- Es ist traurig, dass Sie darüber lachen. Die Eltern und die Erzieher sehen das anders. Die können nicht darüber lachen.
Mich stimmt das mehr als nur traurig; denn nach der gesamten Diskussion zum Thema Kita-Volksbegehren haben wir es uns, auch wenn wir in der Opposition sind, nicht einfach gemacht. Wir hätten genauso gut fordern können, was eigentlich zu fordern wäre, nämlich neben der dritten Kraft in der Krippe eine Reduzierung der Gruppenstärke vorzunehmen, die Leitungsfreistellung zu verbessern, die Verfügungszeiten zu verbessern, die Fachberatung weiter auszubauen, das Thema Inklusion in Krippen nach vorne zu bringen und, und, und. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einhellig festgestellt, dass das ein derartiger finanzieller Kraftakt ist, dass er nicht auf einmal zu wuppen ist.
Nachdem wir in der vergangenen Legislaturperiode die Zahl der Krippenplätze erhöht haben, gilt es jetzt, sich um die Qualität zu kümmern. Das wollen Sie machen. Sie haben etwas versprochen. Aber jetzt setzen Sie noch nicht einmal das erste Versprechen um.
Wir haben gesagt: Wir fordern nicht alles. Wir einigen uns auf eine schrittweise Vorgehensweise. Wir einigen uns auf den ersten Schritt, und das ist die dritte Kraft in der Krippe. Und jetzt kneifen Sie. Sie haben noch nicht einmal den Mut, einzugestehen, dass Sie Ihr Wahlversprechen brechen.
Sie legen erstens fest - es ist für mich wirklich schwierig, das in irgendeiner Form nachvollziehen zu können -: Was heißt 100 %? - Bei 100 % geht doch jeder zu Recht davon aus, dass Sie die Kraft, die zurzeit vorhanden ist, auch zu 100 % finanzieren. Sie aber, meine Damen und Herren von der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen, legen sich Ihre 100-%-Marke selbst fest. Unglaublich! Sie sagen: Ich finanziere die dritte Kraft nicht voll, ich finanziere nur 20 Stunden. - Sie sagen also: 100 % sind 20 Stunden, also eine Halbtagskraft. Sie finanzieren also nicht 100 %, sondern Sie wollen 50 % festlegen.
Zweitens legen Sie gleichzeitig noch fest, dass diese Kraft eine Sozialassistentin sein muss. Aber dann wird es schon makaber: Wir haben nämlich von der Ministerin bei der Einbringung zum Haushalt gehört, dass sie, die Ministerin, von der Annahme ausgeht, dass überhaupt nicht ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen werden. Unglaublich!
Gerade, ganz aktuell, liegt von der Bundesagentur für Arbeit ein Bericht auf dem Tisch, Stand September 2014, in dem deutlich wird, dass im vergangenen Jahr mehr als 20 000 Arbeitskräfte, 13 000 Fachkräfte in dem Bereich arbeitslos gewesen sind. Wir haben also Fachkräfte! Aber die Ministerin sagt ganz einfach: Wir gehen davon aus, dass sie nicht zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund sagen wir, dass 20 Stunden finanziert werden und dass es eine Sozialassistentin sein muss. Wir haben ja nicht so viele Fachkräfte. Daher werden wir von den 3 324 Krippengruppen, die wir haben, möglicherweise nur die Hälfte mit Fachkräften besetzen können.
Unter dem Strich, Frau Ministerin, meine Damen und Herren von Rot-Grün, heißt das: Bei dem, was Sie hier festlegen, handelt es sich eindeutig um eine Mogelpackung, die ihresgleichen sucht.
Von Jahr zu Jahr werden die Betroffenen permanent vertröstet. Jetzt werfen Sie ihnen einen kleinen Brocken hin und wollen das als Umsetzung des Wahlversprechens verkaufen. Das ist Makulatur pur!
Die Kultusministerin hat sich gegenüber ihrem Finanzminister nicht durchsetzen können. Besonders traurig macht es mich, dass sich der Ministerpräsident, der sich dazu mehrfach geäußert hat, auch nicht entsprechend ins Zeug gelegt hat. Das hätte man von ihm erwarten können.
Letztlich stellen Sie sich damit komplett ein Armutszeugnis aus, indem Sie hier nämlich sagen: eine Halbtagskraft für die Hälfte aller Krippengruppen, nur jede zweite Krippe und dann auch noch die Festschreibung auf die Qualifikation Sozialassistentin bzw. Sozialassistent.
Sie hätten sagen können und auch sagen müssen: Übergangsweise unterstützen wir ohne Wenn und Aber alle Krippen, indem wir ihnen die dritte Kraft finanzieren.
Sie selbst wissen, dass ganz viele Gemeinden heute bereits ohne gesetzliche Verpflichtung eine dritte Kraft in der Krippe eingesetzt haben. Hierbei handelt es sich neben Sozialassistenten auch um Spielkreisgruppenleiter, Berufspraktikanten, Kinderpfleger, Kinderkrankenschwestern, Tagesmütter.
