Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Den Antrag der FDP, den wir heute besprechen, nämlich dass wir eine Arbeitszeiterhebung durchführen sollten, können wir als CDU-Fraktion nur begrüßen. Denn bereits vor einem Jahr haben wir als CDU-Fraktion mit der Drucksache 17/450 dargelegt - damals schon -, dass es bei der Arbeit und dem Engagement der niedersächsischen Lehrkräfte insbesondere auch darum geht, festzustellen, wie denn die tatsächliche Arbeitsbelastung ist. Schon damals haben wir unter Nr. 4 unseres Antrags gefordert, eine solche statistische Untersuchung der Arbeitszeit auf den Weg zu bringen.
Aber wenn man sich das einmal vorstellt, dass wir diesen Antrag schon vor einem Jahr gestellt haben und dass heute immer noch die Notwendigkeit besteht, so etwas auf den Weg zu bringen - der Kollege Björn Försterling hat schon dargestellt, wie die Situation an unseren Schulen ist -, dann scheint es ja wohl an unseren Schulen eine sehr, sehr schlechte Situation zu geben. Die Lehrer haben das Vertrauen in die Landesregierung verloren. Die Schüler sind gegenüber den Lehrern aufgebracht. Die Schüler denken darüber nach, wie man freiwillige Leistungen in Schulen einstellen kann.
Wie können wir eigentlich aus diesen Dingen herauskommen? - Durch die Arbeitszeitveränderung ist das Vertrauen von 87 000 niedersächsischen Lehrerinnen und Lehrern in die Landesregierung nachhaltig gestört. Wir haben es eben auch schon von Herrn Bratmann gehört: Es kommt auf die Lehrer an, es kommt auf die motivierten Lehrer an. Wir müssen sozusagen unsere Lehrer motivieren. Genau das Gegenteil davon haben Sie gemacht. Sie haben die Lehrerinnen und Lehrer durch die Veränderungen bei den Arbeitszeiten demotiviert.
Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir leistungsfähige und leistungswillige Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen haben. Diese Lehrerinnen und Lehrer warten auf ein Signal der Landesregierung. Sie möchten wieder ernst genommen werden.
Wir haben eben schon gehört, dass es insgesamt darum ging: Die Arbeitszeit insgesamt wird nicht erhöht. Die Unterrichtsverpflichtung für die Lehrerinnen und Lehrer wurde erhöht. Damit müssten die Lehrerinnen und Lehrer die Zeiten, die in der Arbeitszeit anfallen und nicht zur Unterrichtsverpflichtung gehören, nach unten fahren, oder die Arbeitszeit insgesamt stimmt nicht mehr mit dem überein, was man früher einmal angenommen hat.
Deswegen ist es wichtig, Herr Bratmann - ganz zum Schluss Ihrer Ausführungen haben Sie das gesagt -, dass wir wieder in den Dialog mit unseren Lehrerinnen und Lehrer eintreten müssen. Das muss möglichst schnell geschehen.
Wenn man allerdings zwei dieser Unbekannten hat - das eine ist die tatsächliche Arbeitszeit; das andere sind die Arbeiten, die nicht zur Unterrichtsverpflichtung gehören; was sind das eigentlich für Stunden, und wie hoch ist ihre Zahl eigentlich? -, ist es sehr schwierig, in einen solchen Dialog einzusteigen. Deswegen ist der Vorschlag der FDP genau der richtige, sich sozusagen zunächst mit der tatsächlichen Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer in den unterschiedlichen Schulsystemen zu befassen, die Dinge in den unterschiedlichsten Konstellationen aufzubereiten und von unabhängigen Experten - ich sage es einmal so - beurteilen zu lassen, damit man eine Basis hat, auf der man solche Gespräche, einen solchen Dialog führen kann.
Wären Sie schon vor einem Jahr unserem Vorschlag gefolgt, dann könnten wir diese Studie schon haben.
