Protocol of the Session on March 28, 2014

Ein erster Referentenentwurf, der bereits viele Elemente für ein neues NBGG enthält, liegt vor und ist dem Landesbehindertenbeirat am 14. Februar 2014 im Rahmen eines Workshops vorgestellt worden. Die Kollegin Gudrun Pieper von der CDU und ich haben als Abgeordnete an dieser für uns sehr aufschlussreichen Sitzung gemeinsam teilgenommen.

Bei diesem sehr komplexen Gesetzesvorhaben geht es u. a. aber auch um das Verfahren für die Berufung eines neuen Landesbeauftragten bzw. einer neuen Landebeauftragten für Menschen mit Behinderungen. Hier soll, ebenfalls im Sinne des Grundsatzes „Nichts über uns ohne uns!“, dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen ein Vorschlagsrecht eingeräumt werden. Dieser muss vor der Bestellung durch die Landesregierung zu dem dann vorgelegten Beschlussvorschlag Stellung nehmen.

Dieser kleine Teilbestand eines neuen NBGG ist Gegenstand des heute zu beratenden Gesetzentwurfs von SPD und Grünen. Wir wollen damit sicherstellen, dass das Verfahren zur Bestellung eines Nachfolgers von Karl Finke - unabhängig von der großen Gesetzesnovelle - nicht unter Zeitdruck gerät.

Meine Damen und Herren, Karl Finke ist unter der ersten rot-grünen Landesregierung 1990 in dieses Amt berufen worden. Er führt es jetzt seit mehr als 24 Jahren aus. Er wird gegen Ende dieses Jahres durch Erreichen der Altersgrenze - ich glaube, man darf das sagen -, also mit Vollendung des 65. Lebensjahres, ausscheiden. Karl Finke ist damit der dienstälteste und - ich füge hinzu - einer der erfahrensten und renommiertesten Beauftragten in der Republik. Viele Kolleginnen und Kollegen holen sich bei ihm Rat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Mit anderen Worten: Er hinterlässt eine gewaltige Lücke, die übergangslos geschlossen werden muss, zumal die Weiterarbeit am Aktionsplan keinen Aufschub duldet.

Für uns muss eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger selbstverständlich selbst aus dem Kreis der Betroffenen kommen. Er bzw. sie soll über langjährige Erfahrung insbesondere mit den Selbsthilfegruppen und Verbänden in diesem Bereich verfügen sowie möglichst Verwaltungserfahrung und auch politische Erfahrung mitbringen.

Inklusion ist ein dickes Brett. Dies bedeutet erhebliches Durchhaltevermögen und Durchsetzungsvermögen. Wir brauchen auch zukünftig in diesem Amt eine wirkliche Persönlichkeit.

Meine Damen und Herren, ich habe am 20. März - das ist noch gar nicht lange her - in der HAZ einen dpa-Artikel unter der Überschrift „Inklusion kaum umgesetzt“ gelesen. Darin stand u. a.:

„Die Umsetzung der Inklusion in Deutschland bleibt auch fünf Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention hinter den Erwartungen zurück.“

Und jetzt kommt es:

„Beim Thema Inklusion geht es um gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung.“

Ich habe ja viele Locken auf dem Kopf. Aber wenn ich so etwas lese, dann kräuseln sich bei mir wirklich noch zusätzlich die Nackenhaare. Das ist genau das Problem, nämlich dass wir es bis heute nicht geschafft haben, in der Bevölkerung klarzumachen, um was es beim Thema Inklusion geht. Natürlich geht es auch um Inklusion in der Schule. Aber es geht um alle gesellschaftlichen Bereiche. Das ist eine der wesentlichen Schwierigkeiten, mit denen wir es zu tun haben. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass das in der Mitte der Gesellschaft klar wird. Sonst haben wir keine Chance, gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Handicaps wirklich in allen gesellschaftlichen Bereichen durchzusetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Syl- via Bruns [FDP])

Wir wollen mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf das Verfahren zur Berufung einer Nachfolge für Karl Finke in Gang setzen. Insofern ist es außerordentlich hilfreich, dass alle Fraktionen dieses Hauses übereingekommen sind, über den Gesetzentwurf heute direkt abzustimmen, was ich hiermit formal beantrage.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend den folgenden Hinweis: Dies ist nach

gestern zum Ende des Beratungstages heute das zweite Mal, dass wir Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker fraktionsübergreifend und einmütig für eine Beschleunigung unserer parlamentarischen Abläufe sorgen. Ich finde, das muss für die anderen Fachbereiche dieses Hauses nicht abschreckend wirken, sondern kann auch als gutes Beispiel genommen werden.

In diesem Sinne wünsche ich uns schöne Osterferien.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Für die CDUFraktion hat nun Frau Kollegin Pieper das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf zum Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetz wird ein erster, sehr kleiner Schritt vollzogen, um - Uwe Schwarz hat dies schon beschrieben - nach dem Ausscheiden des Landesbehindertenbeauftragten Karl Finke keine Vakanz entstehen zu lassen, wie Uwe Schwarz auch schon betont hat. Natürlich tragen wir dies mit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte auch die CDU-Fraktion Karl Finke für seine 24-jährige Arbeit, die er als absoluter Fachmann bisher in unserem Land getätigt hat, sehr herzlich danken.

(Beifall)

Wir möchten ihm auch dafür danken, dass er die Kommission mit den Behindertenverbänden auf Landesebene einberufen und fachkundig begleitet hat. Denn es ist wichtig, gerade bei der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes auch den Fachverstand mit einzuholen.

