Protocol of the Session on June 4, 2015

In § 17 des Gesetzes haben wir die Evaluierung bis zum 31. Dezember 2015 festgeschrieben, weil ein so umfangreiches gesetzliches Regelwerk nach Ablauf einer Frist grundsätzlich vernünftig nachgeprüft werden muss. Natürlich wird das auch gewissenhaft umgesetzt. Die Betonung liegt auf „gewissenhaft“. Keine Evaluierung mit diesem Anspruch ist ohne Daten und Zahlen machbar und denkbar. Wir wollen das Gesetz weiterentwickeln und nicht mit Schnellschüssen beschädigen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, das unterscheidet uns von Ihnen.

(Adrian Mohr [CDU]: Es kann ja gar nicht schlechter werden!)

Die öffentlichen Auftraggeber haben Verständnis für Abfragen. Denn ohne Daten kann kein Gesetz evaluiert werden. Ich habe es gerade gesagt.

Im Antrag hat die CDU bereits in der Überschrift formuliert, es gehe ihr darum, sinnvoll zu evaluieren. - Ja, bitte schön! Dann machen Sie doch einfach das mit, was wir ohnehin vorgesehen haben, anstatt sofort zu einer Blutgrätsche anzusetzen, noch bevor die Datenlage überhaupt zusammengetragen und geprüft worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir können Ihre Aufgeregtheit in Bezug auf den Umfang der Befragung überhaupt nicht nachvollziehen. Auch der angegebene zeitliche Aufwand von eineinhalb Stunden je Vergabefall erscheint mir völlig überzogen, weil sich die Tätigkeiten sehr schnell einprägen und dann routinemäßig deutlich schneller abgearbeitet werden.

(Karl-Heinz Bley [CDU]: Die Häuser sagen etwas anderes!)

Sie haben einen bürokratischen Aufwand beschrieben und den Nutzen des Gesetzes infrage gestellt. Wir beurteilen das ganz anders. Denn wir wissen, was Arbeitnehmern und Unternehmen angetan wurde, als es unter Ihrer Regierung keinen fairen Wettbewerb gab und Lohndumping an der Tagesordnung war. Wir wissen, Herr Bley, wie

sehr die Handwerksbetriebe und Unternehmen gelitten haben. Wir haben noch im Ohr, welche enorme Aufarbeitung bei den Hauptzollämtern nötig war, um die festgestellten Vergehen gerichtsfest zu machen. Auf exakt diese Bürokratie können wir jedenfalls gut verzichten.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen die Vergaben sauber prüfen. Wir sind hier nicht bei „Wünsch Dir was“,

(Jörg Bode [FDP]: Nein, wir sind im Landtag!)

sondern bei „So ist es“. Hier geht es um Fakten und nicht um gefühlte Einschätzungen, Herr Bode, wie die CDU in ihrem Antrag formuliert hat. Die FDP will ja überhaupt nichts mehr mitmachen.

(Jörg Bode [FDP]: Wir haben einen ganzen Gesetzentwurf eingereicht!)

Stichwort „Fakten“. Wir begrüßen das Bundesmindestlohngesetz, mit dessen Inkrafttreten der Mindestlohn bundesweit einheitlich in Höhe von 8,50 Euro festgesetzt worden ist. Das gilt auch zukünftig für alle Vergaben. Denn damit ist immer auch die Gesetzestreue als vergaberechtliches Gebot verbunden.

Wir können unser Landesvergabegesetz deshalb in § 4 Abs. 1 und 2 sowie in § 5 Abs. 1 ohne Probleme anpassen bzw. diese Bestimmungen gänzlich streichen. Die Auftragnehmer müssen ohnehin weiterhin mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass die bundesweit einzuhaltenden Mindestentgelte und Tarifverträge durch sie selbst und durch die eingesetzten Nachunternehmen - das ist ganz wichtig - eingehalten werden.

Meine Damen und Herren, eine weitere Anpassung ist durch das Urteil des EuGH vom 18. September 2014 erforderlich. Es betrifft Vergaben an Unternehmen, die ausschließlich im Ausland tätig sind. Der EuGH hat nämlich festgestellt, dass die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes mit der Dienstleistungsfreiheit an der Stelle kollidiert.

