Protocol of the Session on February 26, 2014

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir gehen über zu

c) Parteipolitik vor Rechtsstaat - Stephan Weils SPD und der Fall Edathy - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/1233

Für die antragstellende FDP-Fraktion hat sich der Kollege Dr. Birkner gemeldet. Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Maß an Selbstgefälligkeit, Arroganz und Ignoranz, das wir in den letzten Tagen in dem Fall um den SPD-Politiker Edathy über uns ergehen lassen mussten, ist kaum zu ertragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist schon ein besonderes Schauspiel: Edathy bezieht - nach dem, was bekannt geworden ist - über Jahre hinweg mehrfach von einem kanadischen Händler, der auch mit eindeutig kinderpornografischem Material gehandelt hat, Nacktbilder von Kindern und Jugendlichen.

(Björn Thümler [CDU]: Pfui!)

Keinem Menschen will im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, das seit 2011 beim BKA lief, aufgefallen sein, dass es sich bei Sebastian Edathy mit Nienburger Adresse um den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy aus Nienburg handelt - nicht beim BKA, nicht beim LKA. Erst in Nienburg geht den Beamten im Oktober 2013 ein Licht auf. Doch statt endlich dafür zu sorgen, dass die Vertraulichkeit des Verfahrens sichergestellt wird, die ja auch kein Selbstzweck ist, sondern im Sinne der Unschuldsvermutung dem Schutz des Betroffenen dient, aber auch dazu dienen soll, ungestörte Ermittlungen zu ermöglichen, gibt der damalige Bundesinnenminister Friedrich die Informationen an den SPD-Bundesvorsitzenden Gabriel weiter und begeht damit mutmaßlich einen Geheimnisverrat, weswegen er völlig zu Recht zurückgetreten ist.

Thomas Oppermann, der ebenfalls aus Niedersachsen kommende heutige SPD-Fraktionsvorsitzende, ruft sogar beim BKA-Präsidenten Zierke an - auch SPD-Mitglied -, um, folgt man Oppermanns eigenen Angaben, ein völlig sinnfreies Telefonat zu führen; denn er wollte ja eigentlich nichts Neues erfahren und nur seinen eigenen Kenntnisstand mitteilen.

(Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, wer es glaubt, wird selig! Natürlich wollte Oppermann von Zierke wissen, was dran ist an den Vorwürfen, dass der niedersächsische SPD-Hoffnungsträger in kinderpornografische Handlungen verwickelt ist. Er wollte die Regeln rechtstaatlicher Verfahren aushebeln, um eine für ihn wichtige Information zu bekommen. Deshalb muss Oppermann zurücktreten, und nicht, weil es ein absurdes Ergebnis wäre, dass ein niedersächsischer SPD-Abgeordneter Bilder nackter Kinder bezieht und ein bayerischer Unionsminister deshalb zurücktritt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Rechtsstaat hat Schaden genommen, und zwar besonders durch das großkoalitionäre Selbstverständnis. Da wird auf breiter Front, allen voran durch Sigmar Gabriel, um Verständnis für den Geheimnisverrat gebeten. Schließlich habe ja Schaden von der SPD und von der Großen Koalition abgewendet werden sollen. Damit stellt die SPD das Parteiinteresse mit einer Dreistigkeit und Selbstgefälligkeit über das Interesse an einem fairen und effektiven Strafverfahren, was einen - um es mit den Worten des Oberstaatsanwalts Fröhlich zu sagen - fassungslos macht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass sich die SPD den Staat zur Beute macht: Hier ist er geliefert worden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, was macht die Landesregierung angesichts dieser Vorgänge? - Sie taucht komplett ab. Innenminister Pistorius hätte ja nach den Maßstäben des SPD-Bundesvorsitzenden ebenfalls die SPD unterrichten müssen. Wir erwarten, dass der Innenminister hier persönlich vor diesem Parlament erklärt, was er wann gewusst hat und wem er wann was gesagt hat. Und wir wollen wissen, was der Minister eigentlich getan hat, als er dann von dem Strafverfahren erfahren hat, um die Vertraulichkeit und Effektivität des Verfahrens sicherzustellen.

Die Justizministerin, Frau Niewisch-Lennartz, ist mit der Situation offensichtlich überfordert.

(Johanne Modder [SPD] und Helge Limburg [GRÜNE] lachen)

Sie verweigert eine persönliche Unterrichtung des Rechtsausschusses, auch den Deutschen Bundestag düpiert sie, indem sie den dortigen Unterrichtungen fernbleibt. Die niedersächsische Justiz steht unter Dauerbeschuss, und die Ministerin duckt sich weg.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir erwarten, dass sie sich persönlich schützend vor die Staatsanwaltschaft stellt und dass die offenen Fragen, die sich ohne Zweifel zu dem Ermittlungsverfahren stellen, geklärt werden, dass insbesondere auch geklärt wird, wer der Informant war, von dem der SPD-Abgeordnete Bartling ja berichtet hat.

Und schließlich der Ministerpräsident: Wie glaubwürdig und lebensnah ist es, dass der SPD-Landesvorsitzende nichts weiß, während die gesamte aus Niedersachsen stammende SPD-Bundesführung und sein Innenminister informiert sind? - Erfährt ein Landesvorsitzender nichts davon, warum ein befähigter Bundestagsabgeordneter aus dem eigenen Landesverband bei Karriereplanungen nicht zum Zuge kommt? Fordert dieser Abgeordnete nicht Unterstützung für seine Karrierepläne beim Landesvorsitzenden ein? Und wie begründet der Landesvorsitzende dann, dass der Abgeordnete keine Unterstützung von ihm erhält?

