Protocol of the Session on February 19, 2016

Das ist im Übrigen eines der wenigen Themen, bei denen man den Begriff der Obergrenze sinnvoll diskutieren kann; denn hier geht es darum, mit einer Obergrenze gegen Kriminalität vorzugehen. Worüber wir jetzt reden müssen, ist: Kann das funktionieren? Kann das wirken?

Meine Damen und Herren, was ist der Anlass für diesen Vorschlag? - Nach einer aktuellen Studie werden in Deutschland jedes Jahr rund 100 Milliarden Euro aus illegalen Quellen gewaschen, und nur 1 % dieser Gelder kann über die Wege des Rechtsstaats wieder eingezogen werden. 99 % hingegen kommen illegal durch. Ich sage hier ganz klar: Das kann der Staat nicht akzeptieren. Unser Rechtsstaat kann nicht akzeptieren, dass Geldwäsche, dass Schattenwirtschaft und dass illegale Finanztransaktionen stattfinden. Das ist entscheidend.

Und: Statistisch ist es so, dass nur der allergeringste Teil der alltäglichen Zahlungen oberhalb des Betrages von 5 000 Euro in bar stattfindet. Je höher der Zahlungsbetrag, desto exponentiell niedriger ist der Barzahlungsanteil. Deshalb betrifft der in Rede stehende Vorschlag statistisch nur einen winzigen Anteil der Geldgeschäfte im Alltag. Allerdings: Bargeld ist im Alltag auch die Gewähr dafür, dass im Zeitalter von Big Data, in Zeiten, in denen Unternehmen massenhaft Kundendaten sammeln, eben nicht jede Zahlung von Produkten sofort mit einem Kunden verbunden werden kann.

Deshalb muss jetzt sehr sorgfältig diskutiert werden: Welche Instrumente taugen am meisten, um Schattenwirtschaft und Geldwäsche einzudämmen? Und welche Instrumente taugen am meisten, um die Privatsphäre und den Datenschutz sicherzustellen? - Um beides geht es in dieser Debatte.

Meine Damen und Herren, ich will auch sagen, was in dieser Debatte nicht hilft. Da hilft kein dürrer aus nur zwei Sätzen bestehender Antrag hier im Landtag. Man muss sich sachgerecht damit beschäftigen.

Ich will Ihnen auch gleich sagen, was überhaupt nicht geht: In der Begründung zu Ihrem Antrag ziehen Sie wieder eine Leier ab, die wir hier schon einmal gehört haben. Sie behaupten dort so nonchalant nebenbei, dass die Einführung des Mindestlohns ein Beitrag zur Förderung der Schattenwirtschaft sei. Das ist so was von abwegig! Das geht gar nicht. Wer behauptet, dass faire Löhne quasi ein Beitrag zur Kriminalität seien, der liegt vollkommen falsch.

Ganz am Ende Ihrer Begründung - das haben Sie in Ihrer apokalyptischen Rede erneut unter Beweis gestellt - behaupten Sie, dass der Vorschlag des Bundesfinanzministeriums jetzt ein Schritt zur Abschaffung des Bargelds insgesamt sei und dass das Sparvermögen der Allgemeinheit damit quasi ganz intransparent vom Staat vereinnahmt werden solle. Also: Diese Behauptung wird nicht dadurch wahrer, dass Sie sie wiederholen. Sie ist einfach auch nicht sachgerecht. Mit dieser Behauptung, die Sie hier an die Wand malen, werden Sie auch dem Thema nicht gerecht.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie können vor dem Hintergrund der wirklich wichtigen Frage, wie wir den Datenschutz, die Sicherung der Privatsphäre und die Kriminalitätsbekämpfung ordentlich hinbekommen können, eine Debatte doch nicht führen, indem Sie zunächst allerlei Ängste schüren und dann keinerlei sachliche Argumente zulassen.

Deswegen können wir heute hier im Landtag erneut ganz nüchtern feststellen: Die Abschaffung des Bargeldes ist weiterhin nicht vorgesehen.

(Christian Grascha [FDP]: „Niemand hat die Absicht …“!)

Und das ist auch gut so. Was aber vorgesehen ist, ist eine Debatte über die Frage, ob Ihr Vorschlag, was die Banknoten - das ist übrigens allein Sache der Europäischen Zentralbank - und Bargeldobergrenzen bei sehr hohen Zahlungsbeträgen, die es schon in vielen Staaten der Europäischen Union gibt, angeht, ein Beitrag zur Bekämpfung von Kriminalität sein kann. Das wäre eine sachliche Debatte. Die können wir gern auch hier im Haus führen. Was wir aber nicht machen werden, ist, dass wir zu dem Chor auf Ihrer alten Schallplatte, die

Sie hier immer wieder abspielen, auch noch mitsingen werden. Das machen wir nicht.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schmidt. - Jetzt hat sich Heiner Schönecke, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Überschrift des Antrags der FDP-Fraktion „Bargeld erhalten - Freiheit und Bürgerrechte schützen!“ ist plakativ. Nichtsdestotrotz beschäftigt dieses Thema die Bürger in der Bundesrepublik mittlerweile, nicht aber deshalb, weil die FDP diesen Antrag gestellt hat, sondern deshalb, weil dieses Thema jetzt in der Welt ist. Und wir müssen uns damit auseinandersetzen.

Die Phönizier haben das Bargeld erfunden. Meine Frage hier an das Haus aber ist: Wer will es eigentlich abschaffen?

(Jörg Bode [FDP]: Wir nicht!)

Bundesfinanzminister Schäuble hat in diesem Zusammenhang gesagt, bis Aschermittwoch habe er geglaubt, dass diese Bargelddiskussion Ergebnis des Karnevals sei. Dann sagte er: Niemand hat die Absicht, das Bargeld abzuschaffen.

