Protocol of the Session on July 15, 2015

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Grunde sind wir uns ja einig.

(Jörg Bode [FDP]: Ach so?)

Wir alle wollen alles dafür tun, dass die jungen Menschen, die Familien, die Ausgebildeten, dass alle, die zu uns kommen, eine Perspektive bekommen. Sie müssen die Chance bekommen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das heißt: Rein aus dem Leistungsbezug, so schnell es geht, rein in die Ausbildung, so schnell es geht, und rein in den Arbeitsmarkt, so schnell es geht.

Und dann, lieber Herr Hillmer, steht ganz oben auf der Liste dessen, was getan werden muss, dass wir alle, auch die Flüchtlinge und die Geduldeten, in die Integrationskurse bekommen. Und das Einzige, was hilft, um alle Flüchtlinge in Sprachkurse zu bekommen, ist die Änderung der Integrationskursverordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Aber diese Erkenntnis, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, fehlt in Ihrem Antrag. Darauf haben wir Sie in mehreren Beratungen oft genug hingewiesen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Die weigern sich!)

Diesen einen kleinen, aber entscheidenden Schritt wollten Sie nicht gehen, und deshalb ist Ihr Antrag für uns nach wie vor nicht zustimmungsfähig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich wissen wir, dass jenseits der Integrations- und Sprachkurse noch viele Einzelmaßnahmen möglich und nötig sind. Ab einem bestimmten Punkt im weiteren Leben eines Flüchtlings geht die Flüchtlingspolitik über in die Politik für Migration und Teilhabe. Und am Ende ist es egal, ob es sich um den Sprössling eines amerikanischen Unternehmers handelt, um die junge Frau aus Argentinien, die sich für ein Jurastudium interessiert, oder um einen Flüchtling aus dem Sudan - sie alle haben das gleiche Bedürfnis nach Anerkennung, nach Ausbildung, nach Jobs.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb ist eine gute Politik für Migration und Teilhabe immer auch eine gute Flüchtlingspolitik. Und hier ist der Bund aufgrund seiner Zuständigkeiten nun einmal vielfach in der Pflicht. Das können Sie doch nicht einfach ausblenden.

Das Land tut längst das, was es in seiner Zuständigkeit tun kann. Ein Blick in den Haushalt des Sozialministeriums zeigt, dass das, was dort passiert, alles andere als „hohle Phrasen“ sind, wie

Sie es gerade gesagt haben, lieber Herr Kollege Hillmer. Dort lässt sich nämlich zusammenrechnen, dass die Landesregierung in jedem Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung stellt, von denen auch Flüchtlinge profitieren. Ich möchte Ihnen hierzu ein paar Beispiele nennen: 300 000 Euro für das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge, 590 000 Euro für das Netzwerk Integration durch Qualifizierung, 1,4 Millionen Euro für die Koordinierungsstellen Migration und Teilhabe, 600 000 Euro für die Flüchtlingssozialarbeit.

Lieber Herr Hillmer, das sind alles Sachen, die Sie streichen wollen, um das zu finanzieren, was Aufgabe des Bundes ist. Aber das geht so nicht!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb unterscheidet sich unser Antrag ganz klar von Ihrem. Wir haben herausgearbeitet, was Aufgabe des Bundes ist, der der Bund endlich nachkommen muss. Wir haben dargestellt, was der Bund tun kann und was wir tun können: beispielsweise die Studierfähigkeit von jungen Flüchtlingen zu unterstützen, indem man ihnen einen erleichterten Zugang zu Lehrveranstaltungen ermöglicht oder indem man ihnen die Aufnahme eines Studiums ermöglicht, oder das Ehrenamt im Bereich der Sprachförderung für Flüchtlinge zu unterstützen.

Was bleibt für mich als Fazit? - Wir haben zwei Anträge. Wir sind uns zwar in dem einig, was wir wollen, aber in der Einschätzung dessen, was zu tun ist und vor allem, wer was zu tun hat, liegen wir weit auseinander. Das wird in diesen beiden Anträgen sehr deutlich. Unser Antrag ist der weitaus bessere. Ihr Antrag ist zu schlicht und blendet die Realitäten komplett aus. Dem kann man nicht zustimmen. Unser Antrag dagegen trägt der Komplexität des Themas umfassend Rechnung. Deswegen bitte ich um Zustimmung für diesen Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Es gibt eine Kurzintervention des Kollegen Hillmer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr von Holtz, die Lösung ist ganz einfach. Sie können - das schließt unser Antrag überhaupt nicht aus - Ihre Landesregierung jeden Tag

auffordern, sich in Berlin dafür einzusetzen, dass der Bund Dinge bezahlt, die eigentlich Landesaufgabe sind. Das können Sie über eine Grundgesetzänderung, das können Sie auch über freiwillige Leistungen des Bundes erreichen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Für ei- nen Integrationskurs braucht man nicht das Grundgesetz zu ändern!)

