Protocol of the Session on March 10, 2016

Laut Antwort der Landesregierung war ein erster Förderantrag im April 2012 gestellt worden, der jedoch von der damals amtierenden CDU-geführten Landesregierung offenbar nicht bewilligt worden war. Direkt nach dem Regierungswechsel wurde dann am 25. Februar 2013 der prüffähige Förderantrag gestellt.

Die Nordsee-Zeitung berichtete am 24. Oktober 2013 unter der Überschrift „Störe lassen auf sich warten“ über die Bemühungen der Firma Vivace, für ihr Vorhaben öffentliche Fördergelder zu akquirieren, wie folgt - Zitat -:

„Im Übrigen ist der Geschäftsführer, der an der privaten Jacobs-Universität in Bremen den Bereich Wissenschaft und Technologietransfer verantwortet, momentan nicht sehr auskunftsfreudig, was die Planung der innovativen Kaviarproduktion angeht. Der Produktionsbeginn ist zeitlich in Verzug geraten. Zuletzt hatte die Meeresbiologin Professor Dr. Angela Köhler vom Alfred-WegenerInstitut (AWI) den Startschuss bereits für vergangenen Frühling angekündigt. Sie hat das schonende Verfahren erfunden, bei dem die Störweibchen am Leben bleiben können, wenn sie die Delikatesse spenden.

Doch der Baubeginn zog sich hin. Zuletzt wartete man nach Recherchen der NordseeZeitung auf den vorzeitigen Maßnahmebeginn, den Behörden für ein Vorhaben genehmigen müssen, wenn Fördermittel noch nicht genehmigt sind. Der Maßnahmebeginn wurde inzwischen genehmigt.“

Wir fragen die Landesregierung:

1. In welcher Form und wem gegenüber hat der damalige Staatssekretär Paschedag im Juni 2013 sein Interesse an einer zügigen Abwicklung des Förderantrags zum Ausdruck gebracht?

2. Welche Gespräche haben zwischen Minister Meyer, seinem jeweils zuständigen Staatssekretär und Abgeordneten, anderen Ministern oder Staatssekretären dieser Landesregierung stattgefunden, in denen es um die fragliche Kaviarproduktion ging?

3. Gab es seitens der mit dem Fördervorhaben befassten Mitarbeiter im ML und in nachgeordneten Behörden, einschließlich des LAVES, der Landwirtschaftskammer und des Veterinäramts Cuxhaven Hinweise und Bedenken, dass das von der Vivace praktizierte Verfahren zur Kaviarproduktion nur mittels eines durch einen Tierversuch genehmigten Hormoneinsatzes möglich ist?

Soweit unsere Anfrage.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Es antwortet die Landesregierung. Herr Minister Meyer, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte im Namen der Landesregierung Ihre Frage „Muss es wirklich immer Kaviar sein?“ wie folgt:

Nein, das muss es nicht. Es können auch geräucherte Forellen oder Saiblinge, Räucheraal, Lachs oder Seelachsfilets in MAP-Verpackung oder Nordseekrabben sein. Die Verarbeitung all dieser Fischereierzeugnisse haben wir mithilfe derselben Förderrichtlinie, mit Mitteln des europäischen Meeresfonds, EFF, und der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ gefördert. Diese Förderrichtlinie stammt übrigens noch aus der Zeit der CDU/FDP-Landesregierung.

In diesem Förderbereich fördern wir die Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstruktur der Fischwirtschaft. Es ist dabei unbedeutend, ob es sich um Karpfen, Forelle, Aal, Seelachs, Nordseekrabbe oder, wie in diesem Fall, um Kaviar vom Stör handelt. Kein Fisch wird diskriminiert.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

Entscheidend ist allein, ob es sich um ein fischereiwirtschaftliches Erzeugnis handelt. Das wird, glaube ich, was den Kaviar angeht, nicht bestritten.

