Protocol of the Session on July 14, 2015

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht. Unbestritten eine gute Sache ist die Einrichtung des Landespatientenbeauftragten hier in Niedersachsen. Das geschah im Übrigen auf unsere Anregung hin und wurde von Ihnen, von Rot-Grün, für Anfang des kommenden Jahres angekündigt.

Unbestritten ist es auch eine gute Sache, dass bereits an fast 20 von ca. 190 Krankenhäusern in Niedersachsen ehrenamtliche Patientenfürsprecher tätig sind. Eine von ihnen hat im Ausschuss anschaulich geschildert, wie ihre Arbeit aussieht. Sie hat aber auch deutlich ihre Kritik am damaligen

Gesetzentwurf von Rot-Grün geäußert. Das war nicht die einzige kritische Äußerung dazu.

Meine Damen und Herren, mit Ihrem in der Beratung erheblich an Umfang erweiterten Gesetzentwurf versuchen Sie, angesichts des Zeitdrucks in der Pflege und bei den Ärzten einen Ansprechpartner in den Krankenhäusern per Gesetz zu installieren. Gesucht wird jemand, der mit Kompetenz zur Vertrauensbildung zwischen Patient und medizinischer Einrichtung beiträgt. - So weit, so fast gut.

Meine Damen und Herren, ursprünglich sollte dieser Patientenfürsprecher bereits zum 1. Juli 2015 verpflichtend eingerichtet sein. Selbst die Ministerin hat dies als sehr ambitioniert bezeichnet. Mittlerweile ist dies durch die Änderung des Gesetzentwurfs zum 1. Januar 2016 verpflichtend für die Krankenhäuser.

Welche Aufgaben sollen laut Gesetz zusätzlich zu dieser Kommunikationshilfe zwischen Patient und Krankenhaus wahrgenommen werden? - Der Patientenfürsprecher soll nach Ihrem Gesetzentwurf auf Risiken und Fehlerquellen in der Versorgung hindeuten. Er hat auf die Beachtung von Patientenverfügungen hinzuwirken. Ein jährlicher Bericht soll an das Fachministerium entsandt werden. Die Dauer des Ehrenamtes beträgt fünf Jahre - wenn die Nachfolge geregelt ist. Wenn nicht, kann das bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dauern; dann kommt mancher sozusagen aus der Nummer nicht mehr heraus.

Meinen Sie tatsächlich, dass potenzielle Patientenfürsprecher Schlange stehen, um diese Aufgabe wahrzunehmen? - Meine Damen und Herren, Sie haben da eine sehr optimistische Sichtweise.

Wenn diese Stelle nicht besetzt werden kann, kann das Fachministerium einen Personalvorschlag unterbreiten. Das wird für manche Krankenhäuser schwer zu schlucken sein. Ich glaube aber, noch schwerer wird es sein, dass, wenn diese Person nicht akzeptiert wird, ein Zwangsgeld droht. Laut GBD kann es bei 5 Euro, aber auch bei 50 000 Euro liegen. Das ist schon eine erhebliche Summe für Krankenhäuser.

Meine Damen und Herren, warum eigentlich das alles, obwohl seit Februar 2013 das Patientenrechtegesetz besteht und die Krankenhäuser gesetzlich zu einem Beschwerdemanagement verpflichtet sind? - Zwar haben Sie von Rot-Grün in Ihrem Koalitionsvertrag die Bestellung von Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern in allen

Kliniken als einen von acht Punkten einer Novelle des Krankenhausgesetzes angekündigt. Aber nur für diesen einen Punkt haben Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich warte noch auf die große Novelle von Ihnen.

(Björn Thümler [CDU]: Da können wir lange warten!)