Die Frage ist nur: Was machen wir bis dahin? - Unser Antrag sagt: Bis dahin engagieren wir uns als Land Niedersachsen, wie es die meisten anderen Bundesländer schon lange tun. Ihr Antrag sagt: Wir warten weiter ab, bis wir vielleicht einmal eines fernen Tages - oder aber auch nicht - etwas vom Bund bekommen. Das ist der Unterschied.

Die Frage lautet: Was machen wir bis dahin? - Wir sagen: Wir müssen handeln. Sie sagen: Weiter abwarten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr von Holtz antwortet Ihnen. Bitte!

Lieber Kollege Hillmer, ich verstehe Sie nicht. Es ist eigentlich ganz einfach: Der Bundesinnenminister öffnet die Integrationskursverordnung, und zwar für alle, für Flüchtlinge und Geduldete. Das geht ganz schnell.

(Jörg Hillmer [CDU]: Machen Sie es doch! Verstecken Sie sich nicht immer hinter dem Bund!)

Dann haben wir das Problem gelöst. Dann müssen wir uns hier nicht auseinandersetzen und ständig die Frage stellen, was wer bis dahin zu tun hat.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- cke [CDU]: Was ist denn das für eine Flüchtlingspolitik? Immer die anderen sollen es machen!)

Vielen Dank. - Jetzt hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Dr. Pantazis das Wort.

(Unruhe)

- Ich bitte Sie noch einmal alle um ihre Aufmerksamkeit! - Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits in der letzten Plenardebatte eingangs erwähnt, hat sich die rotgrüne Koalition darauf verständigt, sich im Sinne einer gelebten Willkommenskultur für ein weltoffenes Niedersachsen einzusetzen und dabei Vielfalt und Teilhabe zu stärken.

(Zurufe von der CDU)

- Ja, ich weiß. Wenn es um Willkommenskultur geht - weil eben noch einmal die Diskussion aufgekommen ist -, möchte ich Ihnen, Herr Kollege Hillmer eine Begrifflichkeit nennen: Salame. Ich glaube, das reicht. Dann weiß man ganz genau, was seinerzeit unter Willkommenskultur verstanden worden ist. - Mit herzlichen Grüßen von unserer ehemaligen Kollegin Jutta Rübke!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Mann, sind Sie schwach!)

Einen unverzichtbaren Bestandteil dieser Politik stellt selbstverständlich das Erlernen der deutschen Sprache dar. Denn ohne diese ist die Partizipation erschwert oder gar nicht möglich.

Im Sinne einer solchen teilhabeorientierten Migrationspolitik fordern wir in unserem hier nun zur abschließenden Beratung vorliegenden Entschließungsantrag die Landesregierung in einem zwölf Punkte umfassenden Forderungskatalog auf, sich für die sprachliche Teilhabe von Flüchtlingen und Geduldeten einzusetzen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang Folgendes unmissverständlich klarstellen: In Anbetracht der aktuell bestehenden großen Herausforderungen bei der Flüchtlingsaufnahme kann eine Politik des Willkommens nur gelingen, wenn wir diese auch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen. Das schließt neben den Kommunen und dem Land ausdrücklich auch den Bund als den originären Gesetzgeber mit ein. Daher umfasst unser hier vorliegender Entschließungsantrag in seinem Forderungskatalog auch sämtliche staatlichen Ebenen.

Bundespolitisch bestünde zweifelsohne - es ist vorhin schon gesagt worden - die wichtigste und auch effektivste Maßnahme in einer Öffnung der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angebotenen Integrationskurse, zu denen auch Sprachkurse gehören. Denn von Bundesseite aus

haben Flüchtlinge und Geduldete im Gegensatz z. B. zu Vertriebenen derzeit keinen rechtlichen Anspruch auf Integrations- und Sprachkurse. Da die Asylantragsberatung aktuell längere Zeit in Anspruch nimmt, hat dieser Umstand zur Folge, dass sie ohne die finanziellen Möglichkeiten von der Teilhabe ausgeschlossen sind.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Kollege! Wir müssen noch einmal unterbrechen, weil die Unruhe zu groß ist. Ihre Redezeit wird angehalten. - Bitte!

Ferner ist es schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass Migrantinnen und Migranten bestraft werden können, wenn sie an einem Integrationskurs nicht teilnehmen, während Asylsuchende und Geduldete ausgeschlossen bleiben. Wir sind daher der festen Überzeugung: Alle müssen teilhaben können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Landespolitisch fordern wir beispielsweise auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung sowohl eine Bestandsanalyse, in der geprüft werden soll, ob Nachsteuerungsbedarf bei den Förderschwerpunkten besteht - diese wird bereits durch das Wissenschaftsministerium durchgeführt -, als auch, die Öffnung der Universitäten für Flüchtlinge zu forcieren. Auch insoweit ist das Ministerium in Zusammenarbeit mit der Uni Hildesheim im Begriff, ein Programm zu initiieren.

(Jörg Hillmer [CDU]: Ohne Geld!)

Frau Ministerin Heinen-Kljajić, herzlichen Dank Ihnen und Ihrem Haus für die bereits angeschobenen Initiativen hierzu!