Frau Ministerin, ich sage Ihnen eines: Sie mögen sich ja momentan in einer Mehrheit sehen. Die Lehrer, die Eltern und die Schüler da draußen erkennen Ihre richtige Entscheidung auch an. Aber sie werden Sie trotzdem daran messen, wie Sie a) mit den Belastungen für die Gymnasien umgehen, ob sie b) die weiteren Ressourcen in Gymnasien belassen oder herausnehmen und wie sie c) diese angekündigte Reform tatsächlich umsetzen.
In der ganzen zehnminütigen Rede der Ministerin fand sich nichts Substanzielles darüber, wie die Umsetzung tatsächlich erfolgen soll, weder für die Schüler noch für die Lehrer, noch für die Eltern. Deswegen sage ich Ihnen, Frau Ministerin: Sie haben zwar noch keinen Schritt gemacht. Aber seien Sie sicher, dass wir genau darauf achten werden, wohin Sie ihren Schritt hinsetzen. Nicht mitten in die Gymnasien hinein!
Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Korter. Auch sie erhält eine zusätzliche Redezeit von 1:30 Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass die Opposition unruhig wird. Schließlich geht Ihnen ihr zentrales schulpolitisches Thema verloren. Sie wollten immer behaupten, Rot-Grün würde die Gymnasien schwächen.
Aber jetzt können Sie das nicht mehr, und das tut natürlich weh. Jetzt müssen Sie sich in der Schulpolitik neu orientieren,
Gleichwohl können Sie heute konstatieren, dass wir einen großen Schritt in Richtung nachhaltiges Lernen in Niedersachsen gehen. Diesen Schritt werden wir im Schulgesetz genau definieren. Es wäre völlig verfrüht, hier und heute schon jede Einzelheit vorzulegen, und deshalb wird die Ministerin das natürlich auch nicht tun. Wir werden einen Schulgesetzentwurf vorlegen, und dann werden sich die Verbände zu jeder Detailfrage äußern können. Wir werden die Verbandsbeteiligung so durchführen, wie sie vorgeschrieben ist und wie wir sie uns wünschen.
In der Zwischenzeit können Sie von der Opposition gerne Ihre eigenen Gesetzentwürfe vorlegen. Ich bin ganz gespannt, wie Sie sich einbringen werden.
- Herr Försterling, Sie haben gesagt, wir sollten in diesem Jahr schon anfangen. Das aber wollte keiner der Verbände. Deshalb werden wir das auch nicht umsetzen.
Wir werden den Gesetzentwurf mit einer ausreichenden Vorbereitung vorlegen und können in der Umsetzung dann alle Details klären. Alles andere wäre ein Schnellschuss, zu dem Sie uns verleiten wollen. Den Fehler, den Sie in Ihrer Regierungszeit gemacht haben, machen wir nicht.
Vielen Dank, Frau Korter. - Damit sind wir am Ende der Besprechung zu Punkt d und auch am Ende der Aktuellen Stunde. 11.00 Uhr war vorgesehen, jetzt ist es 11.57 Uhr; das noch einmal als Hinweis für die Parlamentarischen Geschäftsführer.
Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/1277
Zur Einbringung hat sich die Kollegin Miriam Staudte von Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Frau Staudte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Landesregierung hat einen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugs vorgelegt, über den wir jetzt in erster Lesung beraten. Beim Maßregelvollzug geht es um die Behandlung von psychisch kranken oder suchtkranken Straftätern. Hier besteht Regelungsbedarf, weil das Bundesverfassungsgericht im März 2011 aufgrund der Klage eines in Rheinland-Pfalz einsitzenden Patienten im Maßregelvollzug festgestellt hat, dass für den Maßregelvollzug neue Voraussetzungen geschaffen werden müssen.
Das Gericht hat ausgeführt, dass unter den bisherigen Voraussetzungen - faktisch gab es keine Regelungen - medikamentöse Zwangsbehandlungen nicht erlaubt sind, und uns aufgegeben, diese Regelungen entsprechend einzuschränken.
Darauf reagiert Niedersachsen jetzt. Da das Ganze eine sehr schwierige Materie ist, hat das einige Zeit gedauert. Auch die alte Landesregierung hatte damit schon zwei Jahre zu tun. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, solche Zwangsmedikationen stellen schwerwiegende Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit und in die Selbstbestimmung dar.
Darüber gilt es nachzudenken. Es ist in gewisser Weise paradox. Das Grundgesetz gesteht uns so etwas wie ein Recht auf Krankheit zu. Um es mit einem Beispiel aus der Somatik zu verdeutlichen: Wir können keinen Krebspatienten dazu zwingen, sich behandeln zu lassen. Das geht nicht.
Wenn es aber um psychische Krankheiten geht, ist das Ganze schon etwas schwieriger. Schließlich könnte das Recht auf Nichtbehandlung unter Um
ständen die Rechte anderer Menschen einschränken, etwa die Rechte von Mitpatienten oder Mitbewohnern, die Rechte des Personals oder die Rechte der Allgemeinheit.
Das Niedersächsische Maßregelvollzugsgesetz hat hier bisher keine konkreten Rahmenbedingungen gesetzt. Man muss davon ausgehen, dass die Zwangsmedikation nicht Ultima Ratio, sondern Prima Ratio war. Aber das können wir natürlich nicht akzeptieren.
