(Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Was wollen Sie denn konkret? Stellen Sie doch mal Ihre Vorschläge vor! - Weitere Zurufe - Unruhe)
Herr Angermann, eine Sekunde! - Dass das ein emotionales Thema ist oder dazu werden kann, ist nachvollziehbar. Aber ich bitte Sie, dem Redner zuzuhören. Wenn die Zwischenrufe sachgemäß und gut sind, dann ist es in Ordnung. Aber wenn sie so provokativ sind, wie sie jetzt von allen Seiten
Sie wollen den Wolf entfremden. Das heißt, er soll sich von den Menschen lösen. Sie bringen ihn in eine Auffangstation. Aber der Wolf lernt doch gerade in der Auffangstation, dass es bei den Menschen ordentlich was zu fressen gibt. Das ist doch die Realität. Da kann er doch nicht entfremdet werden. Wie will man ihn denn nachher hinausbringen? - Der ist doch in kurzer Zeit wieder bei den Menschen, weil er weiß, dort gibt es etwas zu fressen. Das ist vollkommen ungeeignet.
Genauso ist es mit der Betäubung des Wolfes. Wie will man das denn erreichen? - Großes Gehegewild kann man nur betäuben, wenn der Schütze bis auf 30 m heran ist. Man muss den Betäubungspfeil nämlich auf die Muskelpartien - auf den Hals, auf die Schulter oder auf die Keule - setzen. Also muss man dicht genug heran. An den Wolf, der kleiner ist, muss man noch dichter ran, und er muss nach Möglichkeit stehen, damit man ihn auch treffen kann. Wie soll das geschehen?
Wie soll dann der beauftragte Schütze zur gleichen Zeit am Wolf sein? - Der Wolf wird gesichtet, und dann muss der Schütze erst her. Will man den Wolf so lange festhalten oder verfolgen? - Dann läuft er noch weiter weg. Vollkommen realitätsfern!
Genauso ist es mit den Gummikugeln. Ein Schütze muss auf 30 m ran, um einen Erfolg erzielen zu können. Wie will man das erreichen? - Gummikugeln sind außerdem Streugeschosse. Wer garantiert denn, dass eine Gummikugel nicht in die Augen gerät? - Der Wolf ist verletzt, er wird noch aggressiver.
Sie straucheln von einer Herausforderung zur anderen, ohne annährend den Eindruck zu vermitteln, dass Sie Herr der Lage sind.
Die Akzeptanz des Wolfes wird schwinden, und Sie werden dafür verantwortlich sein. Hier und heute muss ein deutliches Signal aus dem Landtag kommen. Die Sicherheit der Menschen muss oberste Priorität haben. Verhaltensauffällige Wölfe sind der Natur umgehend zu entnehmen!
Dazu bedarf es klarer Regelungen dahin gehend, was ein artfremdes Verhalten ist. Dies festzulegen, ist Ihre Aufgabe. Sie müssen auch festlegen, wie man auf dieses artfremde Verhalten reagieren will. Das ist Ihre Bringschuld. Danach kann man weiter vorgehen.
Dabei muss die Sicherheit des Menschen immer im Vordergrund stehen. Ein Wolf, der eine Gefahr für den Menschen darstellt und bei dem eine Lebendentnahme nicht umsetzbar ist, muss getötet werden. Ganz klar!
Auch rechtlich, Frau Staudte, ist das möglich: Das Bundesamt für Naturschutz hat in seinem Skript „Leben mit den Wölfen“ ausgeführt:
„Die Entnahme einzelner Wölfe kann jedoch auch in streng geschützten Populationen eine notwendige Managementoption sein; selbst dann, wenn diese Populationen noch klein sind.“
Auch das Bundesnaturschutzgesetz lässt Ausnahmen zu: zur Abwendung erheblicher land-, forst- und sonstiger Schäden, im Interesse der
Gesundheit der Menschen und der öffentlichen Sicherheit. - Damit ist klar ausgeführt, dass die Möglichkeit eines Abschusses in begründeten Fällen besteht.
Jetzt ist es an Ihnen, zu erklären, wie Sie die Sicherheit der Menschen nachhaltig gewährleisten wollen; besonders im Wissen um die Zunahme der Populationen. Sie tragen die politische Verantwortung für zukünftige Entwicklungen und Ereignisse, die auf eine ungenügende Sicherheitsvorsorge für die Bevölkerung zurückzuführen sind. Nehmen Sie die Sorgen der Menschen ernst!
Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie endlich das Heft des Handelns in die Hand! Binden Sie Experten ein. Entwickeln Sie endlich Handlungsstrategien, die nachhaltig, vorausschauend und der zu erwartenden Populationsentwicklung gerecht werden! Wir fordern Sie auf, in Zukunft endlich vorausschauend zu agieren. Das fordern wir von Ihnen ein, Herr Minister Wenzel.
Vielen Dank, Herr Angermann. - Jetzt hat sich Luzia Moldenhauer, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Angermann, ich hatte es schon in meiner letzten Rede gesagt: Wir nehmen die Sorgen ernst. - Wir müssen das eben noch einmal betonen.
