Protocol of the Session on January 22, 2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Erklärung hier abzugeben, ist im Grunde genommen völlig unnötig. Es ist nämlich - das darf man wirklich sagen - die reinste Geisterdebatte, die die verehrte Opposition heute Morgen hier im Plenum führt.

(Zuruf von der CDU: Geisterdebatte?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei meiner Russlandreise im November habe ich mich mit Oppositionellen in den Räumen der FriedrichEbert-Stifung in Moskau getroffen. Wir haben die gesellschaftliche und politische Entwicklung in Russland und die Lage der Menschenrechte intensiv erörtert. Die dabei gewonnenen Informationen habe ich in meinen Gesprächen mit Verantwortlichen der russischen Politik sehr konkret - sehr konkret, meine sehr verehrten Damen und Herren - angesprochen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dass dies so konkret Gegenstand der Gespräche gewesen ist, ist auch an der einen oder anderen Stelle nachweisbar. Ich kann insbesondere darauf verweisen, dass ich gemeinsam mit vielen anderen deutschen Politikerinnen und Politikern auf die Inhaftierung von Greenpeace-Aktivisten, auf das Unverständnis über die Härte der Sanktionen gegen Pussy Riot und auch auf das Unverständnis, das in unserer Gesellschaft völlig zu Recht gegenüber homophoben Diskussionen in Russland und an der entsprechenden Gesetzgebung herrscht, aufmerksam gemacht habe. Auch das ist selbstverständlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Insofern, lieber Kollege Toepffer, ist Ihre Kritik - nehmen Sie es mir nicht übel - einfach abwegig. Ich glaube auch nicht, dass es Ihnen an dieser Stelle in erster Linie darum geht, die Situation der bedrängten Menschen in Russland und anderen Teilen der Welt voranzubringen.

Eines lassen Sie mich noch hinzufügen: Der Abschluss dieser Reise war bewegend. Wir waren nämlich in Sankt Petersburg auf einem Friedhof, auf dem 600 000 Menschen begraben sind, die während der deutschen Belagerung verhungert sind. Dass wir uns vor diesem Hintergrund gerade als Deutsche Mühe geben, mit Respekt und so aufzutreten, dass wir deutlich sind, aber auch zum Ausdruck bringen, dass wir vor den Menschen in Russland Respekt haben - auch das ist die selbstverständliche Haltung der Niedersächsischen Landesregierung.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist ein völlig neues Interesse an den Menschenrechten, das Ihre Fraktion hier zum Ausdruck bringt. Zahlreiche Flüchtlinge in Niedersachsen hätten sich gefreut, hätten Sie diese Sensibilität schon in den vergangenen Jahren gehabt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist auch eine völlig neue Russlandpolitik, die Sie an dieser Stelle Platz greifen lassen. Ich war nicht der erste niedersächsische Regierungsvertreter, der in den vergangenen Jahren in Russland war. Herr Wulff war da. Herr Landtagspräsident

Busemann war da. Herr Ehlen war viermal da. Frau Heister-Neumann war da. Herr Hirche war viermal da. Herr Bode war da. Sogar Herr Schünemann war da, meine sehr verehrten Damen und Herren. Von keinem ist überliefert, dass sie dort mit irgendwelchen Worten der machtvollen Kritik hervorgetreten wären. Von keinem, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist die neue Politik bei Ihnen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zwei kurze Bemerkungen noch. Sie können sich selbst überzeugen: In der niedersächsischen Wirtschaft ist Ihr Versuch, diese Auslandsreisen zu diskreditieren, mit völligem Unverständnis aufgenommen worden. Mit völligem Unverständnis! Das wird Sie nicht sonderlich interessieren, aber ich wollte es Ihnen gesagt haben: In der Wirtschaft versteht Ihre Haltung kein Mensch.

Abschließend will ich Folgendes sagen: In Sachen Menschenrechte, meine sehr verehrten Damen und Herren - nicht historisch und nicht aktuell -, muss sich kein anständiger Sozialdemokrat von Ihnen belehren lassen.

Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Weil. - Meine Damen und Herren, damit können wir die Besprechung des Tagesordnungspunktes 2 a schließen.

Wir wenden uns jetzt dem nächsten Tagesordnungspunkt zu:

b) Endlich: Gute Ganztagsschulen in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 17/1136

Hierzu gibt es eine Wortmeldung des Kollegen Poppe. Herr Poppe, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gute Ganztagsschulen - das wird ein Markenzeichen der rot-grünen Bildungspolitik. Dieses Markenzeichen ist es auch wert, genauer vorgestellt zu werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ganztagsschule - das wissen alle, die sich als Pädagogen mit diesem Thema auseinandergesetzt haben - ist mehr als ein Schild an der Tür. Ganztagsschule ist auch mehr als nur Unterricht am Vormittag und ein bisschen Betreuung am Nachmittag. Nein, Ganztagsschule umfasst mehr, bedeutet ein erweitertes Bild von einer Schule als Haus des Lernens. Das ist inzwischen sogar weitgehend unstrittig und wird von immer mehr Eltern und Schulen landauf, landab angenommen und gefordert.