Meine Damen und Herren, angesichts der aktuellen und vehement geführten Diskussion zur Änderung der Krankenhausstrukturen in unserem Land ist Ihr Entwurf fast eine Operation am offenen Herzen - mit ungewissem Ausgang. Für die Krankenhäuser bzw. für die Patienten kann ich nur hoffen, dass die gesetzliche Vorgabe des Patientenfürsprechers nicht zum Kriterium Ihrer Qualitätsbewertung von Krankenhäusern wird. Dann könnten Krankenhäuser in Niedersachsen ungerechtfertigt in brenzlige Situationen kommen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, einer zwangsweise Einführung des Patientenfürsprechers stimmen wir nicht zu. Es widerspricht dem eigentlichen Sinn des Ehrenamtes.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie gesagt: Gut gemeint ist nicht zwangsläufig gut gemacht, auch wenn es als Gesetz daherkommt. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Schwarz. - Jetzt kommt Herr Schwarz von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Nicht verwandt und nicht verschwägert. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Ich betone ausdrücklich: Der vorliegende Gesetzentwurf steht für die Koalitionsfraktionen nicht im Zusammenhang mit den Krankenhausmassenmorden von Niels Högel. Keiner dieser Morde wäre durch das Vorhandensein von Patientenfürsprecherinnen bzw. -fürsprechern verhindert worden. Einen solchen Zusammenhang hat bisher lediglich einmal der Kollege Thümler in einer Pressemitteilung vom 12. Dezember 2014 hergestellt. Darin hat er die Landesregierung aufgefordert, im Sozialministerium dauerhaft eine Ombudsstelle zu schaffen.

Meine Damen und Herren, jetzt richten wir mit diesem Gesetz an jedem niedersächsischen Krankenhaus eine Anlaufstelle für Patienten und Angehörige ein, und ausgerechnet die CDU-Fraktion lehnt dieses Gesetz mit, wie ich finde, an den Haaren herbeigezogenen Argumenten und Scheinargumenten ab. Ehrlich gesagt, Frau Kollegin Schwarz, hat mich dieses Verhalten im Sozialausschuss einigermaßen fassungslos gemacht. Mal spielen Sie Fundamentalopposition, mal sind Sie orientierungslos. Angesichts der Vorlage Ihres Fraktionsvorsitzenden haben Sie bei diesem Thema, glaube ich, beides praktiziert.

Wir wollen mit diesem Gesetz an allen Krankenhäusern Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher einrichten, deren Aufgabe es ist, das Vertrauensverhältnis zwischen Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen einerseits und dem Krankenhaus sowie den dort Beschäftigten andererseits zu fördern, und wir wollen so zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung beitragen. Exakt so steht es übrigens auch im Gesetz.

Nach einer, wie ich finde, sehr substanziellen und umfassenden Anhörung am 26. Februar 2015 im Sozialausschuss hat Rot-Grün seinen ursprünglichen Gesetzentwurf tatsächlich noch einmal erheblich präzisiert und nachgebessert. Dabei stützen wir uns vor allem auf die Ausführungen und Erfahrungen des Patientenschutzbeauftragten aus Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen ist übrigens bisher das einzige Flächenland in Deutschland, das - seit nunmehr zwei Jahren - einen hauptamtlichen Beauftragten hat. Ansonsten gibt es nur noch Beauftragte auf Ehrenamtsbasis in Bayern und Berlin.

Wir stützen uns auch auf die Aussagen der Patientenfürsprecherin des Klinikums Oldenburg - eines von 15 niedersächsischen Krankenhäusern, die schon heute aus Qualitäts- und auch aus Marketinggesichtspunkten Fürsprecher haben. Insofern werden Sie viele Formulierungen, die von diesen beiden Institutionen vorgeschlagen wurden, heute als reinen Gesetzestext wiederfinden.

Aufgrund dieser Aussagen haben wir die Beschreibung der Aufgaben und Pflichten für die Sprecherinnen und Sprecher verdeutlicht. Dazu gehört auch, die Beachtung von Patientenverfügungen zu unterstützen - die Beispiele, die aus NRW vorgetragen wurden, waren einigermaßen schockierend -, und dazu gehören ferner auch die zügige und transparente Erledigung von Beschwerden und Anregungen durch das betroffene

Krankenhaus sowie die Unterrichtung des Fachministeriums bei Bekanntwerden erheblicher Mängel im Krankenhaus.

