Protocol of the Session on May 14, 2014

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Das wirkt sich doch alles auf den Preis für den Verbraucher aus, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und Sie wollen das alles nicht zulassen? - Das kann doch wohl nicht wahr sein!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das ist ein alter Kassenschlager!)

Zur Geschichte mit den sogenannten Hinterzimmern und dass niemand demokratisch legitimiert beteiligt wird: Sehr geehrte Frau Piel, wenn Sie sich mit dem Thema wirklich ernsthaft auseinandergesetzt hätten, wüssten Sie, dass die Vertreter der nationalen Regierungen wöchentlich von der Europäischen Union unterrichtet werden und man sich über den Stand der Gespräche austauscht, dass regelmäßig das Europäische Parlament informiert wird, dass Forderungen und Wünsche von den Beteiligten aufgenommen werden und in die Verhandlungen mit einfließen.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das versteht sie ja nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man unterbricht sogar, um eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen! Transparenter kann man das nicht mehr machen, wenn man verhandeln will, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Warum wird der Bürger nicht informiert? Nicht einmal die EU-Parlamentarier wissen Bescheid!)

Ich habe aber eine Idee, warum das mit der Hinterzimmerentscheidung heute bei den Grünen thematisiert wird: weil Ihnen die Basis im Nacken sitzt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre grüne Basis hat nämlich auch erlebt, dass Sie bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD im Hinterzimmer heimlich entschieden haben - und dann hatten Sie den Salat, beispielsweise bei den Straßen. Das will Ihre Basis nicht mehr, und deshalb wollen Sie hier so eine Show abziehen. Das Freihandelsabkommen ist aber zu wichtig für grüne

Spielchen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil, da Sie diesen Unsinn, den Ihre Regierungspartner hier im Parlament gesagt haben, wahrscheinlich auch noch weitertransportieren müssen, will ich Ihnen eines sagen: Wenn es tatsächlich so ist, dass es nur mit totaler Transparenz geht, dass keine Hinterzimmerentscheidungen getroffen werden dürfen, dann laden Sie uns doch alle ein, und wir kommen dienstags zu den Kabinettssitzungen. - Das wäre totale Transparenz!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Bode. - Der Vorschlag am Ende war gut, aber das kriegen wir nicht hin.

Jetzt hat sich die Ministerin, Frau Antje NiewischLennartz, zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort, Frau Ministerin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung teilt die Bedenken, die die antragstellende Fraktion dazu bewegt haben, dieses Thema heute zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde zu machen.

(Björn Thümler [CDU]: Die ganze Landesregierung?)

Dass die Verhandlungen bisher hinter verschlossenen Türen und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit stattgefunden haben, mehrt die Skepsis vieler Menschen gegenüber Europa und seinen Institutionen, und gerade das gibt Populisten die Möglichkeit, mit diesem Thema aufzutrumpfen - nicht uns, sondern den Populisten!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte als Justizministerin des Landes Niedersachsen die Teile des geplanten Freihandelsabkommens ansprechen, die den sogenannten Investitionsschutz betreffen. Diese Regelungen sollen bei Streitigkeiten zwischen privaten Investoren und Staaten gelten. Die Unternehmen erhalten das Recht, einen Staat vor einem privaten Gericht - einem Schiedsgericht - auf Schadensersatz

zu verklagen, etwa weil neue Gesetze die Rahmenbedingungen für Unternehmen ändern und weniger Gewinn in Aussicht steht. Ein Klagerecht von Staaten, etwa weil die Investoren die Menschenrechte missachten oder die Umwelt verpesten, gewähren diese Regelungen hingegen nicht. Das sind Einbahnstraßen in die falsche Richtung. Solche Schiedsverfahren sind keine neue Erfindung; es gibt sie schon zahlreich. Sie werden vor allen Dingen dann in völkerrechtliche Verträge aufgenommen, wenn die Investitionen gefährdet sind - in der Regel, weil in den Ländern, mit denen man die Verträge schließt, die Korruption blüht und ein regulärer Rechtsschutz nicht zu erlangen ist.