Wie Uwe Schwarz schon berichtet hat, steht jetzt die Novellierung an. Der erste Referentenentwurf liegt vor. Wir haben am 14. Februar das Werkstattgespräch gemeinsam mit den Behindertenverbänden gehabt, um das erste Mal darüber zu beraten: Was wird verändert? Was wird nicht verändert?

Wie Sie wissen, ist es ein guter Schritt gewesen, dass wir im Jahr 2007 mit Wirkung ab dem Jahr

2008 die Grundlage dieses Gesetzes geschaffen haben. Es wurde aber relativ schnell deutlich, dass eine Überarbeitung erforderlich war. Die Behindertenverbände haben das Gesetz am Anfang unisono begrüßt. Aber sie haben nach einer Erprobung in der Praxis festgestellt, dass einige Dinge überarbeitet werden müssen. Die UN-Behindertenrechtskonvention bot eine Grundlage für die Novellierung. Ich bin froh darüber, dass wir endlich darangegangen sind. Wir wollen das Gesetz, wenn es denn von der Landesregierung vorgelegt wird, sachkundig einbringen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir müssen natürlich darüber diskutieren, was beispielsweise verändert werden soll: Soll eine staatliche Anlaufstelle geschaffen werden, ja oder nein? Oder: Sollen die Zielvereinbarungen zwischen den anerkannten Verbänden und den öffentlichen Stellen in der einen oder in der anderen Form erfolgen? Oder: Wie ist es mit der Erfüllung von Mindestbestimmungen? Oder: Wie ist es mit der Herstellung von Barrierefreiheit? Oder, oder, oder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen und hören: Hier sind Regelungen zu treffen, die uns in den nächsten Wochen und Monaten - hoffentlich in nicht zu vielen Monaten - begleiten werden. Dies wollen wir gerne mit Ihnen gemeinsam für die Menschen, für die Verbände, für alle, die daran beteiligt sind, tun. Aber bitte nicht mit einer Salamitaktik, sondern alles soll in einem gesamten Gesetzentwurf vorgelegt werden, sodass wir in der Gesamtheit darüber beraten können!

Ich möchte das aufgreifen, was Uwe Schwarz zum Schluss gesagt hat: Die Umsetzung der Inklusion ist in der Mitte der Gesellschaft noch nicht angekommen. Das kann ich unterstreichen. Ich selbst habe 1988 versucht, das Modellprojekt für die integrative Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder in meiner damaligen Kindertagesstätte, in meiner damaligen Wirkungsstätte umzusetzen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das ist ein Erfolg gewesen. Natürlich wollte man auch weitere Schritte gehen. Aber diese Schritte waren und sind noch immer beschwerlich. Denn in unseren Köpfen ist noch immer verankert - mit „wir“ meine ich nicht unbedingt uns Parlamentarier, sondern die Gesellschaft -, dass Behinderungen etwas Besonderes sind. Nein, das ist nichts Besonderes. Das ist eine Lebensform. Das ist eine

Form der Gesundheit. Wir alle sollten daran mitwirken, dass Teilhabe für jeden Menschen möglich ist. Insofern freue ich mich auf die Beratungen.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Abgeordnete Staudte das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich völlig uneingeschränkt meiner Vorrednerin und meinem Vorredner anschließen. Ich glaube, dass wir vor einer wirklich sehr großen Herausforderung stehen, auch mit der anstehenden Novelle. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir auch dann eine große Mehrheit im Parlament erreichen würden.

Heute ziehen wir nur einen Aspekt vor, nämlich dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen ein Vorschlagsrecht für die Besetzung des Amtes des Landesbeauftragten zu geben.

Ich glaube, die Tragweite des Themas der Selbstbestimmung wird einem erst dann bewusst, wenn man in der Selbstbestimmung eingeschränkt wird. Deswegen ist es ein sehr wichtiges Signal, dass der Beirat dieses Vorschlagsrecht erhalten soll.

(Unruhe)

Moment, bitte, Frau Kollegin! Sie haben es hier vorne wirklich schwer. - Ich darf Sie alle bitten, beim letzten Tagesordnungspunkt noch etwas aufmerksam zu sein. - Vielen Dank.

Vielen Dank. - Ich kann mich auf jeden Fall noch selbst verstehen, inhaltlich und akustisch.

(Heiterkeit)

Wir haben in der Arbeit mit Herrn Finke über die Jahrzehnte sehr gute Erfahrungen gemacht. Für uns ist ganz klar: Wir würden uns sehr freuen, wenn wieder jemand gefunden würde, der selbst Erfahrungen in diesem Bereich hat, weil er eine Behinderung aufweist.

Ich meine, es ist immer ausgesprochen authentisch gewesen, wie sich Herr Finke eingebracht hat: sehr engagiert und mit sehr viel Nachdruck. Auch seine unbequeme Art - das ist ja kein Geheimnis - hat wohl uns alle sehr viel weitergebracht. Wenn er beispielsweise im Zusammenhang mit dem Gesetz für die Förderung der Wohlfahrtsverbände fordert, dass diese Mittel auch an Anforderungen im Hinblick auf die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen gebunden werden müssen, dann macht das die Sache nicht einfacher, aber ist das ein ganz wichtiger Hinweis. Ich bin für solche Hinweise dankbar. Ich hoffe, dass jemand gefunden wird, der das in derselben Art fortsetzen wird.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Vielen Dank. - Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Bruns für die FDP-Fraktion. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe dem Ganzen eigentlich nichts Neues hinzuzufügen.