(Jörg Bode [FDP]: Das haben wir Ihnen vorher gesagt!)

Darum müssen wir auch im niedersächsischen Vergabegesetz die räumliche Einschränkung europarechtskonform formulieren. Ob diese Änderungen, losgelöst von der Evaluation des Gesetzes, vorgezogen und umgesetzt werden können, müssen uns die Rechtsexperten sagen. Die kön

nen das prüfen. Wir sind jedenfalls bereit, diese Anpassungen umzusetzen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir sind flexibel und beweglich, wenn es die Lage erfordert. Wir werden unser Landesvergabegesetz weiterhin an den Zielen eines fairen Wettbewerbs ausrichten und die umwelt- und sozialverträglichen Möglichkeiten dort fortentwickeln, wo dies geht.

Wir müssen jedoch Ihrem Antrag die Zustimmung verweigern; denn darin ist überhaupt kein kluger Ansatz erkennbar. Eine Wolkenkuckucksheimpolitik machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD - Adrian Mohr [CDU]: Die macht ihr doch selber!)

Vielen Dank, Herr Kollege Schminke. - Mir liegt jetzt eine Wortmeldung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Das Wort hat die Abgeordnete Maaret Westphely.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe schon geahnt, dass Sie versuchen, mit dem Antrag eine Debatte zum Gesetz insgesamt aufzumachen. Aber es tut mir leid: Das gibt der Antrag nicht her. Mich hat auch etwas verwundert, dass Sie zum Antrag selber gar nichts gesagt haben. Ich frage mich, ob Sie ihn eigentlich gar nicht mehr ernst nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich will erst einmal etwas zu Gemeinsamkeiten sagen. Bei einer so umfassenden Gesetzesänderung wie der von uns hier vollzogenen ist eine Evaluierung ein richtiger Schritt. Der Zweck der Evaluation ist es, zu erfahren, ob und wie öffentliche Auftraggeber ihre Rechte und Pflichten aus dem Gesetz wahrnehmen und wie sie ihr Ermessen ausüben. Das betrifft Tariftreue oder Mindestlohn, Art und Umfang der angewandten strategischen Vergabekriterien, Förderung der Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen und die Festlegung hinsichtlich durchgeführter Kontrollen und Sanktionen.

Das alles sind elementare Bestandteile eines fairen und auf die Zukunft ausgerichteten Wettbewerbs, der eigentlich gemeinsames Ziel ist. So und nicht anders ist es auch in dem Bericht zu dem Gesetzesbeschluss von damals dokumentiert. Genau auf diese und keine weiteren Punkte bezie

hen sich die Fragen der jetzt stattfindenden Evaluation.

Die Vorschrift in § 17 für die Evaluation hatten wir damals in der Ausschussberatung zum Gesetz im Wirtschaftsausschuss einstimmig dem Landtag empfohlen. Jetzt, wo das Gesetz in Kraft ist, sollten wir doch ein ernsthaftes Interesse daran haben, zu erfahren, wie diese Punkte zielführend und praktikabel durch die öffentliche Hand umgesetzt werden können und wie sich dabei beschlossene Modalitäten auf die Teilnahme von potenziellen Auftraggebern an öffentlichen Ausschreibungen ausgewirkt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

An dieser Stelle beginnen sich unsere Wege zu trennen. Denn nun ist die Frage: Wie kommt man eigentlich zu diesen Erkenntnissen? Reichen dafür tatsächlich Interviews über gefühlten Erfolg oder Misserfolg bei der Umsetzung aus? Oder brauchen wir nicht vielmehr belastbare und repräsentative Daten, aus denen wir mehr als einen subjektiven, punktuellen Erkenntnisgewinn erzielen können?

(Zustimmung von Gerald Heere [GRÜNE])

Ich bin eindeutig dafür, dass wir uns bei einer Evaluation für valide Ergebnisse einsetzen sollten, die eine belastbare und seriöse Grundlage für vernünftige Antworten und die Weiterentwicklung des Gesetzes ergeben.

