Protocol of the Session on February 17, 2016

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist kei- ne Antwort!)

Es wäre aber schön, wenn Sie sich erst einmal mit den Dingen befassen würden, die ganz am Anfang der Integration stehen. Da passiert gar nichts. Sie machen immer den dritten und vierten Schritt vor dem ersten. Fangen Sie doch erst einmal an, und dann sehen wir weiter!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Lorberg. - Jetzt folgt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Polat, ich erteile Ihnen das Wort. Fünf Minuten!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Parallel zu unserer Landtagssitzung tagen die deutschen Bischöfe im ehemaligen Zisterzienserkloster im herrlichen Jagsttal. Zum Auftakt ihrer Frühjahrsvollversammlung sagte Kardinal Reinhard Marx etwas auch für diese Aktuelle Stunde der SPD-Fraktion „Zusammenhalt durch Integration“ sehr Wichtiges. Ich zitiere: „Prinzipien haben nur einen Wert, wenn sie auch in stürmischen Zeiten gelten.“ Weiter betont der Kardinal, nicht die Flüchtenden dürften zum Problem gemacht werden, die tatsächlichen Herausforderungen seien Krieg und Gewalt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mit den Übergriffen in Köln überschlugen sich erneut die Vorschläge zum Verschärfung von Gesetzen - oft unter dem Eindruck, dass Prinzipien keine Rolle mehr spielen. Zu nennen sind hier erstens das sogenannte KölnPaket zur erleichterten Ausweisung von Straftätern und zweitens die Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten.

Gerade diese beiden Gesetzentwürfe, meine Damen und Herren, sind reine Symbolpolitik. Es geht zunehmend um die viel beschworene Signalwirkung in eine zunehmend verängstigte Bevölkerung.

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Thiele zu?

Nein, danke.

Mit dieser Politik der vermeintlichen Härte und des Durchgreifens wird allerdings das Gegenteil passieren. Sie stärken damit die AfD. Im Kern sind diese Maßnahmen nicht die richtigen Schlussfolgerungen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die richtige Antwort beispielsweise auf die Attacken in Köln oder anderswo ist: Dem begegnen wir nur, wenn wir endlich die gesetzlichen Schutzlücken für Opfer sexueller Gewalt schließen.

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist Unsinn! Wir müssen doch gleichzeitig auch die Tä- ter sanktionieren!)

Das ist die richtige und besonnene Reaktion. Diese Initiative sollte gemeinsam vorangebracht werden - ausnahmslos von allen Fraktionen in diesem Landtag!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb, Herr Thiele, meine Damen und Herren: Werben Sie mit uns bei Ihren Kollegen in der Länderkammer für die aktuelle Bundesratsinitiative von Ministerin Niewisch-Lennartz zur Verschärfung des Sexualstrafrechts!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der zweite Schnellschuss - genauso wie der Vorschlag der CDU, Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge zuzulassen - ist die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten. Das möchte ich nochmals betonen. Wieder einmal suggerieren Sie, dass mit diesem Konzept die Beschleunigung der Asylverfahren erfolgen könne. Das ist einfach falsch.

Es ist als Reaktion auf die Attacken in Köln auch völlig unverhältnismäßig,

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Das hat doch nichts mit Köln zu tun!)

weil Sie damit im Grunde alle Asylsuchenden aus diesen Ländern bestrafen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Polat, noch ein Versuch von Herrn Thiele: Er möchte eine Zwischenfrage stellen.

Frau Ross-Luttmann, es ist genau so, wie Sie gerade dazwischengerufen haben. Eigentlich hat es überhaupt nichts damit zu tun. Aber es war die Reaktion auf Köln.

(Zuruf von Mechthild Ross-Luttmann [CDU])

Liebe Leute, keine Dialoge! - Herr Thiele möchte eine Zwischenfrage stellen. Geht das, oder geht das nicht?

Nein.

Gleichzeitig geben Sie Ländern wie dem Königreich Marokko einen Freifahrtschein für die Folter von Regimegegnerinnen und Regimegegnern und für die Inhaftierung von Homosexuellen.

Meine Damen und Herren, was für ein Schlag ins Gesicht von Menschenrechtsorganisationen in diesen Ländern! Die müssen sich demnächst vom Regime anhören: „Wieso? Europa und Deutschland haben uns doch zu einem sicheren Herkunftsland erklärt.“

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Editha Lorberg [CDU])

Zusammenhalt durch Integration: Meine Fraktion ist dennoch froh, dass nach Bündnis 90/Die Grünen und nach der SPD im Januar dieses Jahres nun auch die CDU ein Konzept zur Integration vorgelegt hat.

Gleichzeitig hoffen wir natürlich, dass keine weiteren Seehofer’schen Gesetzespakete durch die Länderkammer gebracht werden, sondern dass sich die Bundesregierung darauf konzentriert, die

integrationsfeindliche Gesetzgebung der 90erJahre endlich integrationsfreundlich zu gestalten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Das fängt bei der Abschaffung des Beschäftigungsverbotes an und hört bei der unsäglichen Vorrangprüfung auf, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

„Prinzipien haben nur einen Wert, wenn sie auch in stürmischen Zeiten gelten.“ - Seien Sie daran erinnert! Denn der Ansatz Ihres Integrationskonzeptes ist genauso fragwürdig wie Ihr Integrationspflichtgesetz.

(Christian Dürr [FDP]: Was heißt das denn mal konkret?)

Warum muss die Union ständig die Mär von integrationsunwilligen Flüchtlingen, von Integrationsverweigerern verbreiten? Es gibt kaum einen Asylsuchenden in Niedersachsen, der nicht so schnell wie möglich einen Integrationskurs des BAMF besuchen oder sofort arbeiten möchte, um uns nicht auf der Tasche zu liegen.

Wir erleben gerade sogar, dass die Menschen einen Anspruch auf einen Integrationskurs haben. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sagen: Pflicht! Aber die Menschen bekommen gar keinen Kursplatz, weil das BAMF zu wenig Kapazitäten anbietet. Das ist die Realität, meine Damen und Herren. Da müssen Sie Ihre Hausaufgaben machen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU und von der FDP)

Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal darum bitten, dass Ruhe einkehrt. - Es folgt jetzt für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Christian Dürr. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Polat, das, wovon Sie eben gesprochen haben, war die Realität, in der Sie leben. Das war nicht die Realität in Deutschland, um das klar zu sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Was hier in Sachen Integration stattfindet - ich will das auch in Richtung der Kollegin Modder sagen -, ist doch ein Herumeierei. Eine echte Integration der Menschen, die zu uns kommen, gelingt nur über den deutschen Arbeitsmarkt. Alles andere ist doch Augenwischerei.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Deswegen wollen Sie das zu Niedriglöhnen ma- chen?)

- Ich werde gleich noch etwas zu Ihrer Position sagen, Herr Kollege.

(Anja Piel [GRÜNE]: Da sind wir ge- spannt! - Helge Limburg [GRÜNE]: Besser wäre es, das nicht zu tun!)

Wir haben Ihnen dazu Vorschläge gemacht: Abbau von Eintrittshürden, Abschaffung der Arbeitsverbote, Abschaffung der Vorrangprüfung, mehr Flexibilität bei der Zeitarbeit.