Anstatt ihnen nun eine weitere Qualifikation zu ermöglichen, damit sie uns als Fachkräfte weiterhin zur Verfügung stehen, werden diese möglicherweise auf der Straße stehen. Viel Bürokratie ist zu erwarten. Meine Damen und Herren, sozialpolitisch und arbeitsmarktpolitisch ist das ebenfalls nicht der richtige Weg, den Sie hier beschreiten.
Letzter Satz: Für mich waren in den gesamten vergangenen 25 Jahren im Bereich der Krippe, der Kita, des Kindergartens immer die drei „Z“ für die Kinder von herausragender Bedeutung: Zeit, Zärtlichkeit, Zuwendung.
Für diese rot-grüne Landesregierung sind die drei „Z“: Zögern, Zaudern und Zerreden. Und das lassen wir nicht zu!
Ich werde diese Großzügigkeit auch bei den anderen Rednern anwenden. Ich wollte Sie aber, weil Ihr „letzter Satz“ sehr lange gedauert hat, nicht abbrechen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Du hast es in der Hand! Du kannst sie glücklich machen!)
Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute herrschen Frust und eher Resignation - so haben Sie es eben sinngemäß geschildert -, gerade bei den Leuten, die draußen stehen, bei der Frage, was sie von der Politik zu halten haben. Sie haben etwas von „Vorgaukeln“ erzählt. - Ich halte das für völlig aus dem Sinnzusammenhang gerissen. Das hat mit dem Tatsächlichen, was wir beschließen werden, überhaupt nichts zu tun.
Heute ist ein Festtag für Niedersachsen! Heute ist ein Festtag für die niedersächsischen Krippen, für die Erzieherinnen und Erzieher, für die Kinder und für die Eltern!
Sehr geschätzte Frau Kollegin Vockert, wenn Sie sagen, Sie wüssten schon, was gleich komme, wenn Rot-Grün hier an das Rednerpult trete, dann ist es doch gut so! Bei uns weiß man also, was kommt. Darauf kann man sich verlassen. Das, was wir sagen, wird auch umgesetzt.
Nach den Tagesordnungspunkten, die wir vorher behandelt haben, habe ich, als wir dann zu den Krippen gekommen sind, gedacht, wir kriegen das - - -
- Herr Thümler, ich werde Frau Vockert noch so oft glücklich machen! Aber das ist dann unsere Geschichte.
Das, was ich bei diesem Tagesordnungspunkt erwartet hatte, war ganz anders. Ich habe erwartet: Ja, endlich muss doch die kulturpolitische Sprecherin, aus deren Feder dieser Antrag gekommen ist, die diesen Antrag formuliert hat, völlig erleichtert sein, dass dieser Antrag endlich Gehör findet!
Die muss doch völlig erleichtert gewesen sein, dass es jetzt eine Regierung von Rot-Grün gibt, der man vertrauen kann, dass man mit der über Qualität und Inhalte reden kann!
Die muss doch völlig erleichtert gewesen sein, dass nicht, wie von dem Kollegen Strümpel vorhin - Herr Försterling macht das ja mit Bravour -, gesagt wird, dass Sie sich bisher nur um die Quantität gekümmert haben, um ihm dann zu unterstellen, dass er keine Krippenplätze wolle, aber dass es doch auch gegangen wäre - das wissen Sie alle, die Sie schon länger in dem Geschäft sind -, beim Aufbau von Krippen nicht nur um die Plätze zu ringen, sondern dass man sich auch sofort und gleich um die Qualität hätte kümmern müssen, das hätte man dann finanziell auch gewuppt.
Also: Vielen herzlichen Dank für diesen Antrag! Sie haben Vertrauen in diese Landesregierung. Das können Sie gut haben. Darüber freue ich mich.
Interessant wird es dann auch bei der zeitlichen Abfolge: Nach knapp einem Jahr Rot-Grün kommt Anfang Juni 2014 endlich Ihr Antrag, auf den Sie ja wahrscheinlich schon sehr lange gewartet haben, den Sie schon viele Jahre vorher haben stellen wollen. Dieser Antrag kommt - das finde ich hoch interessant -, nachdem der Ministerpräsident unseres Landes Niedersachsen, nachdem die Kultusministerin, nachdem die Chefin der Fraktion der SPD, nachdem die Chefin der Grünen gesagt haben: Die dritte Kraft in der Krippe kommt ab 1. Januar 2015.
Was macht es dann für eine Opposition wirklich noch schwierig zu sagen „Oha, wir stellen jetzt einen Antrag, wir gehen davon aus, er kommt durch, weil die maßgeblichen Personen das schon gesagt haben“? - Ich finde das eine gute Idee. Das kann man jetzt öfter machen.