Protocol of the Session on October 14, 2015

Darüber hinaus wird in diversen Qualifizierungsmaßnahmen Hintergrundwissen zum türkischen und arabischen Kulturkreis vermittelt.

Des Weiteren ist die Polizei in Niedersachsen bestrebt, Konflikte von Beginn an zu entschärfen und deeskalierend einzugreifen, was souveränes Einschreiten und konsequente Sanktionierung von Fehlverhalten nicht ausschließt, sondern gleichsam ermöglicht bzw. zum Teil geradezu erfordert.

Dort, wo das polizeiliche Gegenüber jede Bereitschaft vermissen lässt, die freiheitliche demokratische Grundordnung anzuerkennen und sich geltendem Recht und Gesetz unterzuordnen, sind Maßnahmen zur Beachtung der bestehenden Werteordnung das einzig richtig und erforderliche Vorgehen. Hierbei darf rechtmäßiges polizeiliches Einschreiten - egal, ob durch eine Beamtin oder einen Beamten - nicht an falsch verstandenen Vorstellungen von Toleranz und Rücksichtnahme aller gesellschaftlichen Schichten Grenzen finden.

Zu der Frage der Beschwerdestelle: Die Landesregierung beabsichtigt nicht, diese Beschwerdestelle für Bürger auch in Angelegenheiten der Polizei abzuschaffen. Sie ist gerade eine Weile dabei zu arbeiten. Die Erkenntnisse sind interessant. Die werden weiter ausgewertet und evaluiert werden. Wir halten an der Beschwerdestelle fest, weil sie keine Misstrauensstelle ist, sondern lediglich versucht, dort Hilfe zu leisten, wo es Probleme gibt, und das auf eine ruhige und sehr sachliche Art und Weise.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Innenminister. - Die erste Wortmeldung kommt von der Kollegin Angelika Jahns. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister Pistorius, Sie haben eben auf einige Möglichkeiten von Schulungen, von Beratungen für Polizistinnen, Lehrerinnen und Ärztinnen hingewiesen. Ich frage Sie aber konkret: Welche Empfehlungen hat die Landesregierung für niedersächsische Polizistinnen, die bei Verkehrskontrollen in

eine Situation geraten, in der sich der Verkehrsteilnehmer weigert, sich von einer Polizistin die Pupillen kontrollieren zu lassen?

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Vielen Dank. - Herr Innenminister!

Es gilt das eben Gesagte: Wir schulen unsere Beamtinnen und Beamten darin, den Betreffenden in diesen Situationen durch Souveränität, Ruhe und Gelassenheit gewissermaßen abzuholen, ihm klarzumachen, dass er keine Alternative hat, und damit die polizeiliche Maßnahme am Ende auch zur Durchführung zu bringen. Dies gehört zum Alltag von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und ist von Kulturkreisen völlig unabhängig. Wir haben es auch mit anderen Menschen zu tun, die sich weigern, dieses oder jenes von der Polizei, einer Polizistin oder einem Polizisten mit Migrationshintergrund vornehmen zu lassen.

Von daher gilt für alle gleichermaßen: Die Schulung muss dazu führen, dass die Beamtinnen und Beamten, genauso wie sie es auch in der Vergangenheit getan haben, imstande sind und bleiben, dem bestimmt, souverän und auch mit auf Durchsetzung ausgerichtetem Verhalten Herr zu werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt die Kollegin Petra Joumaah. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Minister, Sie haben eben ausgeführt - dies haben wir mit Freude gehört -, dass wir von einer Steigerung der Zahl von Polizistinnen und Polizisten mit Migrationshintergrund ausgehen können. Ich betone noch einmal: Das ist sehr zu begrüßen.

Ich möchte von Ihnen aber wissen: Was empfehlen Sie den Polizistinnen, die, wie Frau Kambouri es geschildert hat, in Situationen kommen, dass sich Bürger weigern, mit Polizistinnen zu sprechen, obwohl sie selbst die Polizei gerufen haben?

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktualität - - -

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

- Herr Nacke, Sie wissen doch: Wir können immer über alles reden. Sie müssen sich einfach öffnen. Wir können über alles reden!

(Lachen und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bei jedem Polizeieinsatz die Situation, dass es gemischte Teams gibt. Es gibt nicht nur Teams, in denen Frauen sind. Egal, ob durch den jeweiligen Bürger gerufen oder nicht - es gibt keine Teams, in denen nur Frauen unterwegs sind. Das heißt, es wird immer eine Lösung geben, in dem Konflikt zu intervenieren und den Betreffenden darauf hinzuweisen, dass er nicht die Wahl hat, mit welchem Polizisten er am Ende spricht oder nicht.

Es gehört - wenn ich das an dieser Stelle einmal abseits meiner eigenen Zuständigkeit sagen darf - zu den großen Aufgaben, die wir in den nächsten 10, 20, 30 Jahren vor uns haben, dass wir gewissermaßen auch interkulturelle Übersetzer für Werte brauchen. Es ist nicht damit getan, ein Grundgesetz auszuhängen. Wir werden vielen Menschen auf unsere Art und Weise der Kommunikation in unserer Gesellschaft vermitteln müssen, dass man sich nicht aussuchen kann, welche Werte man akzeptiert und welche Werte man gerne für sich übernimmt oder von außen mitbringt.