Aber für valide Ergebnisse ist eine Datenerhebung unerlässlich. Wir stellen fest: Wir wollen eine Evaluation. Das habe ich gerade gesagt. Wir alle sollten an vernünftigen Ergebnissen interessiert sein, oder Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, etwa nicht? Wenn Sie mit mir darin einer Meinung sind, was ich aus der einstimmigen Ausschussempfehlung eigentlich schließe, dann kann ich Ihre Kritik beim besten Willen nicht verstehen und weiß ich nicht, warum Sie jetzt davon abweichen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegt jetzt nur noch die Wortmeldung der Landesregierung vor. Das Wort hat der Wirtschafts- und Verkehrsminister Herr Lies. - Wenn ich eine andere Wortmeldung hätte, hätte ich sie aufgerufen, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will gleich vorweg sagen: Das Tariftreue- und Vergabegesetz der rot-grünen Landesregierung ist ein absolut richtiger und absolut konsequenter Schritt gewesen, um das wirklich inhaltslose Vorgängergesetz zu überarbeiten und auf vernünftige Beine zu stellen. Das war dringend notwendig. Ich bin sehr froh, dass wir es hier gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben doch ein gemeinsames Ziel - das, glaube ich, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren -: Uns geht es um die Stärkung von Mittelstand und Handwerk, und zwar von regionalen Unternehmen. - Das ist eine der wesentlichen Zielsetzungen.

Ich will einmal daran erinnern, dass das in Kraft getretene Gesetz zwei große Zielsetzungen verfolgt:

Die eine ist ein fairer Wettbewerb um öffentliche Aufträge. In Diskussionen haben viele Handwerksbetrieben, viele mittelständische Betrieben immer wieder genau das begrüßt und genau darin einen Mangel des Vorgängergesetzes ausgemacht.

Die andere Zielsetzung, die uns ebenso gemeinsam am Herzen liegen sollte und die uns, glaube ich, auch tatsächlich gemeinsam am Herzen liegt, ist eine umwelt- und sozialverträgliche Beschaffung durch die öffentliche Hand. Dazu gehört natürlich auch das Thema Tariftreue, also Bezahlung nach tariflichen Grundlagen. Auch das ist, glaube ich, unumstritten.

Es gibt also eine ganze Menge Punkte, in denen wir uns doch einig sind.

Ich will nur ganz kurz an den Ordner erinnern, sehr geehrter Herr Abgeordneter Bley, den Sie mir übergeben haben. Den habe ich nicht weitergegeben als Inhalt und Bewertung mit einer Beschwerde, sondern mit einer Klarstellung. Tatsache ist natürlich - aber das ist völlig in Ordnung -: Der gefüllte Ordner, den Sie uns übergeben war, reduzierte sich am Ende durch die Wegnahme der Mehrfachausführungen und der Hinweisblätter auf eine überschaubare Zahl von Seiten, die dann noch zu bearbeiten waren.

(Jörg Bode [FDP]: Wie viele waren es denn?)

Mindestens das gehört dann auch zur Ehrlichkeit dazu. Es war das eigentliche Ansinnen, genau dieses Ergebnis Ihnen mitzuteilen, aber öffentlichkeitswirksam auch denen, die wir nicht abschrecken, sondern mitnehmen und informieren wollen.

Meine Damen und Herren, der Auftrag des Gesetzgebers war aber auch, zu prüfen: Ist das, was wir auf den Weg gebracht haben, die optimale Form, oder muss es Veränderungen geben?

Wenn man Veränderungen überlegen will, dann braucht man einen Evaluierungsprozess. Genau diesen Evaluierungsprozess führen wir durch, in zwei Stufen, die aufeinander aufbauen.

In der ersten Stufe der Datenerhebung, die am 1. Juli letzten Jahres begonnen hat und noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres läuft, werden die niedersächsischen öffentlichen Auftraggeber gebeten, uns Daten zu Vergabeverfahren zu liefern. Das ist ein kluger Weg, der gut funktioniert. Ich bin mir sicher, dass das nicht zu viele Daten sind.