Protocol of the Session on December 16, 2014

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Kai Seefried [CDU]: Das ist Ihr Schulgesetz!)

Wie sagte Kollege Seefried so schön: Auf diese Debatte habe ich keinen Bock. - Ich hoffe, ich habe Sie richtig zitiert. Aber immer wieder können Sie der Verlockung nicht widerstehen, unsere bildungspolitischen Zielsetzungen in die Schablonen von vorgestern zu pressen.

(Kai Seefried [CDU]: Das machen Sie! Das Problem ist Ihr Schulgesetz! - Ulf Thiele [CDU]: Sie machen Schulpolitik von vorgestern!)

Bei der tatsächlichen Debatte über die notwendige Weiterentwicklung unseres Bildungssystems bleiben Sie einfach auf dem Randstreifen stehen.

„Einfalt statt Vielfalt“ - wohin da die Reise gehen soll, ist ja klar: hier die Einheitsschule und dort - ich bitte darum, jetzt auf den Begriff zu achten - das achtgliedrige Schulsystem. Ich bin immer ein bisschen überrascht, wenn von dem dreigliedrigen Schulsystem geredet wird. Wir müssen vom achtgliedrigen Schulsystem reden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich nenne das hier der Einfachheit halber - denn wenn hier von Einheitsschule geredet wird, mache ich es mir auch mal leicht - mal „Kästchenpädagogik“. Berichten Sie einmal in einer Grundschule in Hannover von Ihren bildungspolitischen Erkenntnissen zur Vielfalt! Die Kolleginnen und Kollegen werden Sie einigermaßen überrascht anschauen. Bei Vielfalt denken diese Kolleginnen und Kollegen nämlich nicht an die Kästchenpädagogik, sondern sie denken ganz konkret an ihre Klassen. Sie denken daran, dass dort schon immer Kinder mit unterschiedlichen Lernständen versammelt waren, die unterschiedliche Zugänge zu Lerninhalten brauchen, Kinder, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft Unterschiedliches einbringen - Kinder mit Migrationshintergrund, Kinder ohne Migrationshintergrund.

Herr Försterling, an dieser Stelle kann ich mich Ihrem Lob für die Kolleginnen und Kollegen durchaus anschließen. Natürlich schließe ich in das Lob

auch die Kolleginnen und Kollegen ein, die an Förderschulen und an Hauptschulen arbeiten. Da wird gute Arbeit gemacht. Das ist nicht der Punkt der Auseinandersetzung.

(Gabriela König [FDP]: Aber alle ab- schaffen?)

Die Notwendigkeit, dieser Heterogenität Rechnung zu tragen, gilt natürlich auch für die Gymnasien. Denn dort hat sich doch die Welt auch entscheidend verändert. Als ich Abitur gemacht habe - das war nicht gestern -

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Na ja!)

- vorgestern -, haben 13 % eines Jahrgangs Abitur gemacht. Heutzutage sind es niedersachsenweit über 40 %. In manchen Regionen sind es sogar 50 %. Das hat gewaltige Auswirkungen. Das heißt, Schulen müssen sich ändern.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Hinter Ihrer Definition von Vielfalt verbirgt sich der wirkliche Einheitsbrei: Der Lehrer hält das Stöckchen für alle in die gleiche Höhe und verteilt anschließend Zensuren.

(Kai Seefried [CDU]: Falsch! Was für ein Weltbild!)

Das ist gelebte Ignoranz gegenüber den Herausforderungen, vor denen die Schulen stehen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Veränderungen, auf die sich unsere Schulen jeden Tag einstellen müssen, sind mit den Händen zu greifen. Politik kann jetzt sagen: no change! - Verantwortungsvoll ist es aber, auf diese Herausforderungen Antworten zu finden. Schulstrukturreformen verfolgen hier übrigens keinen Selbstzweck. Sie ergeben sich aus der Konsequenz der Veränderungsprozesse in der Gesellschaft.

Der Mitbegründer der Berliner Universität, Friedrich Schleiermacher, hat 1826 Folgendes gesagt: Es wäre frevelhaft, die Erziehung so anzuordnen, dass die Ungleichheit absichtlich und gewaltsam auf dem Punkt festgehalten wird, auf welchem sie steht.

