglich an die Einstimmenmehrheit erinnert.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Frau Kollegin Wernstedt hat sich zu Wort gemeldet und vor einer Privilegierung des Islam gewarnt. So wurde offensichtlich die Unsicherheit innerhalb des Regierungslagers größer.

Frau Heiligenstadt hat uns, nachdem das Kabinett diese Verträge nur noch zur Kenntnis genommen und eben nicht beschlossen hat, erklärt, dass das Ziel der Verträge die Integration sei, dass die Regelungen vielfach deklaratorischer Natur seien, insbesondere die Gebetsmöglichkeiten und die Bekleidungsregelungen, und dass es am Ende eigentlich nur darum gehe, ein Signal auszusenden und ein Stück Normalität herzustellen. Mit anderen Worten, das alles waren sehr beruhigende Worte: das Ganze sei deklaratorischer Natur. Eine Synopse wurde vorgelegt. Das alles diente dazu, uns zu signalisieren, dass das eigentlich gar nichts Gravierendes und nichts Tiefgreifendes sei, sondern im Prinzip nur das widerspiegele, was man schon habe.

Es heißt in einer Erläuterung der Landesregierung im Hinblick auf die Vertragspartner - ich zitiere -: „Mit allen drei Religionsgemeinschaften arbeitet das Land Niedersachsen bereits seit Jahren vertrauensvoll zusammen“.

Meine Damen und Herren, mit anderen Worten: Zu diesem Zeitpunkt war der Landesregierung eigentlich klar, dass der Unterschrift unter diese Verträge eigentlich nichts Wesentliches mehr im Wege steht. Erst auf Drängen von FDP und CDU ist es dann zu einer intensiven öffentlichen Debatte über die Verträge gekommen. Dabei haben wir uns als FDP sehr deutlich positioniert. Wir haben sehr deutlich gesagt, was für uns geht und was für uns nicht geht. Unsere Rahmenbedingungen sind klar. Daran werden wir uns auch festhalten lassen, einschließlich der Bereitschaft, grundsätzlich zu diesen Verträgen zu kommen.

Dann haben wir etwas erlebt, meine Damen und Herren, was sehr erstaunlich war. Ohne dass sich die Landesregierung auch nur in einem Punkt in

haltlich mit der Kritik, die wir in diesem Hohen Haus auch erörtert haben, auseinandergesetzt hatte, erklärte sie Ende April, dass der Wechsel an der Spitze von Schura hin zu einem Mitglied offensichtlich von Milli Görüs nunmehr der Anlass sei, vorerst nicht mehr zu einer Vertragsunterzeichnung zu kommen. Die Presse hat dann durchaus richtig getitelt: Die Verträge wurden auf Eis gelegt.

Meine Damen und Herren, das Ganze wäre ja irgendwie nachvollziehbar, wenn irgendwann einmal von der Landesregierung ein inhaltlicher Punkt genannt worden wäre, wo sie sich von ihrem eigenen Vertragsentwurf, den sie verhandelt hat, distanziert habe. Doch dazu hat sie nicht ein einziges Wort gesagt.