Die CDU-Fraktion suggeriert, dass es sich bei der Förderung der Kaviargewinnung um ein grünes Projekt handele. Ich zitiere aus den Vorbemerkungen zu Ihrer Anfrage:

„Laut Antwort der Landesregierung war ein erster Förderantrag im April 2012 gestellt worden, der jedoch von der damals amtie

renden CDU-geführten Landesregierung offenbar nicht bewilligt worden war. Direkt nach dem Regierungswechsel wurde dann am 25. Februar 2013 der prüffähige Zuwendungsantrag gestellt.“

Zur Klarstellung: Bereits im August 2011 hat sich der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Björn Thümler

(Zuruf von den GRÜNEN: Was?)

im Fischereireferat meines Hauses nach Fördermöglichkeiten für eine Stör-Aquakultur der Firma Vivace erkundigt.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh! - Hel- ge Limburg [GRÜNE]: Was?)

Damals war nämlich als Standort noch der Landkreis Wesermarsch vorgesehen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Im September 2011 hat sich Herr Thümler wiederholt an meinen Amtsvorgänger, Herrn Lindemann, gewandt und für das Vorhaben geworben.

Im Oktober 2011 hat sich Herr Thümler dann auch an den damaligen Staatssekretär Ripke mit dem Wunsch nach einer Landesbürgschaft für das Aquakulturvorhaben der Firma Vivace gewandt.

So viel zu dem Mythos, die CDU habe dieses Projekt nicht gewollt und es wäre nicht - - -

(Zuruf von Björn Thümler [CDU])

- Herr Thümler, vielleicht haben Sie alles vergessen, was Sie in der vorigen Wahlperiode für dieses Unternehmen getan haben, um eine Ansiedlung zu erreichen, als in Ihrer Fraktion entschieden wurde, die Dringliche Anfrage zu stellen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Auch die Suggestion, der damalige Landwirtschaftsminister Lindemann und Staatssekretär Ripke hätten sozusagen Bedenken gegen das Projekt geäußert, sind in den Unterlagen nicht nachzuvollziehen. Vielmehr haben Landwirtschaftsminister Lindemann und Staatssekretär Ripke eben auch dieses Projekt unterstützt.

Wir können also zusammenfassen: Die damals amtierende CDU-Landesregierung hat das Projekt schlichtweg deswegen nicht gefördert, weil sie vorher abgewählt wurde.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Das Projekt war nicht förderfähig!)

Aber der Reihe nach: Wir haben den Ablauf zwar schon umfänglich bei der Beantwortung der beiden Kleinen Anfragen der CDU-Abgeordneten Oesterhelweg und Dammann-Tamke vom 4. September 2015 und vom 20. Januar 2016 sowie bei der Unterrichtung des Haushaltsausschusses durch die Landesregierung am 27. Januar 2016 dargestellt. Aber im Sinne der Vollständigkeit wiederhole ich den Sachverhalt gern.

Worum geht es? - Nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen darf Kaviar aus wildgefangenem Stör nicht mehr gehandelt werden. Folglich stammt der gesamte Kaviar, der legal erhältlich ist, aus Aquakulturanlagen. Zur Gewinnung dieses Kaviars müssen die Störe getötet werden.

Eine Professorin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven hatte sich zum Ziel gesetzt, ein tötungsfreies Verfahren zu entwickeln, bei dem weibliche Störe nicht einmal, sondern eben 6- oder 7-mal Kaviar produzieren können. Das war die Geschäftsidee hinter dem Betrieb Vivace, wie Ihnen ja bekannt ist. Diese Idee ist erst einmal brillant und hätte funktionieren können.

Entsprechend positiv haben auch die Medien diese Entwicklung begleitet. Die taz sprach von einer „ethisch korrekten Kaviarfirma.“ Der NDR machte eine ganze Reportage. Der NDR schrieb: „Nachhaltiger Kaviar setzt sich nicht durch. Es hatte sich so schön angehört: Für die Kaviarproduktion sollten keine Störe mehr sterben müssen. Diese Vision hatte das Unternehmen Vivace aus Bremerhaven und erarbeitete mit einer Meeresbiologin ein Verfahren zur Kaviargewinnung, bei dem die Fische weiter am Leben bleiben sollten.“

Auch die wirtschaftlichen Prognosen waren vielversprechend, aber dazu später.