Das heißt, Schule muss sich weiterentwickeln.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Unter dieses Zitat können wir die Kernpunkte unserer Schulgesetznovelle stellen: mehr Bildungsgerechtigkeit, mehr Qualität in Ganztagsschulen, mehr Zeit zum Lernen, verlässliche Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Inklusion, Abbau von Hürden für die Errichtung von Gesamtschulen, Schulen fit machen, damit sie Vielfalt und Heterogenität als Chance für Weiterentwicklung sehen.

Das ist genau das, was Schulen leisten müssen. Dafür setzen wir mit der Schulgesetznovelle verlässliche Rahmenbedingungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Scholing. - Es hat sich Kai Seefried, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Seefried!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP macht noch ein Fragezeichen hinter die Überschrift ihres Antrages zur Aktuellen Stunde, in der es heißt „Einfalt statt Vielfalt?“. Ich ersetze das Fragezeichen ganz eindeutig durch ein Ausrufezeichen: „SPD und Grüne in Niedersachsen stehen für Einfalt statt Vielfalt in unserem Bildungssystem!“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der vorgelegte Schulgesetzentwurf macht das deutlich. Dieser Schulgesetzentwurf ist Teil einer Politik der vielen Nadelstiche und eine Politik gegen das Gymnasium, eine Politik der Gleichmacherei, eine Politik gegen die Wahlfreiheit der Eltern.

Die einzelnen Nadelstiche hat der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, auch bei dem schon viel zitierten Philologentag in Goslar in einer Rede zusammengefasst. Er hat diese Rede unter die Überschrift gestellt: „Schluss mit einer Schulpolitik der Trojanischen Pferde!“

(Björn Thümler [CDU]: Genau!)

Er beschrieb in seiner Rede, was er tun würde, wenn er ein eingefleischter Gymnasialhasser wäre. Er würde die Danaer zum Vorbild nehmen, aber nicht ein Trojanisches Pferd als ein vermeintliches Geschenk aufstellen, sondern gleich ein ganzes Dutzend davon.

Bei diesem Beispiel nannte er: Ich würde die genuine Gymnasiallehrerausbildung abschaffen,

(Björn Thümler [CDU]: Was?)

ich würde die Lehrpläne der Schulformen aneinander angleichen,

(Björn Thümler [CDU]: Aha!)

ich würde das Sitzenbleiben und Noten abschaffen, oder ich würde die Träger gymnasialer Bildung, nämlich die Gymnasiallehrer, frustrieren und nochmals frustrieren.

(Zuruf von Björn Thümler [CDU])

Ich vermute, diese Aufzählung wird Ihnen allen aus der aktuellen Landespolitik, wie wir Sie von SPD und Grünen in Niedersachsen erleben, ziemlich bekannt vorkommen.

Deswegen kann ich Sie von den regierungstragenden Fraktionen an dieser Stelle wirklich nur zu einem auffordern: Ziehen Sie diese falsche Schulgesetznovelle zurück!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sagen nicht einfach Nein zu Ihrer Bildungspolitik, sondern wir stehen für einen ganz klaren Gegenentwurf. Wir sagen Ja zu wirklicher Bildungsgerechtigkeit und Nein zu diesem Chancenvernichtungsgesetz, das Sie vorgelegt haben.

Wir stehen für eine wirkliche Bildungsvielfalt mit Gymnasien, Oberschulen, Haupt- und Realschulen und natürlich auch Gesamtschulen und Förderschulen.

(Björn Thümler [CDU]: Genau!)

Denn zum Glück ist es ja eben so - das ist ein von mir gern genommenes Zitat -, dass wir nicht alle gleich sind, sondern wir sind zum Glück alle verschieden. Auch darauf muss unser Bildungssystem ausgerichtet sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sagen Ja zu hohen Standards und Wahlfreiheit beim Abitur, wir sagen Nein zu einem weichgespülten Abitur. Wir setzen auf die Wahlfreiheit beim Abitur nach 12 oder 13 Jahren und darauf, dass auch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler entsprechend gefördert werden.

Wir sagen Ja zum Elternwahlrecht für den besten Bildungs- und Förderort, und wir sagen ganz klar Nein zu den rot-grünen Plänen zur Abschaffung weiterer Förderschulen

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Genau!)

in dem vorgelegten Gesetzentwurf mit der Abschaffung der Förderschule Sprache im nächsten Jahr und der 2017 folgenden Abschaffung der Förderschule Lernen. Diese Vorschläge sind für die CDU in Niedersachsen nicht verhandelbar.