Dazu gehört zwangsläufig auch - das wird im Einzelfall ein schwieriger Weg werden -: Der eine ist bockiger, als es vielleicht der andere ist. Es wird darauf ankommen, jeden am Ende davon zu überzeugen und ihm klarzumachen, dass es für ihn keine Alternative gibt als unsere Rechtsordnung. Dazu gehört die Gleichberechtigung. Dazu gehört die Gleichbehandlung. Dazu gehört, die Offenheit der Gesellschaft und die Anerkennung von Recht und Ordnung in diesem Land dann auch zu akzeptieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt die Kollegin Angelika Jahns. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die dramatische Situation in einigen Konflikten mit Polizistinnen, Ärztinnen und Lehrerinnen ist schon aufgezeigt worden. Ich frage jetzt die Landesregierung: Ist es hinnehmbar, dass unser Staat, unser Recht und unsere Gesetze insofern von muslimischen Betroffenen nicht akzeptiert werden und dass künftig - auch anhand statistischer Zahlen belegbar - immer mehr Mädchen nicht am Schwimm- und Sportunterricht teilnehmen dürfen?

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das betrifft doch nicht nur Muslime! Wir haben auch ganz viele Pfingstler! - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU]: Sie hat doch gar nicht von Muslimen gesprochen! - Wi- derspruch bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Jahns. - Herr Minister, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zweite Frage würde ich gerne an die Kultusministerin abgeben

(Björn Thümler [CDU]: Die ist aber nicht da!)

oder an jemand anders. Aber ich kann sie auch gerne mit übernehmen. - Das macht nichts. Das kriegen wir auch so hin.

(Björn Thümler [CDU]: Das habe ich mir gedacht! Sehr gut!)

Um es ganz deutlich zu sagen: Auf die Frage kann man nur mit einem schlichten Nein antworten. Es gibt bei uns keine zwei oder drei Rechtsordnungen, je nachdem, woher ein Mensch kommt, der bei uns lebt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Wir werden Sie beizeiten daran erinnern, Herr Minister!)

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt die Abgeordnete Petra Joumaah. Das ist dann die vierte Frage der CDU-Fraktion. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Als Frau Jahns eben die Dringliche Anfrage eingebracht hat, hat sie u. a. ausgeführt: „Dabei fängt die Respektlosigkeit bereits im Kindesalter an.“ Deshalb möchte ich doch die Frage stellen, welche Probleme es unter Umständen für Kinder aus stark muslimisch geprägten Häusern, die jetzt vielleicht verstärkt zu uns kommen, wegen der Erziehung, die sie bisher genossen haben, in Niedersachsens Schulen geben könnte.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird die gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, unser Schulsystem darauf einzustellen, dass gerade Kinder aus besonders stark muslimisch geprägten Familien jede Unterstützung und jede Hilfe bekommen, um über den Kindergarten, über die Schule den Zugang zu unserer Gesellschaft und zu unseren Werten zu kriegen. Denn das ist der einzige Schlüssel dazu, dass sie sich wirklich auf Dauer und erfolgreich integrieren können, ganz gleich, was im Elternhaus passiert. Der Weg führt über die Schule, über die Bildung, und er führt am Ende darüber, dass sie mit unseren Kindern und Enkeln oder wem auch immer spielen und das normale Leben zwischen Mädchen und Jungen, zwischen Christen, Juden und Muslimen in unseren Schulen, auf unseren Straßen, auf unseren Sportplätzen erleben. Das ist das gemeinsame Ziel. Da gibt es, glaube ich, in diesem Haus, keine zwei unterschiedlichen Auffassungen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Ich finde, Herr Minister, Sie sollten mehr Schulpolitik machen!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage stellt noch einmal die Kollegin Jahns. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, das betrifft das ganze politische Spektrum.

Ich will kurz eine Situation schildern, die mir neulich vorgetragen worden ist.

(Belit Onay [GRÜNE]: Sie sollen eine Frage stellen! - Zurufe von der SPD: Frage!)

Ich frage die Landesregierung, wie sie zu der folgenden Situation steht: Eine Familie mit muslimischem Hintergrund ist hier zugezogen. Die beiden Kinder gehen zusammen mit Nachbarkindern zur Schule. Der Junge ist sieben Jahre alt; das Nachbarmädchen, eine Deutsche, ist auch sieben Jahre alt. Der Junge hat sich den Mut genommen und wollte mit diesem Mädchen spielen. Er hat bei den Eltern nachgefragt. Der Vater hat es verboten und hat gesagt: „Mit einem deutschen Mädchen darfst du nicht spielen.“ Ich frage: Wie steht die Landesregierung zu dieser Situation?

(Mustafa Erkan [SPD]: Wie viele um- gekehrte Fälle gibt es denn? - Weitere Zurufe)

Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich über jede Frage, auch die von Frau Jahns in diesem Moment. Ich räume zwar ein, dass sie den Rahmen der Dringlichen Anfrage möglicherweise - das zu beurteilen steht mir jedoch nicht zu - etwas überschreitet. Aber sie hat natürlich recht: Das sind Fragen, die unsere gesamte Gesellschaft betreffen. Deswegen will ich gerne eine Einschätzung aus meiner persönlichen Perspektive geben.