Das ist ein Zitat, mit dem der Förster und Wolfsberater Peter Pabel in der Landeszeitung vom 10. März zitiert wird. Mir persönlich gefällt diese Äußerung, weil sie meiner Interpretation nach - ohne die Situation zu kennen, in der sie gemacht wurde - Emotionen und sachliche Feststellung in einem ausdrückt. Nun mag dem einen oder der anderen hier im Haus schon der erste Teil des Satzes zu weit gehen: Ich lebe gern neben dem Wolf. - Dies würden einige hier sicherlich nicht als Bekenntnis über die Lippen bringen.
Das muss aber auch nicht sein; denn jeder und jede darf für sich selbst entscheiden, was wir gern oder nicht so gern tun. Fakt ist allerdings, dass die Situation inzwischen so ist, dass wir neben dem Wolf leben. Oder vielleicht besser: Der Wolf lebt neben uns. Mit diesem Nebeneinanderleben sind auch die bekannten und als problematisch beschriebenen Situationen entstanden.
Zu dem Thema - vielleicht auch ein bisschen zur Beruhigung - möchte ich einige Zeilen aus dem Skripten 201 des Bundesamtes für Naturschutz zitieren, das mit „Fachkonzept für ein Wolfsmanagement in Deutschland“ betitelt ist und aus dem Jahr 2007 stammt. Hier heißt es:
„Wir Menschen neigen dazu, Dinge, die unseren eigenen Interessen zuwiderlaufen, als Problem zu bezeichnen. Diese Sichtweise übertragen wir auch auf unsere Umwelt. Hirsche, die in nicht für sie angelegte Felder eindringen, werden zu einem landwirtschaftlichen Problem. Kassel hat ein Waschbärenproblem, Berlin ein Wildschweinproblem, und Bayern hatte einen Problembären. Alle diese Tiere waren und sind nicht verhaltensgestört. Sie verhielten oder verhalten sich auch nicht ‚artuntypisch‘, sondern ihrem Naturell entsprechend opportunistisch, innerhalb ihres breiten Verhaltensspektrums normal.“
In den folgenden Ausführungen wird dann die unterschiedliche Bewertung solchen Verhaltens erläutert. Auch hier werden verschiedene Positionen und Herangehensweisen an das Thema verdeutlicht. Während nachts in Komposthaufen stöbernde Rehe oder Füchse zum Alltag gehören, wird festgestellt - ich zitiere -, dass „ein Wolf, der dasselbe Verhalten zeigt, … überspitzt ausgedrückt, in Rumänien als normal, in Deutschland als auffällig, in Amerika als Problemwolf“ gilt.
Warum habe ich diese Passage herausgehoben? - Weil sie meiner Ansicht nach zeigt, welche unterschiedlichen Aussagen es darüber gibt, wann ein Wolf ein auffälliges Verhalten zeigt und wann dies, wie gerade zitiert, seinem Naturell entsprechend opportunistisch, aber innerhalb des Verhaltensspektrums normal ist.
Jetzt komme ich zum Antrag der CDU: Wir werden uns im Ausschuss sicherlich ausführlich mit der Frage beschäftigen, was die Bezeichnung „auffälli
In der Begründung zu Ihrem Antrag führen Sie selbst eine Pressemitteilung des NABU an und zitieren eine Stelle, in der das Verhalten des Wolfes aus dem Landkreis Oldenburg „wenig Scheu vor dem Menschen“ als kein natürliches Verhalten bezeichnet wird.
Die Äußerungen von Dr. Holger Buschmann, dem NABU-Landesvorsitzenden in Niedersachsen, legen die möglichen Gründe eines solchen Verhaltens von Wölfen dar. Insbesondere werden sie als grundlegend für das Verhalten des Wolfs im Landkreis Oldenburg angesehen.
Die Fragen, die sich dann in diesem Zusammenhang stellen, sind die nach den Festlegungen, ob ein Verhalten eines Wolfes auffällig ist oder ob es sich um kein natürliches Verhalten handelt, und die danach, welche Folgerungen diese Definitionen nach sich ziehen. Wann ist das Verhalten eines Wolfs auffällig und stellt eine Gefahr für den Menschen dar, und welche Konsequenzen müssen daraus gezogen werden? Das sind Fragen, die wir im Ausschuss klären müssen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, natürlich steht die Sicherheit des Menschen an erster Stelle. Das hat nicht nur Umweltminister Wenzel mit den in Ihrem Antrag zitierten Äußerungen deutlich gemacht, sondern diese Aussage findet sich ebenfalls in der Broschüre „Der Wolf in Niedersachsen - Grundsätze und Maßnahmen im Umgang mit dem Wolf“ aus dem Jahr 2010. Dort lesen wir auf Seite 9 unter Punkt 5.2: „Ziele und Grundsätze im Umgang mit dem Wolf.“ Dass die Aufzählung mit einem Willkommensgruß an den Wolf seitens unseres Landes beginnt - ich zitiere: „Das Land Niedersachsen begrüßt die natürliche Rückkehr des Wolfes als heimische Wildtierart.“ -, sei nur am Rande erwähnt.