Sie haben also 15 Monate ins Land gehen lassen und Abiturklassen - ich sage es einmal so - um ihre Klassenfahrten gebracht. - Ich hätte fast gesagt: Schülerinnen und Schüler streiten sich mit ihren Lehrern über die Klassenfahrten. - Und Eltern sind besorgt. Ich zitiere dazu aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung von heute:
„Klassenfahrt mit Eltern nun doch erlaubt... Konflikt um Mehrarbeit an Gymnasien bleibt aber bestehen.“
Wir werden zukünftig an der einen oder anderen Stelle das Thema Klassenfahrten lösen. Aber das Thema Mehrarbeit bleibt weiterhin bestehen. Eine der Möglichkeiten, dieses Thema zu bewältigen, die Lehrer wieder zu motivieren oder - andersherum - nicht zu demotivieren, ist es, eine solche Studie auf den Weg zu bringen.
Wir können Sie nur innigst bitten: Seien Sie bereit, eine solche Studie auf den Weg zu bringen, damit wir eine Basis haben, auf der wir anschließend zu einem guten und intensiven Dialog kommen können und am Ende auch noch eine gerechte Lösung für alle finden können!
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung spricht nun Frau Kultusministerin Heiligenstadt. Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Landesregierung besteht im Zusammenhang mit den am 1. August 2014 in Kraft getretenen arbeitszeitrechtlichen Maßnahmen keine Veranlassung, eine auf die Belastung der Lehrkräfte bezogene wissenschaftliche Untersuchung der Arbeitszeit in Auftrag zu geben. Eine solche Erhebung ist nicht beabsichtigt; wir halten sie auch nicht für notwendig.
Die Arbeitszeit von Lehrkräften, meine Damen und Herren, teilt sich auf in unterrichtliche und außerunterrichtliche Arbeitszeitanteile. Diese Anteile für den Unterricht und für außerunterrichtliche Tätigkeiten sind pauschaliert und generalisiert anders zu gewichten, wenn man an einem dieser Parameter Veränderungen vornimmt. Diese Gewichtung kann, bezogen auf die außerunterrichtlichen Tätigkeiten, allerdings nicht einzelfallbezogen erfolgen. Das will ich auch gerne im Konkreten erläutern.
Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs, in dem von Lehrkräften außerunterrichtliche Dienstleistungen verlangt werden können, werden nach wie vor die Berechnungsgrundsätze zugrunde gelegt, die von der Rechtsprechung hinsichtlich des Verhältnisses der Lehrerarbeitszeit zur Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten in der allgemeinen Verwaltung entwickelt worden sind. Zu beachten ist dabei, dass eine vergleichende Betrachtung nur dann zu einem sachgerechten Ergebnis führt, wenn wegen der unterrichtsfreien Zeit während der Ferien die jeweilige Jahresarbeitszeit zugrunde gelegt und außerdem die von einer Zeitstunde abweichende Dauer einer Unterrichtsstunde angemessen berücksichtigt wird.
- Wenn es zu kompliziert ist, Frau BertholdesSandrock, dann erläutere ich es Ihnen gerne noch einmal anschließend beim Kaffee.
Meine Damen und Herren, da der zeitliche Umfang der außerunterrichtlichen Tätigkeiten der Lehrkräfte auch von solchen Faktoren abhängig ist
wie der individuellen Befähigung, der persönlichen Erfahrung, den an sich selbst gestellten Anforderungen sowie von anderen einzelfallbedingten Faktoren und in arbeitszeitrechtlicher Art nicht messbar und überprüfbar ist, muss jede Lehrkraft selbst entscheiden, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort der nicht konkret festgelegte Teil der außerunterrichtlichen Arbeitszeit von ihr erbracht wird.
Ansonsten, meine Damen und Herren, müssten wir eine Stechuhr für Lehrkräfte einführen, und das wollen wir nicht.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Das ist doch Unsinn! - Zuruf von der CDU: Darum geht es doch nicht!)
So ist es durchaus möglich, dass vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte in der Unterrichtszeit eine die 40stündige Wochenarbeitszeit überschreitende Arbeitszeit erbringen und die Dienstleistung an den Arbeitstagen in der unterrichtsfreien Zeit entsprechend vermindert wird. Ein Nachweis über die insgesamt im Verlaufe eines Jahres geleistete außerunterrichtliche Arbeitszeit ist dagegen nicht zu erbringen.