Wir haben die Voraussetzungen für die Gewährleistung des Datenschutzes mit aufgenommen. Auch hier hat Nordrhein-Westfalen deutlich gemacht, dass die Entbindung von der Schweigepflicht im Alltag dort reibungslos funktioniert.

Wir sehen darüber hinaus einen Jahresbericht an den Krankenhausträger und das Fachministerium durch die Beauftragten sowie die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für Patientenschutzbeauftragte durch das Sozialministerium vor.

Wir gehen davon aus, dass es zu einem regelmäßigen Gedankenaustausch zwischen den Fürsprecherinnen und Fürsprechern auf der einen Seite und dem vom Land noch zu installierenden Landespatientenbeauftragten auf der anderen Seite kommen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz regelt die Rechtsstellung sowie den Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Fürsprechern und deren Berufungsverfahren. Es stellt auch fest, dass Fürsprecherinnen und Fürsprecher ein Teil des aktuell durch den Bundesgesetzgeber vorgeschriebenen patientenorientierten Beschwerdemanagements sein sollen, um so bewusst Doppelstrukturen zu verhindern. Um die Wirkungsweise dieses Gesetzes zu überprüfen, legt die Landesregierung dem Parlament bis zum 30. September 2017 einen ersten Erfahrungsbericht vor.

Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich beim Sozialministerium für die sehr umfassende Erarbeitung der Ländervergleiche, und ich bedanke mich auch beim GBD für die Unterstützung, namentlich bei Herrn Oppenborn-Reccius für die juristische Begleitung der Koalitionsfraktionen. Beides hat uns in den Beratungen sehr geholfen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Schwarz, in der Tat haben wir den Termin der Berufung auf den 1. Januar 2016 verschoben, damit die Krankenhäuser, wie von dort gewünscht, ausreichend Zeit haben, die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen. Wie ich höre, sind einige schon ganz lebhaft dabei. Dann allerdings müssen alle niedersächsischen Krankenhäuser ehrenamtliche Fürsprecher berufen. - Freiwillig geht natürlich deutlich mehr.

Nun regt sich die CDU darüber auf, dass im Gesetz Sanktionen für den Fall enthalten sind, dass ein Krankenhausträger keinen Fürsprecher bzw. keine Fürsprecherin berufen hat, und zwar Sanktionen in einem gestuften Verfahren: von der Mahnung bis zur Ersatzvornahme.

Meine Damen und Herren, Rot-Grün meint es ernst mit den Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern, um den Patientenschutz wirklich zu gewährleisten. Wenn das nicht umgesetzt wird, muss man gegebenenfalls auch Möglichkeiten eröffnen, um sie einführen zu können. Alles andere sind nach meiner festen Auffassung Täuschungsmanöver, die überhaupt nicht zielführend sind. Insofern macht es keinen Sinn, an dieser Stelle Sand in die Augen zu streuen und zu sagen: „Bitte, bitte, führt doch etwas ein! Aber wenn nicht, dann ist es auch nicht so schlimm.“

Ich betone an dieser Stelle: In ein Krankenhaus, das sich einer Berufung verweigert und dazu gezwungen werden muss, würde ich persönlich jedenfalls nicht gehen, weil man sich dann die Frage stellen muss: Was steckt eigentlich dahinter, dass man an dieser Stelle Transparenz verhindert? - Insofern glaube ich auch nicht, dass die im Wettbewerb stehenden Krankenhäuser das anders sehen als wir und dass es tatsächlich zu Ersatzvornahmen kommen wird.

Ich will Sie, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der CDU, an die schriftlich vorliegende Stellungnahme des Staatssekretärs Karl-Josef Laumann im Rahmen der Anhörung erinnern, der auf vier Seiten diesen Gesetzentwurf im Großen und Ganzen über den grünen Klee lobt und darauf hinweist, dass es richtig ist und positiv hervorzuheben ist, dass die Regelungen im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich weitreichender sind, und der darauf hinweist, dass es richtig ist, dass dort auf fünf Jahre gewählt wird, und dass es unerlässlich ist, dass dieses Amt durch eine freie Berufung erfolgt usw. Ich könnte diese Reihe wunderbar fortsetzen.

