Protocol of the Session on February 19, 2015

Gemeinsam mit den Schriftführern wünsche ich Ihnen einen guten Morgen!

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Meine Damen und Herren, ich darf in Abstimmung mit den Schriftführern bereits jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Tagesordnungspunkt 13: Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 14, Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort mit der Ausnahme, dass der gestern nicht mehr aufgerufene Tagesordnungspunkt 12 heute nach Tagesordnungspunkt 24 behandelt wird.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.40 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Rakow mit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Finanzminister Peter-Jürgen Schneider bis ca. 16 Uhr, von der Fraktion der CDU Frau Karin Bertholdes-Sandrock und Herr Johann-Heinrich Ahlers, von der Fraktion der SPD Herr Gerd Ludwig Will und von der Fraktion der FDP Frau Almuth von Below-Neufeldt und Frau Gabriela König.

Vielen Dank, Frau Rakow. - Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 14: Dringliche Anfragen

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als all

gemein bekannt voraus. Ich weise, wie immer, besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um uns im Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, sich schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen wollen.

Wir kommen zur ersten Dringlichen Anfrage

a) Explosion in Ritterhude und die „übliche Praxis“ der Verwaltung: Welche Rolle spielt das Handeln bzw. Nichthandeln des Landkreises in Bezug auf Baurecht und Bauleitplanung? - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/2931

Die Anfrage wird vom Abgeordneten Herrn Bode vorgetragen. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am 9. September 2014 ereignete sich eine Explosion auf dem Gelände der Chemiefabrik Organo-Fluid GmbH Dr. Wolfgang Koczott in Ritterhude, bei der ein Mitarbeiter tödlich verletzt wurde und große Teile der Fabrik und angrenzende Privatgebäude zerstört wurden. Die Explosionsursache ist noch nicht bekannt, und die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.

Nachdem zunächst die Tätigkeit des Gewerbeaufsichtsamts überprüft worden ist und Minister Wenzel hierüber den Umweltausschuss ausführlich informiert hat, haben sich nunmehr Fragen zum Agieren des Landkreises Osterholz in Bezug auf Baurecht, Bauleitplanung, Brandschutz und die ihm obliegende Überwachung ergeben. Diese konnten von der Landesregierung bisher nicht vollständig beantwortet werden.

Ungeklärt ist bisher, welche Brandschutzanforderungen durch den Landkreis an das Unternehmen gestellt worden sind. So lassen es die baulichen Gegebenheiten als sehr unwahrscheinlich erachten, dass jeder Bereich des Betriebsgeländes für die Feuerwehr erreichbar gewesen ist. Ob hier seitens des Landkreises Warnungen der Feuerwehr beachtet worden sind oder es andere Brandschutzmaßnahmen gegeben hat, ist derzeit offen.

Inzwischen konnte festgestellt werden, dass die genehmigten Tanklager nur einen kleinen Teil der am 9. September 2014 tatsächlich vorhandenen Flüssigkeiten fassen konnten. Es ist daher davon

auszugehen, dass weitere Tanklager eingerichtet worden sind, die nicht genehmigt waren. Offen ist allerdings, warum der Landkreis diese Diskrepanz bei den Vorortterminen zur Bauüberwachung nicht bemerkt hat.

Ebenfalls ist derzeit ungeklärt, warum Einwendungen gegen den Bebauungsplan „Dicker Ort 2“ vom Gewerbeaufsichtsamt 2008 wegen eines zu geringen Abstandes zum Industriebetrieb unberücksichtigt geblieben sind. In diesem Baugebiet hat es ebenfalls Schäden durch die Explosion gegeben, sodass die Stellungnahme der Gewerbeaufsicht berechtigt war.

Außerdem hat der Landkreis trotz dieser Hinweise offenbar keine Maßnahmen ergriffen, um die noch näher befindliche Wohnbebauung und den Industriebetrieb räumlich zu trennen. Vielmehr wurde trotz der Einwände der Anwohner durch eine weitere Baugenehmigung im Jahr 2010 die Grundlage für eine weitere Betriebserweiterung gelegt. Ob hierbei dann entstehende Entschädigungsleistungen ursächlich waren und in der Abwägung als wichtiger eingeschätzt worden sind als die Sicherheitsanmerkungen des Gewerbeaufsichtsamtes, konnte die Landesregierung bisher ebenfalls nicht darlegen.