Mit einer solchen Buchführungspflicht würden im Übrigen gar keine generell übertragbaren Erkenntnisse im Hinblick auf einen Durchschnittswert gewonnen werden können, weil die personenbezogenen Anteile und Faktoren wesentlich auf die im Einzelfall gegebene zeitliche Belastung jeder einzelnen Lehrkraft Einfluss haben. Es liegt daher in der Eigenverantwortung der Lehrkraft, neben der Unterrichtsverpflichtung und den zeitlich festgelegten außerunterrichtlichen Aufgabenwahrnehmungen den verbleibenden Arbeitszeitraum selbst zu gestalten und anzusetzen.
Frau Ministerin, ich darf Sie unterbrechen. Herr Thiele hat den Wunsch, eine Zwischenfrage an Sie zu stellen.
Diese weitreichende Freiheit, meine Damen und Herren, in der Gestaltung der außerunterrichtlichen Arbeitszeit ist im Übrigen ein ganz wesentliches Element von Lehrerarbeitszeit und auch aus pädagogischer Sicht nicht nur historisch gewachsen, sondern auch notwendig. Würde dieser Arbeitszeitanteil abschließend konkret durch bestimmte Regelungen festgelegt werden, bliebe von der pädagogischen Gestaltungsfreiheit in zeitlicher Hinsicht praktisch überhaupt nichts mehr übrig, meine Damen und Herren. Das kann doch nun wirklich niemand wollen!
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Jetzt hat sich noch einmal Björn Försterling von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie hätten heute die Chance gehabt, tatsächlich einen Schritt auf die Lehrkräfte zu zu machen. Stattdessen liefern Sie hier einen Redebeitrag ab, der nicht nur - wenn ich mir das erlauben darf - gegenüber der Kollegin Bertholdes-Sandrock gerade schon an der Grenze der Unverschämtheit war,
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Was für ein Zuruf war das denn, Herr Kollege? - Gerd Ludwig Will [SPD]: Das sagt der Richtige!)
sondern der ganz deutlich ein Affront gegenüber jeder einzelnen Lehrkraft in Niedersachsen gewesen ist. Sie weigern sich, über die Arbeitsbelastung Ihrer Lehrkräfte zu sprechen, weil Sie Angst vor dem Ergebnis haben, weil Sie Angst davor haben, dass Sie Ihre Maßnahme der Mehrarbeit zurücknehmen müssen. Lassen Sie uns doch einmal offen und ehrlich über die Arbeitsbelastung der 86 000 Lehrkräfte in Niedersachsen reden! Lassen Sie uns dann Handlungsoptionen zur Entlastung der Lehrer und zur Verbesserung der Lehrergesundheit erarbeiten!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Ministerin, auch Lehrer sind Menschen. Das sollten Sie sich mal zu Herzen nehmen!
Vielen Dank, Herr Försterling. - Es hat sich Ulf Thiele von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Thiele!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, nachdem Sie hier gerade das Schulverwaltungsblatt vorgelesen haben und im Kern dem Landtag nichts Neues zu der Frage mitgeteilt haben, wie Sie das Problem lösen wollen, das Sie den Lehrern auf den Tisch gelegt haben, insbesondere den Gymnasiallehrern in diesem Land, dass sie von Ihnen nämlich schlicht gesagt bekommen haben, sie sollen mehr Arbeit leisten, mehr Unterricht geben, ohne dass Sie ihnen gesagt haben, wie sie das kompensieren sollen: Sehen Sie sich in der Lage, nachdem Sie das im Ausschuss nicht hinbekommen haben, diesem Hohen Haus hier heute zu erklären, in welcher Form, auf welche Art und Weise und an welcher Stelle die Lehrkräfte in Niedersachsen, denen Sie zusätzlichen Unterricht aufgebürdet haben, diesen innerhalb ihres Arbeitszeitkontingents kompensieren sollen? Oder sind Sie dazu nicht in der Lage und damit als Kultusministerin gescheitert?