Die Reaktionen auf das Urteil waren insofern auch sehr unterschiedlich. Sie reichten vom Beifall der Betroffenen bis zu wutentbrannten Protesten gegenüber dem Gericht.
In den Psychiatrien herrschte eine große Behandlungsunsicherheit. Man wusste nicht, ob die Zwangsbehandlung nun grundsätzlich verboten ist. Die Patienten haben den Verzicht darauf eingefordert, und in der Folge wurden viele Medikationen auch tatsächlich abgesetzt. Auf der anderen Seite stieg allerdings die Anzahl von Zwangsfixierungen - was natürlich nicht Sinn der Sache war.
Es geht jetzt also darum, die Möglichkeit zu schaffen, abzuwägen und die Verhältnismäßigkeit einer Zwangsmedikation zu prüfen. Es geht darum, dass Entscheidungsabläufe dokumentiert werden, und darum, dass intensive Gespräche mit dem Patienten selbst stattfinden. Letztlich geht es darum, seinen Willen zu erkennen und in den gesunden Phasen die Zeit zu nutzen, um das Ganze gemeinsam zu erarbeiten.
dass wir im Ausschuss sehr intensiv darüber debattieren müssen und dass wir auch eine mündliche Anhörung zu dieser Thematik brauchen. Letztendlich geht es hier auf beiden Seiten um Menschenrechte: bei den Patienten wie auch bei den anderen Betroffenen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Meine Damen und Herren, Sie wissen, wie wir zeitlich dastehen; Herr Klare als bisheriger Sitzungspräsident hat das eben deutlich gemacht. Deswegen bitte ich
die Fraktionen, ihre Redezeit auch tatsächlich einzuhalten. Wenn eine Fraktion, wie eben geschehen, freiwillig ihre Redezeit zu diesem Punkt kürzt, dann sollte sie sich auch an diese Kürzung halten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Staudte hat es eben schon ausgeführt: Mit seinen Grundsatzbeschlüssen vom März und Oktober 2011 hat das Bundesverfassungsgericht zu den rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen der Zwangsbehandlung in der psychiatrischen Unterbringung sowie zu den Grundsätzen der Unterbringung psychisch Kranker nach geltendem Recht in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg grundsätzlich Stellung genommen und dabei in seinen Entscheidungen auch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt.
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die gegen den natürlichen Willen des Betroffenen vorgenommene medizinische Zwangsbehandlung in schwerwiegender Weise in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingreift. Somit wurden die beklagten Vorschriften für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Diese Grundsatzentscheidung wirkt sich natürlich auch auf die vergleichbaren Regelungen in Niedersachsen aus.
Dennoch hält das Bundesverfassungsgericht die Zwangsmedikation nicht generell für unzulässig. Die grundsätzlich geschützte Freiheit der Krankheit könne nämlich nicht vollkommen losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Grundrechtsträgers zur freien Willensentscheidung gewichtet werden. Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, solche Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Patienten ausnahmsweise zu ermöglichen, die darauf zielen - das ist von Ihnen auch angesprochen worden -, die derzeit mangelnden tatsächlichen Voraussetzungen der freien Selbstbestimmung des Untergebrachten wiederherzustellen und den Betroffenen entlassungsfähig zu machen. Eine Zwangsbehandlung kann dabei allerdings nur im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn strenge Anforderungen an ihre Zulässigkeit beachtet werden. Diese Anforderungen müssen unbedingt in hinreichend klarer Weise gesetzlich geregelt sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist mir jedoch absolut unverständlich, dass es bis heute gedauert hat, dass die Landesregierung diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat.
Die Versorgungssituation im Maßregelvollzug - das ist Ihnen im Oktober letzten Jahres in der Ausschusssitzung sehr deutlich gesagt worden - hat sich durch die medikamentöse Nichtbehandlung von Patienten stark erschwert. Einwilligungsunfähige Patienten unterliegen massiven negativen Folgen. Nach den vorliegenden Daten ist es zu einem deutlichen Anstieg an gewalttätigen Zwischenfällen, z. B. Übergriffen auf Mitpatienten und Mitarbeiter der Einrichtungen, und zu einer erheblichen Zunahme der Anzahl von Separierungen und mechanischen Fixierungen gekommen.
Der vorliegende Gesetzentwurf mit seinen Regelungen zur Behandlung der Anlasskrankheit, zur Zulässigkeit der Behandlung der Anlasskrankheit bei einwilligungsfähigen und einwilligungsunfähigen Personen sowie seinen Vorschriften zur Behandlung in einer in der Anlasskrankheit begründeten gegenwärtigen erheblichen Gefahr und Regelungen zu sonstigen Behandlungen bewegt sich in dem vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen strengen Rahmen.
Im Rahmen der Ausschussberatungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es aus unserer Sicht aber noch einige Punkte, die es zu klären gilt:
Erstens. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht nur die Regelungen für die Zwangsbehandlung, sondern auch die für die Zwangsuntersuchungen für verfassungswidrig erklärt. Da dieser Gesetzentwurf sich bei der Behandlung Einwilligungsunfähiger nicht auch auf die Regelungen zu deren Untersuchung erstreckt, ist zu befürchten, dass die bestehenden Regelungen zur Zwangsuntersuchung Untergebrachter ebenfalls für verfassungswidrig erklärt werden.