Protocol of the Session on October 14, 2015

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich über jede Frage, auch die von Frau Jahns in diesem Moment. Ich räume zwar ein, dass sie den Rahmen der Dringlichen Anfrage möglicherweise - das zu beurteilen steht mir jedoch nicht zu - etwas überschreitet. Aber sie hat natürlich recht: Das sind Fragen, die unsere gesamte Gesellschaft betreffen. Deswegen will ich gerne eine Einschätzung aus meiner persönlichen Perspektive geben.

Ich kann mich erinnern, dass es in meiner Kindheit - ich weiß nicht, wie es in Ihrer war und wo Sie aufgewachsen sind - vergleichbare Situationen gab. Nachbarskindern wurde verboten, mit dem Gastarbeiterkind aus Portugal zu spielen

(Anja Piel [GRÜNE]: Genau!)

oder mit den ersten türkischen Jungs. Deutsche Jungs durften keine türkischen Freundinnen mit nach Hause bringen. Das alles hatten wir doch schon.

(Angelika Jahns [CDU]: Ich dachte, darüber seien wir hinweg!)

Das ist nicht damit zu klären, dass man sagt: Wenn ein Mensch ins Land kommt, legen wir einen

Schalter um, und schon übernimmt er unsere Werte.

(Angelika Jahns [CDU]: Wir sind doch viel moderner und aufgeklärter ge- worden!)

- Wir sind aufgeklärter geworden. Aber das gilt nicht für alle Menschen, die zu uns kommen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deswegen müssen wir die Aufklärung, die wir erfahren haben, an diese Menschen weitergeben.

(Unruhe bei der CDU)

- Interessiert Sie die Antwort? Ich kann mich sonst auch wieder hinsetzen. Das ist überhaupt kein Problem.

Um es noch einmal zu sagen: Es geht doch genau um diese Frage, Frau Jahns. Wir sind aufgeklärter geworden, wir haben dazugelernt. Aber nicht alle Menschen, die zu uns kommen, kommen von dem gleichen Level.

(Zustimmung von Susanne Menge [GRÜNE])

Also ist es doch genau unsere Aufgabe, unsere Erfahrungen mit unseren Fehlern und unserer Aufklärung an diese Menschen weiterzugeben und dafür Sorge zu tragen, dass sich die Fehler nicht wiederholen und dass die hier aufwachsende Generation von Menschen mit Migrationshintergrund in diese Gesellschaft integriert wird. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - keine, die man per Einwanderungsstempel verordnen oder durch Polizeipräsenz erzwingen kann.

Wir müssen an allen Stellschrauben justieren, wo immer es geht. Das fängt idealerweise und am erfolgreichsten auf der örtlichen Ebene an, da, wo die Menschen zusammen leben, zusammen zur Schule gehen, Fußball spielen oder einer anderen Sportart nachgehen. Das sind die Momente, in denen Integration eine Erfolg versprechende Startchance bekommt. Alles andere muss sich danach anschließen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen zu Zusatzfragen liegen nicht vor. Wir sind damit Ende der Besprechung der Dringlichen An

frage zu c und generell am Ende der Besprechung der Anfragen unter Tagesordnungspunkt 12.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, der folgende Tagesordnungspunkt 13 wird Sie interessieren.

(Anhaltende Unruhe)

- Es ist immer noch unruhig. Vielleicht kann es ruhiger werden, weil Unruhe die Debatte stört!

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung: Beschleunigung der Asylverfahren durch die CDU-geführte Bundesregierung - Die Landesregierung muss im Bundesrat zustimmen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/4361

Die Einbringung macht der Kollege Thümler. Herr Kollege Thümler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Flüchtlings- und Asylpolitik ist das bestimmende Thema der Innenpolitik im Bund wie auch in Niedersachsen. Nun steht am Freitag ein umfangreiches Gesetzespaket zur Asylpolitik im Bundesrat zur Abstimmung. Damit sollen wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, um für die dringend notwendige Entlastung und eine Verbesserung der Abläufe zu sorgen.

(Beifall bei der CDU)

Wesentliche Zielsetzungen sind erstens die Beschleunigung von Asylverfahren, zweitens die Schaffung von schnell wirkenden Maßnahmen zur angemessenen Aufnahme und Unterbringung, drittens der schnellere Vollzug von Rückführungen bei vollziehbarer Ausreiseverpflichtung, viertens die Beseitigung von Fehlanreizen zwecks Vermeidung eines weiteren Anstiegs der Zahl ungerechtfertigter Asylanträge und fünftens die Verbesserung der Integration von Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive.