Mögen derartige Streitbeilegungsmechanismen in früherer Zeit im Verhältnis zu Entwicklungsländern auch ihre Berechtigung gehabt haben - in einem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika haben sie nichts zu suchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die USA verfügen über feste rechtsstaatliche Strukturen und ein funktionierendes Justizsystem. Ein besonderes Klageprivileg für Konzerne und andere Investoren ist daher abwegig. In- und ausländische Investoren müssen, wie alle Bürgerinnen und Bürger und alle sonstigen Firmen auch, Rechtsschutz vor nationalen, staatlichen Gerichten suchen.

Meine Damen und Herren, der Rechtsstaat lebt vom Vertrauen seiner Bürger. Er braucht die Legitimation seiner Bürger. Gerade aus diesem Grund sorgen wir in Niedersachsen mit großer Unterstützung der Gerichte und Staatsanwaltschaften dafür, dass Richterwahlausschüsse eingeführt werden, um die Legitimation der Gerichte zu stärken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da wirkt es wie Hohn, wenn Entscheidungen dieser Gerichte durch private Schiedsgerichte ohne jede demokratische Legitimation ausgehebelt werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, der Kollege Birkner würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Im Augenblick nicht, danke schön.

(Christian Dürr [FDP]: Können Sie dann einen Zeitpunkt nennen, wann es Ihnen passt?)

Investitionsvorschriften in Freihandelsabkommen bergen allerdings, so meine ich, nicht nur eine Gefahr für den Rechtsstaat, sondern auch für die parlamentarische Demokratie. Denn wenn der Niedersächsische Landtag beim Erlass von Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern, der Umwelt, von Verbrauchern gewärtig sein muss, bei Schadensersatzansprüchen aufgrund verschwundener Gewinnaussichten mit seinem Haushalt geradezustehen, dann fallen notwendige und wichtige Entscheidungen schwer. Es entsteht eine vorweggenommene Erpressungssituation, und es besteht die Gefahr, dass notwendige gesetzliche Änderungen zum Schutz der Bürger abgeschwächt werden oder ganz und gar unterbleiben.

Dass das kein unrealistisches Szenario ist, erleben wir heute am Beispiel des Atomausstiegs: Die Bundesrepublik wird vor einem privaten Schiedsgericht vom Vattenfall-Konzern auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagt. Erst diese Woche boten die EVU der Bundesregierung die Einrichtung einer Stiftung an, die für den Abriss von Kernkraftwerken und die Endlagerung von radioaktivem Müll zuständig sein soll -

(Christian Dürr [FDP]: Was hat das mit dem TTIP zu tun?)

natürlich einschließlich der Übernahme aller Risiken und Nebenwirkungen.

Im Gegenzug - jetzt kommt der Bezug - stand der Verzicht auf diese Klagen im Raum.

(Zurufe von den GRÜNEN: Ach!)

Das sind die Szenarien, mit denen wir uns in Zukunft auseinandersetzen müssen.

Meine Damen und Herren, es darf kein Supergrundrecht auf „ungestörte Investitionsausübung“ geben, wie es Heribert Prantl vor wenigen Tagen in der Süddeutschen Zeitung genannt hat. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass der Rechtsschutz in den Händen des Rechtsstaats und die politischen Entscheidungen in den Händen der Parlamente bleiben!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Das war eine Parteitagsrede, Frau Ministerin!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Wir sind damit am Ende der Besprechung zu Tagesordnungspunkt 3 d. Damit ist auch die Aktuelle Stunde insgesamt beendet.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 4: Wahl von Mitgliedern und eines stellvertretenden Mitglieds des Staatsgerichtshofs - Wahlvorschlag des Ausschusses zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs - Drs. 17/1494

Die Klingel funktioniert übrigens wieder, Herr Präsident; es sind fast alle Abgeordneten anwesend.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, bitte kommen Sie nach der lebhaften Debatte jetzt wieder zur Ruhe.

Ich begrüße zunächst - das habe ich vorhin schon inoffiziell gemacht, als sie in Begleitung der Landtagsverwaltung unterwegs waren - die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Staatsgerichtshofs, die in der Loge und zum Teil auch auf der Tribüne Platz genommen haben, um den vor uns liegenden Wahlvorgang zu verfolgen.

Mein besonders herzlicher Gruß gilt dabei Ihnen, Herr Präsident Dr. van Nieuwland, sowie den heute zur Wahl stehenden zukünftigen Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern. Seien Sie uns ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Wahl von Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Staatsgerichtshofs hat der Ausschuss zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs den Wahlvorschlag in der Drucksache 17/1494 vorgelegt.