Ich bedauere, dass die CDU nicht nur nicht einmal in der Lage war, an dieser Stelle den Vorschlägen ihres Bundesbeauftragten, der fachlich auch bei Ihnen eine entscheidende Rolle spielt, zu folgen, sondern dass Sie keinen einzigen konstruktiven Vorschlag vorgelegt haben und stattdessen hier nur mittels Frontalopposition diesen Antrag ablehnen.

Ich darf Sie daran erinnern: In der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün steht: „Bestellung von

Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern in allen Kliniken“. - Meine Damen und Herren, genau das lösen wir heute im Interesse von Patientinnen und Patienten, aber auch zum Schutz von Krankenhäusern und der dort engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Ich finde, das ist Verlässlichkeit. Schade, dass Sie nicht in der Lage sind, das mitzutragen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schwarz. - Jetzt hat sich Sylvia Bruns, FDP-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Bruns! Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich brauche nicht alles zu wiederholen, was schon gesagt worden ist, sondern würde gerne direkt auf die Dinge eingehen, die vorher besprochen worden sind.

Ich teile das Bild, das Thomas Schremmer so schön gezeichnet hat - das ist uns auch in der Anhörung im Ausschuss deutlich geworden -, wie es Menschen geht, die ins Krankenhaus gehen und deren Belange dort nicht wahrgenommen werden. Ich glaube, nirgendwo ist das Gefühl des Ausgeliefertseins größer. Diese Annahme hat sich bestätigt. Dieses Bild kann ich auch nachvollziehen.

Dennoch haben wir mit dem Gesetzentwurf unsere Probleme. Das hängt hauptsächlich damit zusammen, dass wir es, wie ich finde, bei der Freiwilligkeit belassen können. Es ist nicht genau geklärt, wie im SGB V das Beschwerdemanagement mit dem Patientenfürsprecher eingebunden wird. Jedenfalls ist mir das nicht klargeworden. Uwe Schwarz und Thomas Schremmer haben in ihren Reden gesagt, Krankenhäuser müssten ein Interesse daran haben, Patientenfürsprecher zu berufen, weil es für deren Qualität ausschlaggebend sei. Uwe Schwarz hat gesagt, dass er nicht in ein Krankenhaus gehen würde, das keinen Patientenfürsprecher einsetzt. Ich teile diese Ansicht. Aber das spricht doch dafür, dass man so etwas nicht per Zwang machen muss.

Die Krankenhäuser, die ich besucht habe, sind auf dem Weg und suchen sich Patientenfürsprecher - wegen der Qualität, die sie erhalten wollen, und aus vielen anderen Gründen, auch wegen des Bildes, mit dem sie in der Öffentlichkeit erscheinen.

Deswegen haben wir uns bei unserer Entscheidung von der Überlegung leiten lassen, dass wir keinen Zwang bei der Einsetzung von Patientenfürsprechern haben wollen. Wir hätten allerdings gerne Rahmenrichtlinien - vielleicht durch die Unterstützung des Ministeriums, an das sich die Krankenhäuser bei der Installation wenden müssten. Die Pflicht dazu aber lehnen wir generell ab. Deswegen können wir dem Gesetzentwurf leider nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Bruns. - Jetzt hat sich noch einmal Annette Schwarz, CDU-Fraktion, für die restliche Redezeit gemeldet. Vier Minuten!

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Werter Kollege Schwarz, ich möchte es hier wiederholen: Die Einrichtung des Landespatientenbeauftragten ist gut. Das war eine Anregung von uns. Sie ist von Ihnen prima umgesetzt worden. Wir hoffen, dass das dann auch zum Anfang nächsten Jahres vollzogen wird.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Ha, ha, ha, ha!)