Aber all diese sehr einfachen Erkenntnisse waren für die Landtagsfraktionen von CDU und FDP und offenbar auch für die CDU-Kultusminister der jüngeren Vergangenheit entweder unbekannt oder irrelevant.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben die Schulen zehn Jahre lang völlig allein gelassen, ihnen nur eine Minimalausstattung zugebilligt. Sie haben, wenn man sich die Entwicklung ansieht, offenbar vor allem danach geschielt, für möglichst viele Schulen die Bundesmittel aus dem Ganztagsschulprogramm für Backsteine und Beton zu verwenden, ohne für die Personalausstattung angemessen zahlen zu müssen. Sie haben die Schulen damit in eine Situation gebracht, die eine pädagogische Durchstrukturierung des Tagesablaufs faktisch unmöglich gemacht hat.

Die Unterfinanzierung hat dazu geführt, dass in hoher Zahl rechtlich problematische und prekäre Arbeitsverhältnisse zustande gekommen sind. Dass sich im Kultusministerium Staatsanwaltschaft, Zoll und Rentenversicherung die Klinke in die Hand gegeben haben, ist eigentlich schon ein Skandal für sich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun ist das Aufräumen bekanntlich viel mühsamer und langwieriger, als Chaos zu produzieren. Aber genau das hat sich Rot-Grün in Niedersachsen vorgenommen: aufräumen und neu aufbauen. - Der erste Schritt ist bereits getan. Über die Altfälle der Honorarverträge hat es eine Einigung mit der Rentenversicherung gegeben.

Mit dem Schuljahr 2014/2015 folgt nun der zweite Schritt, beginnt endlich eine neue Ära des Ganztagsunterrichts in Niedersachsen, eine Ära unter

rot-grüner Verantwortung, die endlich, endlich rechtlich abgesicherte, finanziell verlässliche und organisatorisch flexible Verhältnisse mit sich bringt.

(Beifall bei der SPD)

Als SPD-Fraktion haben wir dazu sehr klare Vorstellungen, von denen wir wissen, dass sie entsprechend der Koalitionsvereinbarung auch von der grünen Fraktion geteilt werden. Ein neuer Ganztagserlass, der in Arbeit und fast fertiggestellt ist, wird sich - da bin ich sehr sicher - an diesen Zielvorstellungen orientieren.

Was sind die Merkmale? - Ich will acht Punkte nennen:

Erstens. Die Schule, die ein gutes, von vielen angenommenes Angebot hat, soll belohnt werden. Daher soll umgesteuert werden von einem Klassenzuschlag auf einen Teilnehmerzuschlag.

Zweitens. Gefördert werden soll ein ganzheitliches Ganztagsangebot, das die Schule - ich erwähnte es - wirklich als Haus des Lernens erkennbar macht, das die Angebote auch über den ganzen Tag verteilt.

Drittens. Damit einher geht eine Veränderung der Lern- und Lehrkultur. Ein besserer Umgang mit der Heterogenität, der Vielfalt der Schülerschaft wird möglich.

Viertens. Zwingend dazu gehören ein warmes Mittagessen und eine vernünftige Verteilung der notwendigen Pausenzeiten.

Fünftens. In eine solche Rhythmisierung des Tagesablaufs gehört auch Zeit für freie Gestaltung, gehören auch Lern- und Übungszeiten.

Sechstens. Wir stellen uns eine sehr flexible Ausgestaltung des Ganztags vor, um den Elternwillen berücksichtigen zu können. Das betrifft auch die Frage der offenen, der teilgebundenen und der gebundenen Ausgestaltung. Es sollte möglich sein, neue Konzepte in Ruhe zu erproben.

Siebtens. Die Sorgen bisheriger Kooperationspartner nehmen wir ernst. Kooperationsverträge werden weiterhin möglich sein.

Achtens. Gegenüber dem gegenwärtigen Stand soll keine Schule schlechter gestellt werden, auch nicht bei bisher geringen Teilnehmerzahlen. Alle sollen die Gelegenheit bekommen, sich an die neuen Standards zu gewöhnen.

Meine Damen und Herren, das ist eine enorme logistische und pädagogische Herausforderung,

die wir mit hohem Mitteleinsatz vollziehen. Das wurde bei den Haushaltsberatungen deutlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

260 Millionen Euro in vier Jahren! Das zeigt: Dies ist wirklich ein Paradigmenwechsel, der erste Beleg dafür, dass die Zukunftsoffensive Bildung greift. Die SPD-Fraktion ist überzeugt: Das wird eine Erfolgsgeschichte und ist eine große Chance für alle Schulformen.

Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Poppe. - Als Nächster hat sich für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Kai Seefried gemeldet. Herr Seefried, bitte sehr, Sie haben das Wort.