Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundeskanzlerin hat es sich zu Recht nicht nehmen lassen, sich mit dieser Vielfalt ablichten lassen. Doch wenn man dieses Bild neben das Gesetz hält, das der Bundestag verabschiedet hat, dann sieht man, dass sportliche Anerkennung nicht gleichbedeutend mit politischer und gesellschaftlicher Anerkennung ist. Das ist für viele Menschen in diesem Land ein Schlag ins Gesicht.
Vor diesem Hintergrund ist unser Antrag, der die Abschaffung des Optionszwangs fordert, der richtige Ansatz. Ich bitte um breite Zustimmung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Onay. - Jetzt hat sich der Abgeordneten Oetjen, FDP-Fraktion, gemeldet. Bitte sehr!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren seit vielen Jahren - eigentlich seit dem ersten Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft - über die Folgen dieses Kompromisses. Ich erinnere an die Kampagne von Koch in Hessen, der dieses Thema sehr emotional aufgegriffen hat
- sehr populistisch -, woraufhin dieser Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft getroffen wurde.
Ich glaube, dass wir gemerkt haben, dass es seit dieser Zeit mit der Mehrstaatigkeit in Deutschland eigentlich überhaupt keine Probleme gegeben hat.
Niemand hat Probleme damit gehabt, dass Menschen mehrere Pässe haben, dass Menschen - wie es technisch heißt - mehrstaatig sind, dass sie sich - wie ich es sagen würde - zwei Kulturen, zwei Nationen verbunden fühlen.
Ich muss leider feststellen, dass das Gesetz, das im Bundestag auf Basis der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD aktuell beschlossen wurde, wieder ein fauler Kompromiss ist. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, deswegen bin ich froh, dass wir heute parteiübergreifend ein starkes Signal aus dem Niedersächsischen Landtag dazu geben, dass wir ein einfaches, klares Recht wollen: keine Optionspflicht mehr, sondern die einfache Hinnahme von Mehrstaatigkeit, die einfache Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft.
Eigentlich ist schon das Wort „Hinnahme“ negativ. Wir sollten das positiv besetzen und sagen: Es ist ein Wert, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen in Deutschland sind
Meine Tochter hat eine doppelte Staatsbürgerschaft, und ich bin glücklich darüber. Sie hat das Glück, dass sie die deutsche und die französische Staatsbürgerschaft hat; beide wird sie behalten können.
Andere, die die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben oder von Geburt haben, haben nicht das Glück, dass es sich um eine doppelte Staatsbürgerschaft im EU-Raum handelt. Diejenigen, die beispielsweise die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft haben, haben das „Pech“, dass
der türkische Staat die Möglichkeit vorsieht, sie aus der Staatsbürgerschaft zu entlassen. Deswegen müssen sie sich entscheiden.
Andere Länder - beispielsweise der Iran - entlassen ihre Bürger nicht aus der Staatsangehörigkeit. Sie dürfen die doppelte Staatsbürgerschaft behalten.
Ich glaube, das kann man nicht erklären. Ein Gesetz, das man nicht erklären kann, sollte man nicht aufrechterhalten. Deswegen wird die FDP-Fraktion dem Entschließungsantrag, der von SPD und Grünen in diesem Hause vorgelegt wurde, gerne zustimmen - in der Hoffnung, dass sich noch etwas bewegt, dass wir den Optionszwang endgültig und abschließend abschaffen können.
Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Jetzt ist Dr. Christos Pantazis, SPD-Fraktion, dran. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach unserer ersten, teils hitzig und emotional geführten Debatte um den hier zur abschließenden Beratung vorliegenden Entschließungsantrag „Optionszwang schnell und vollständig abschaffen“ hat der Bundestag Anfang dieses Monats - es ist schon gesagt worden - den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes angenommen.