Die Firma Vivace hat sich 2010 gegründet. An das Fachreferat des Ministeriums ist sie zum ersten Mal im August 2011 herangetreten. Herr Thümler hatte das teilweise schon davor, bevor die Firma an uns herangetreten ist, getan. Ihren ersten Antrag hat sie bereits im Februar 2012, unter der alten Landesregierung, gestellt. Damals war noch vorgesehen, sowohl die Aquakulturanlage als auch die Kaviarverarbeitung fördern zu lassen.

Dann hat es intensive Gespräche mit den verschiedenen Bewilligungsbehörden gegeben, ins

besondere mit der Landwirtschaftskammer, aber auch mit dem ML.

In der Konsequenz hat die Firma - das war noch in der alten Regierungszeit - nur noch einen Antrag auf Förderung der Kaviarverarbeitung gestellt. Einen Förderantrag für die Aquakulturanlage hat man nicht mehr vorgelegt.

Ein prüffähiger Förderantrag wurde am 25. Februar 2013 eingereicht, also sechs Tage nach Amtsantritt der neuen Landesregierung. Aber vorher gab es natürlich die zitierten Gespräche. Zu diesem Zeitpunkt ging es, wie gesagt, nur noch um einen Zuschuss zur Verarbeitung und Vermarktung.

Am 6. Mai 2013 hat dann im Ministerium eine Besprechung mit allen Verfahrensbeteiligten stattgefunden. Neben den Fachreferaten des Ministeriums und den Antragstellern waren u. a. die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, das LAVES und das Veterinäramt Cuxhaven anwesend. Bei dieser Besprechung wurden alle offenen Fragen fixiert, deren Klärung bzw. Erledigung Voraussetzung für eine Genehmigungsfähigkeit des Antrages war.

Das für die Förderung zuständige Referat meines Hauses hat in diesem Zusammenhang verfügt, dass ein Antrag auf Förderung nur genehmigt werden könne, wenn vorher die rechtliche Zulässigkeit des gesamten Störhaltungs- und Kaviargewinnungsprozesses von den zuständigen Behörden bestätigt sei. Dabei wurde das Konzept der Firma Vivace umfangreich unter vielfältigen Blickwinkeln überprüft: bezüglich des Tierschutzes, der Arzneimittelanwendung, der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittelsicherheit.

In der Folgezeit gelang es der Firma Vivace, die Mehrzahl der offenen Fragen zu beantworten. Kritisch blieb jedoch die Auslösung der Ovulation, d. h. des Ei- bzw. Folikelsprungs. Die diesbezüglich von der Firma Vivace vorgelegten Konzepte - Hypophysenpräparate oder Gabe des Tierarzneimittels Ovogest - wurden von der zuständigen Fachbehörde als rechtlich nicht zulässig bewertet.

Mit einem Schreiben vom 7. August 2013, das mit E-Mail vom gleichen Tag zugesandt wurde, wandte sich der Geschäftsführer der Vivace Loxstedt GmbH an den damaligen Staatssekretär des ML und berichtete ihm von einem Symposium der World Sturgeon Conservation Society, bei dem man sich mit Fachkollegen über Alternativen zur Einleitung der Ovulation von Stören ausgetauscht habe. Dabei sei man zu der Überzeugung gelangt,

eine wirtschaftliche Kaviargewinnung auch mit rein natürlichen Faktoren betreiben zu können.

Mit dieser Erklärung, auf rechtlich nicht zulässige Methoden der Ovulationsauslösung zu verzichten, waren alle veterinärrechtlichen Probleme ausgeräumt, und es wurde am 26. August 2013 ein vorzeitiger Maßnahmebeginn genehmigt.

Mit der Genehmigung des vorzeitigen Maßnahmebeginns war noch keine Entscheidung über die Bewilligung der beantragten Zuwendung getroffen worden. Diese erfolgte nach gründlicher Prüfung durch die Landwirtschaftskammer am 10. Februar 2014 durch einen Zuwendungsbescheid in Höhe von 828 000 Euro auf eine förderungsfähige Investition in Höhe von 3,3 Millionen Euro. Das entspricht einem Fördersatz von 25 %.