Ein Verfahren gegen den Firmenchef wegen unzulässiger Weihnachtspräsente wurde gegen eine Geldauflage von 7 500 Euro im Jahr 2008 eingestellt. Inzwischen ist bekannt, dass auch der heutige Chef der Staatskanzlei und frühere Landrat und Baudezernent, Dr. Jörg Mielke, auf der Präsenteliste des Unternehmers stand. Laut dieser Aufzeichnungen soll es sich um Champagner und Cognac gehandelt haben. Dr. Mielke hat hierzu öffentlich erklärt: „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.“

(Lachen bei der FDP und bei der CDU)

Weiterhin bewertet er einen solchen Vorgang als „die übliche Praxis“.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche behördlichen Entscheidungen, Aktivitäten und Überwachungen des Landkreises Osterholz und der Gemeinde Ritterhude hat es insbesondere zum Tanklager gegeben?

2. Welche Anforderungen an die Betriebssicherheit der Anlage, bestehend aus Destillationsbetrieb, Feuerungsanlage und Tanklager, sind behördli

cherseits getroffen worden, und wie ist deren Einhaltung überwacht worden?

3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, damit der Chef der Staatskanzlei bei Vorgängen zu diesem Bereich als ehemaliger Verfahrensbeteiligter und Verantwortlicher insbesondere für Baugenehmigung und Überwachung nicht beteiligt wird, bzw. warum hält sie dies für nicht erforderlich?

Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die Landesregierung möchte Frau Ministerin Rundt antworten. Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags! Anknüpfend an die Unterrichtung im Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz am 2. Februar 2015 und im Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration am 12. Februar 2015 beantworte ich die Fragen zu dem schweren Unfall auf dem Gelände der Firma Organo-Fluid in Ritterhude.

Diese Dringliche Anfrage weist in den Fragen 1 und 2 weitgehende Überschneidungen mit der Mündlichen Anfrage Nr. 47 auf. Meine heutige Antwort sowie die noch ausstehende Beantwortung der Mündlichen Anfragen Nrn. 47 und 48 sowie der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Bäumer zeigen die umfangreichen Bemühungen der Landesregierung, den Vorfall in Ritterhude umfassend aufzuklären.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es zeigt sich aber auch, dass derzeit diese Bemühungen der Landesregierung Grenzen haben:

Erstens. Die Akten des zuständigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Cuxhaven sind von der Staatsanwaltschaft Verden beschlagnahmt worden.

Zweitens. Die Akten des Landkreises Osterholz wurden im Oktober 2014 der Polizei übergeben. Der Landkreis verfügt nur über Retenten in schwarz-weiß. Zudem hat der Landkreis nicht den gesamten Aktenbestand kopiert.

Drittens. Die Staatsanwaltschaft führt Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen zwei Angehörige der Organo-Fluid GmbH sowie gegen eine Angehörige bzw. einen Angehörigen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Cuxhaven.

Viertens. Vor allem ist die Ursache der Explosion bis heute nicht abgeklärt.

Deshalb betreibt die Landesregierung weiterhin eine intensive Aufklärungsarbeit. In diesem Zusammenhang bemüht sie sich um die Übersendung der Akten der Staatsanwaltschaft Verden und der Polizei.

Zu den behördlichen Zuständigkeiten Folgendes:

Erstens. Dem Landkreis Osterholz obliegt die Zuständigkeit als untere Bauaufsichtsbehörde. Er unterliegt der Fachaufsicht durch das Sozialministerium als oberste Bauaufsichtsbehörde. Bis Ende 2004 bestand eine weitere Ebene der Fachaufsicht bei der Bezirksregierung Lüneburg als obere Bauaufsichtsbehörde.

Zweitens. Dem Landkreis obliegt darüber hinaus als allgemeine Überwachungsaufgabe die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des öffentlichen Baurechts, insbesondere des Bauordnungsrechts und des Bauplanungsrechts.

Drittens. Der Landkreis Osterholz war bis zum 31. Dezember 2004 auch für die wasserrechtliche Überwachung der Anlage zuständig. Zum 1. Januar 2005 ist die Zuständigkeit für die wasserrechtliche Überwachung auf das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven übergegangen. Fachaufsichtsbehörde ist das Umweltministerium.

Viertens. Der Landkreis Osterholz war und ist zuständig für die Durchführung der Brandverhütungsschau nach dem Niedersächsischen Brandschutzgesetz unter der Aufsicht des Innenministeriums.

Fünftens. Der Landkreis Osterholz war bis zum 31. Dezember 2002 Erlaubnisbehörde nach der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten, ab dem 1. Januar 2003 nach der Betriebssicherheitsverordnung. Er unterlag bis zum 31. Dezember 2004 der Fachaufsicht der Bezirksregierung Lüneburg und unterliegt seitdem der des Sozialministeriums.

Sechstens. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven ist verantwortlich für die Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und die diesbezüglichen Überwachungen. Es un

terliegt der Fachaufsicht durch das Umweltministerium.

Siebtens. Daneben oblag und obliegt dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven auch die Überwachung des Arbeitsschutzes einschließlich der Lagerung brennbarer Flüssigkeiten. Hier besteht die Fachaufsicht durch das Sozialministerium.