Das vorliegende Artikelgesetz sieht insbesondere folgende Änderungen vor:

Erstens. Im Asylverfahrensgesetz sollen künftig Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten eingestuft sein.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Die mögliche Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen soll von drei auf sechs Monate verlängert werden. Für Bewerber aus sicheren Herkunftsstaaten ist die Wohnverpflichtung in der Erstaufnahmeeinrichtung bis zum Abschluss des Verfahrens vorgesehen.

Zweitens. Im Asylbewerberleistungsgesetz ist vorgesehen, dass zukünftig vor allem in Erstaufnahmeeinrichtungen vornehmlich Sach- statt Geldleistungen ausgegeben werden. Zudem ist eine Kürzung der Leistungen für Asylsuchende vorgesehen, deren Antrag abgelehnt wurde und die trotz Ausreiseverpflichtung nicht ausgereist sind.

Drittens. Im Aufenthaltsgesetz sollen die Angebote für Sprach- und Integrationskurse ausgeweitet und verbessert werden. Zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität sollen der Strafrahmen angehoben und die Möglichkeit zur Beschlagnahme von Schleuserfahrzeugen geschaffen werden.

Viertens. Es ist beabsichtigt, die räumliche Unterbringung von Asylbewerbern durch zeitlich befristete Möglichkeiten der Standardabsenkung zu erleichtern.

Fünftens. In der Verwaltungsgerichtsordnung soll die Möglichkeit geschaffen werden, Verwaltungsjuristen vorübergehend als Verwaltungsrichter einzusetzen.

Sechstens. Durch eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes will sich der Bund strukturell, dauerhaft und dynamisch an den Kosten für Asylbewerber und Flüchtlinge beteiligen. Zudem soll eine Entlastung der Länder durch den Bund bei den Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei der Kinderbetreuung erfolgen.

Meine Damen und Herren, all diese Maßnahmen sind richtig und notwendig. Sie geben eine klare Handlungsempfehlung und schaffen auch den notwendigen Rahmen für die Kommunen, damit der Zustrom von Asylbewerbern künftig besser bewältigt werden kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir alle sind uns einig, dass die Asylverfahren schneller werden müssen. Dazu hat es aus kaum einer Partei andere Auffassungen gegeben. Wir werden das konsequenter als bisher machen müssen und dann auch die Rückführung abgelehnter Asylbewerber veranlassen.

Gerade hierbei hat Niedersachsen aus unserer Sicht eine Menge Nachholbedarf, wie die bundesweite Statistik belegt. Ferner nimmt Niedersachsen gegenwärtig weniger Flüchtlinge auf, als das Land nach seiner Größe gemäß dem Königsteiner Schlüssel eigentlich aufnehmen müsste. In einem Solidarsystem geht das nicht! Deswegen müssen wir unserer Verantwortung und Verpflichtung vollumfänglich gerecht werden.

Niedersachsen schiebt zudem deutlich weniger ab als andere Bundesländer. Ich will nicht in die Diskussionen über Quoten verfallen, die man hier und dort hört und wonach der eine 7 % erreicht, während der andere 3 % hat. Das ist nicht das Entscheidende; denn insgesamt müssen diejenigen, die zur Ausreise verpflichtet sind, rückgeführt werden. Das ist rechtsstaatliche Ordnung, und die muss man aufrechterhalten. Ihr muss man Geltung verschaffen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb zielt die Kritik der Europäischen Kommission an der zögerlichen Abschiebepraxis nicht zuletzt auch auf Niedersachsen. Herr Weil, diese Verweigerungshaltung Niedersachsens beim Vollzug der Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber werden Sie nicht lange durchhalten können. Ich bin mir sicher: Der Druck der Verhältnisse wird auch in Niedersachsen schon bald eine Änderung der Abschiebepraxis in Gänze erzwingen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der CDU: Wo ist der Ministerpräsident? Wo ist Weil?)

Ansonsten bliebe dem Bund im Übrigen nur, eine Durchsetzung im Wege der Bundesaufsicht und des Bundeszwangs durchzuführen. Ich sage Ihnen das voller Ernsthaftigkeit: Ich möchte es nicht erleben, dass wir uns im Bund unterschiedlich gesetzestreu zu Bundesgesetzen verhalten. Wir alle müssen in dieser schwierigen Frage an einem Strang und in eine Richtung ziehen. Sonst werden wir diese Herausforderung nicht lösen. Deswegen: Ändern Sie diese Abschiebepraxis, bevor Sie dazu gezwungen werden!

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Thümler, Herr Dürr möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. - Ja!

(Ministerpräsident Stephan Weil be- gibt sich zu seinem Platz an der Re- gierungsbank)