Grundlage dieser Entscheidung ist die auf Bundesebene ausgehandelte Koalitionsvereinbarung, in der sich der Satz findet:
„Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang, und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert.“
Denn nach der bisher geltenden Optionspflicht wurden in Deutschland geborene Kinder nicht deutscher Eltern mit Vollendung des 18. Lebensjahres dazu aufgefordert, sich bis zum 23. Lebensjahr zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der ihrer Eltern zu entscheiden. - Ein unhaltbarer Zustand! - So wurden die betroffenen jungen Menschen im Sinne einer vermeintlichen Loyalitätsbezeugung in einer unzumutbaren Situation gezwungen, sich zwischen ihrer Lebenswirklichkeit als Deutsche und ihrer Verbundenheit mit ihren familiären Wurzeln entscheiden zu müssen.
Mit der Anfang des Monats angenommenen Änderung können in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern künftig nicht mehr die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Für sie, die in der Regel enge Bindungen an Deutschland entwickelt haben, entfällt die Optionspflicht künftig ersatzlos.
Nach der jetzt beschlossenen Änderung ist in der Bundesrepublik aufgewachsen, wer sich bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres - ich zitiere - „acht Jahre gewöhnlich in Deutschland aufgehalten hat, sechs Jahre in Deutschland eine Schule besucht hat oder über einen in Deutschland erworbenen Schulabschluss oder eine in Deutschland abgeschlossene Berufsausbildung verfügt“.
Im Falle des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit sieht die Änderung ferner eine Wiedereinbürgerung vor, auch wenn die oder der Betroffene über zwei oder mehrere Staatsangehörigkeiten verfügt.
Sollten bisher Optionspflichtige ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben haben, kann ihnen vor einem beabsichtigten Wiedererwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auch eine Beibehaltungsgenehmigung erteilt werden, die zusichert, dass die deutsche Staatsangehörigkeit fortbesteht.
Laut der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, wird mit dieser zweiten Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts für 90 % der ab dem Jahr 2018 jährlich rund 40 000 optionspflichtigen Jugendlichen der Optionszwang entfallen. Automatisch und geräuschlos wird für diese jungen Erwachsenen die Mehrstaatigkeit
Ich möchte betonen - und das ist uns bewusst -, dass, auch wenn die Optionspflicht in der nun beschlossenen Änderung lediglich für die in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kinder entfällt, wir dennoch diese Neuerung im Sinne der betroffenen Kinder sehr begrüßen. Immerhin bedeutet diese Regelung für ca. 36 000 Kinder pro Jahr den endgültigen Wegfall des Optionszwangs.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Niedersachsen hat eine lange Einwanderungsgeschichte vorzuweisen und bezieht seine Stärke aus der Vielfalt und dem Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger ganz unterschiedlicher Herkunft. Vor diesem Hintergrund verstehen wir unser Land als Einwanderungsland. Zwingende Voraussetzung eines solchen Verständnisses ist eine Politik der gelebten Willkommens- und Anerkennungskultur mit Blick auf zugewanderte Menschen und ihre hier geborenen Nachkommen und in der Folge dessen ein Staatsbürgerschaftsrecht, das der gesellschaftlichen Wirklichkeit entsprechen muss,
einer Wirklichkeit, die von der Politik - und das muss man leider so sagen - Jahrzehnte negiert worden ist.
Wir stehen daher zu dem, was wir auf Landesebene in der Koalitionsvereinbarung „Erneuerung und Zusammenhalt“ vereinbart haben, nämlich - ich zitiere - „uns auf Bundesebene für Mehrstaatigkeit und die Abschaffung des Optionszwangs einzusetzen.“
Denn diese gesetzlich erzwungene Praktik steht im krassen Widerspruch zu unserem Verständnis von Willkommens- und Anerkennungskultur und gehört daher gänzlich abgeschafft.
In unserem hier eingereichten Entschließungsantrag findet dieses Verständnis einer Politik der Vielfalt und Teilhabe ihren originären Niederschlag,