(Petra Tiemann [SPD]: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.“ Schon klar! - Weitere Zurufe)

Ich gehöre dazu. Ich glaube, dass auch er nicht die Absicht hat, Bargeld abzuschaffen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass man sich damit auseinandersetzen muss, dass wir in Europa hinsichtlich der Obergrenzen und hinsichtlich der Frage, ab wann man nicht mehr mit Bargeld bezahlen soll, einen Flickenteppich haben. Ich empfinde diese Diskussion, die hier mittlerweile abläuft - - - Ja, was denke ich dabei? Kann es ohne Bargeld gehen? - Ich glaube, nein.

Da sagte gerade der Chef der italienischen Bankenvereinigung: Der Kampf gegen das Bargeld ist ein Kampf für die Zivilisation. - Ich glaube, irgendwo haben die den Schuss nicht richtig gehört. Wer meint denn nun wirklich, die Kultur, als Mensch Bargeld zu haben, abschaffen zu wollen? - Generationen von Eltern haben uns doch beigebracht, wie wir mit Geld umzugehen haben. Am Beispiel

von Münzen und Scheinen hat man uns die Wirtschaft erklärt. Wie bringen wir den Kindern den Wert des Geldes bei, wenn es in den Familien nicht mehr das Sparschwein gibt?

(Maximilian Schmidt [SPD]: Niemand hat die Absicht, das Sparschwein ab- zuschaffen!)

Von daher kann ich mir nicht vorstellen, dass man diese Idee weiterverfolgt.

Da sagt der Chef der Deutschen Bank, John Cryan: In zehn Jahren gebe es kein Bargeld mehr. Das Bargeld sei ineffizient. - Meine Damen, meine Herren, ich vertraue ihm nicht. Ich sage: Wir werden noch länger Bargeld haben, als er Chef der Deutschen Bank ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich glaube, sein Job hat eine geringere Halbwertzeit als das Bargeld in Deutschland. Trotzdem wünsche ich ihm ein langes Berufsleben.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das muss ja nicht bei der Deutschen Bank sein! - Maximilian Schmidt [SPD]: Steht das alles in dem Antrag? - Weitere Zurufe)

Meine lieben Freunde, wer denn glaubt, dass man mit diesen Grenzen die Kriminalität bekämpfen könne, dem sage ich: Inzwischen haben wir im Internet so viel Kriminalität, viel mehr, als uns allen lieb ist.

Wenn wir lesen müssen, dass ein jugendlicher Hacker aus Nordrhein-Westfalen mal eben in Internetattacken 600 000 Euro von fremden Konten abgeräumt und dieses Geld dann salafistischen Kämpfern überwiesen hat, dann ist das doch irgendwo eine Scheindiskussion. Da werden im Internet Millionen über Scheinfirmen abgeschöpft, und damit wird Krieg finanziert! Ist das die Sicherheit, die wir von den Banken erwarten? - Ich sage: Wir brauchen da noch so einige neue Überlegungen, damit es an der Stelle Sicherheit gibt.

Wir haben es doch erlebt: In Zypern und Griechenland sind die Banken zusammengebrochen. Unterhalten Sie sich doch mal mit Zyprern und Griechen, was sie in der Zeit gemacht haben, als sie vor den verschlossenen Toren dieser Banken standen! Die Menschen brauchten das Bargeld, um den Rest der Wirtschaft zu erhalten. Von daher vertraue ich nicht unbedingt den Systemen wie PayPal, die es am Ende ermöglichen, dass man mit dem Handy an jeder Kasse alles bezahlen kann.

Jeder Internetfreak, der einigermaßen gewieft ist, kann dann nachvollziehen, wo ich gewesen bin. Wenn ich Schuhe, Klamotten, Bohnen, Birnen und Speck kaufe, dann will ich nicht, dass man diese Spuren verfolgen kann.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Aber nicht alles in eine Tüte tun!)

Ich möchte das alles gerne weiterhin mit Bargeld bezahlen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Freunde, an der Stelle bin ich sehr nahe auch an der FDP: Big brother is watching you! Und das möchte ich nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jens Weidmann, der Chef unserer Deutschen Bundesbank, hat zu dieser Debatte ganz klar gesagt: Doch lieber Bares. Bares ist Wahres! - Wenn wir in zehn Jahren an einem Sonntagvormittag einen Kunden zu Hause haben, der das Gebrauchtauto der Tochter kaufen will, dann wird auch er noch mit Bargeld kommen, und dann kriegt er das Auto mit, dann kriegt er den Brief mit, dann kriegt er den Schein mit, und dann geht das Auto vom Hof. Als Niedersachse sage ich: Im Pferdeland Niedersachsen wird das genauso weitergehen: Wir werden mit Handschlag bezahlen, wir werden das Geld auspacken, und dann geht das Pferd vom Hof. Dann ist das erledigt! Da kann mir einer erzählen, was er will!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

An der Stelle wird in der Diskussion überzogen.

Wenn ein Finanzminister - jetzt komme ich wieder auf Berlin und auf Herrn Schäuble -,

(Glocke des Präsidenten)

wenn Herr Schäuble darüber nachdenkt, dass diese Unterschiede in Europa vielleicht ein Stück weit zurückgedreht werden sollten,

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Ah!)

dass man an der Stelle vielleicht über das eine oder andere nachdenken sollte, dann bin ich ganz nah bei ihm. Das kann nicht gehen.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Was denn jetzt?)

Wer sich in der EU über krumme Gurken unterhält, der darf sich auch über die Finanzströme in der EU

unterhalten. Dass hier Handlungsbedarf besteht, habe ich, meine ich, an den Beispielen dargelegt.

Vielen Dank.