Meine Damen und Herren, hierzu und zu vielen weiteren Fragen erwarten wir im Laufe dieser Sitzung unmissverständliche und umfassende Antworten der Landesregierung.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Im Wechsel der Fraktionen hat jetzt für die SPD-Fraktion der Kollege Tonne das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit ungefähr zwei Wochen hält der Vorgang um den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des mutmaßlichen Besitzes kinderpornografischen Materials Politik und Medien in Atem. Wer sich die völlig unterschiedlichen Ebenen des Vorganges anschaut, dem wird schnell klar, dass man für eine angemessene und für eine redliche Diskussion zwischen moralischen und strafrechtlichen Aspekten sehr genau trennen

muss. Genauso bedarf es einer Differenzierung, welche Entscheidung eigentlich auf welcher Ebene gefallen ist. Ist der Bund, ist das Land zuständig?

Spätestens jedoch seit letzter Woche muss jedem Beobachter der Oppositionsarbeit in Niedersachsen klar gewesen sein: Es geht Ihnen hier vor Ort kein Stück um Aufklärung. Sie haben kein Interesse an Sacharbeit.

(Angelika Jahns [CDU]: Das ist ja un- glaublich! - Christian Dürr [FDP]: In dem Fall so zu sprechen, ist unfass- bar!)

Es geht wieder einmal um - sehr geehrter Herr Birkner, das haben Sie eben gerade mit Blick auf die Landesregierung bewiesen - plumpe Verdächtigungen, Behauptungen, Vermutungen. Hauptsache, irgendwo kann ein bisschen Dreck hingeschmissen werden. Das, was Sie machen, ist unwürdig. Kommen Sie zur Sacharbeit hier im Landtag!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Worum geht es im Kern? - Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy steht im Verdacht, kinderpornografisches Material im Besitz zu haben, welches strafrechtlich relevant sein könnte. Diesen Vorwurf gilt es aufzuklären, und aufklären wird ihn unsere Justiz. Niemand sonst ist dazu berufen.

Ob in diesem Verfahren alles korrekt abgelaufen ist, ob es Fehler gegeben hat, ob es Indiskretionen gegeben hat, wird im jetzigen Verfahren überprüft. Politik und Öffentlichkeit haben bis jetzt lediglich Kenntnis von einzelnen Aspekten, ohne den gesamten Zusammenhang zu kennen. Ich finde, wir sind alle gut beraten, uns mit öffentlichen Bewertungen über die Arbeit der Behörden zurückzunehmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Justiz soll ihre Arbeit machen, und zwar ungestört von politisch motivierten Querschüssen. Die strafrechtliche Unschuldsvermutung ist ein hohes Gut, ohne Wenn und Aber. Sie ist ein Wesenselement unseres Rechtsstaates. Wir treten dafür ein, dass bis zum Nachweis der Schuld jeder als unschuldig zu gelten hat. Das gilt auch und insbesondere für Herrn Edathy. Ich sage aber auch: Nicht alles, was legal ist, ist auch gleichzeitig legitim.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Ich fühle mich in dieser Frage politisch sehr klar aufgestellt, da ich nicht will, dass Bilder von nackten Kindern und Jugendlichen erstellt werden, um selbige dann zu verkaufen und zu kaufen. So ein Verhalten kann politisch nicht akzeptiert werden. Ich hätte mir auch bei den aktuellen Pressemitteilungen von Herrn Edathy deutlich mehr Selbstreflexion seines Verhaltens gewünscht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Natürlich kann jeder und jede aufgrund dieser Situation Debattenbeiträge liefern, einbringen, was politisch geändert werden muss, einbringen, was rechtlich geändert werden soll. Wer aber vor dem Hintergrund des Falles, ohne dass er abgeschlossen ist, abschließende Bewertungen auf den Tisch legt und sagt, was wir jetzt aufgrund eines Einzelfalls strafrechtlich zwingend verändern müssen, der verkennt die schwierige rechtliche Situation, der verkennt vielfältige Abgrenzungsprobleme. Ich bin Bundesjustizminister Heiko Maas dankbar für seine angemessene und besonnene Reaktion und dafür, dass er sagt: Jetzt diskutieren und dann auf Grundlage einer Diskussion einen Vorschlag auf den Tisch legen. - Das ist ein wohltuender Gegenpol zu dem Auftreten der Opposition hier in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Um davon abzulenken, dass es in der SPD Konsequenzen geben muss!)

Kommen wir zu der Frage, wer hat mit wem kommuniziert.

(Glocke des Präsidenten)

Auf Bundesebene ist das erklärt worden. Das kann man inhaltlich völlig unterschiedlich bewerten. Die Fakten dazu sind auf dem Tisch. Auf Landesebene haben Innenminister, Justizministerin und der Ministerpräsident erklärt, wann sie Kenntnis von den Vorgängen um Herrn Edathy gehabt haben. Da gibt es nichts zu erklären.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nicht dem Parlament gegenüber! Über ihre Spre- cher!)

Was macht aber die FDP in diesem Fall? - Herr Birkner vermeldet in Pressemitteilungen, nach seiner Einschätzung widersprächen die Erklärungen der Lebenserfahrung. Sehr geehrter Herr

Birkner, mir stellt sich schon die Frage, was für eine Lebenserfahrung Sie wohl gemacht haben müssen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn das Einhalten eines Dienstgeheimnisses Ihrer Lebenserfahrung auf Landesebene widerspricht, müssen Sie in Ihrer Ministerzeit ein interessantes Verständnis gehabt haben. Das will ich Ihnen sehr deutlich sagen.