Protocol of the Session on December 10, 2013

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf mit den beschlossenen Änderungen zustimmen möchte, der möge aufstehen. - Die Gegenprobe! Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Niemand enthält sich. Damit war das Erste die Mehrheit.

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über den nach § 23 Abs. 1 Satz 2 GO LT in die Beratung einbezogenen Antrag. Wer den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 17/1012 annehmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Zweite war die Mehrheit. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir haben somit den Tagesordnungspunkt 4 abgewickelt.

Die Tagesordnungspunkte 5 und 6 rufe ich vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratung: Ärztliche Versorgung auf dem Lande auch in der Zukunft sicherstellen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/162 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/991

Tagesordnungspunkt 6: Abschließende Beratung: Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen für eine wohnortnahe, leistungsfähige und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/828 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/932

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der Fraktion der CDU in geänderter Fassung anzunehmen und den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Mir liegt eine erste Wortmeldung der Abgeordneten Dr. Thela Wernstedt von der Fraktion der SPD vor. Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der politische Leitgedanke für die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung in unserem schönen Flächenland Niedersachsen muss es sein, über die üblichen eingefahrenen Denkmuster und Entscheidungswege hinauszugehen. Dies zu tun, ist ohnehin vornehmste Aufgabe fortschrittlicher Politik.

Zu diesen eingefahrenen Denkmustern zählt die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung, die antizipierte Weisheit von Selbstverwaltung, Krankenkassen, Interessenverbänden und Kammern, in deren Entscheidungen sich die Kommunen und das Land nicht einzumischen haben, und das Dogma des freien Berufs Arzt, das selbstverständlich im niedergelassenen Bereich besonders heilig ist.

Ich will nicht mehr in die Einzelheiten des CDUAntrags zur hausärztlichen Versorgung einsteigen, weil die Vorschläge zu kleinschrittig und kurzsichtig waren.

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Ach was!)

Was meint es, über ambulante und stationäre Grenzen hinaus zu denken, für Niedersachsen? - In einem Flächenland, in dem es für junge Ärztinnen und Ärzte zunehmend unattraktiv wird, in Re

gionen zu ziehen, deren Bevölkerung weniger wird, muss z. B. darüber nachgedacht werden, dass Krankenhausambulanzen fachärztliche Betreuung für ambulante Patienten übernehmen können. Es sollten mehr Praxen für den hausärztlichen Notdienst an Krankenhäusern eingerichtet werden. Es sollte eine enge organisatorische Verzahnung des hausärztlichen Notdienstes mit dem Rettungsdienst geben. Auch im Normalfall sind erfahrungsgemäß mehr als die Hälfte der Rettungseinsätze mit NEF oder Hubschrauber eigentlich Einsätze, die der hausärztliche Notdienst hätte behandeln sollen.

Unter der aktuellen Entwicklung, dass die Notdienstbereiche größer geworden sind und damit Wartezeiten für Patientinnen und Patienten noch länger werden, steigt der Anteil der Einsätze, die der Rettungsdienst übernimmt. Dies kann man durch eine gemeinsame Leitstelle und bessere Absprachen entzerren und optimieren.

In den bereits von der alten Landesregierung geförderten und durch die neue rot-grüne Regierung erweiterten Gesundheitsregionen besteht nun die Chance, dass sich Leistungserbringer, Verbände, Krankenkassen und die Kommunen an einen Tisch setzen und gemeinsam regionale Lösungen für vorhandene oder zukünftige Probleme bei der medizinischen Versorgung besprechen und lösen. In den bereits in der letzten Wahlperiode geförderten Gesundheitsregionen gab es einige AhaErlebnisse bei den Beteiligten, weil sie manches Problem erst im Gespräch erkannt haben.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Es haben sich aber auch Grenzen aufgetan. Die Gelder sind bereits an handelnde Leistungserbringer und Interessengruppen verteilt. Umverteilung bedeutet immer Auseinandersetzung. Darum wird es auch bei den Delegationsmodellen gehen. Es ist schon längst nicht mehr die Frage, ob definierte ärztliche Tätigkeiten an besonders geschulte und ausgebildete Personen delegiert werden. Das hat die Bundesärztekammer längst zugesagt und der Bundestag verabschiedet. Jetzt kommt es darauf an, regional angepasste Delegationsmodelle anzuwenden. Wir wollen uns dabei nicht nur auf das Modell Niedersachsen festlegen, indem Praxisangestellte ausgeschickt werden, sondern wollen auch Pflegediensten die Möglichkeit geben - wie im Modell AGnES aus Mecklenburg-Vorpommern -, an diesen Delegationen teilzunehmen. Hier wird es zu Auseinandersetzungen in der Regelfi

nanzierung kommen; denn die niedergelassenen Ärzte werden argumentieren, dass das Geld in der Praxis bleiben muss und dass keine Pflegedienste davon profitieren dürfen. Die Krankenkassen werden dagegenhalten, dass sie keinesfalls zusätzliches Geld aufwenden können.

Diese Auseinandersetzung müssen wir führen. Daran können sich die Kommunen als Moderatoren im Rahmen der Gesundheitsregionen beteiligen. Es wird zwar schönere Aufgaben für Landräte geben, als sich in diese finanziellen Auseinandersetzungen mit den eingespielten Playern im Gesundheitswesen zu begeben. Aber gerade das ist notwendig und ein neuer Schritt.

Die einseitige Betonung des Modells MoNi aus dem CDU-Hausärzteantrag bleibt kleinmütig in den üblichen Grenzen und versucht, niemandem wehzutun. Neues schafft man damit nicht.

(Beifall bei der SPD)

Mit einer Studie analog zu Mecklenburg-Vorpommern fordern wir die Landesregierung auf, sich einen Überblick zu verschaffen, welche Anfahrzeiten schon heute im ländlichen Raum mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu den verschiedenen Haus- und Fachärzten zu bewältigen sind. Hier sollten auch Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung Eingang finden, damit die Regionen rechtzeitig neue Mobilitätskonzepte planen können. Die KV ist gefordert, mit Krankenhausträgern zu überlegen, ob ein Krankenhaus einen fachärztlichen Dienst übernehmen kann.

Die KV ist ohnehin ein wichtiger Partner in den Fragen einer regional angepassten medizinischen Versorgung. Sie hat den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag, die ärztliche Versorgung der Bevölkerung ambulant zu gewährleisten.

Wir wissen alle - auch die KV -, dass in einem Land mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung wie der Bundesrepublik niemand gezwungen werden kann, einen Beruf an einem Ort auszuüben, an den er partout nicht will. Die KV hat längst erkannt, dass sie Schwierigkeiten hat, ihren Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Dieser Vertrag diente jahrelang dazu, die Machtbasis der niedergelassenen Ärzte zu stärken und auszubauen. Das Dogma des freien Berufs, der Ärzten völlig unabhängig von gesellschaftlichen Vorgaben die Berufsausübung und die Einzelentscheidung am Patienten ermöglicht, war lange das ideologische Fundament, um insbesondere den öffentlichen Gesund

heitsdienst zu diskreditieren und in seinen Aufgaben zu beschneiden.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wer sagt das denn?)

Es wurde das Bild des aufopferungsvollen, einsamen, in eigener Praxis tätigen Landarztes gepflegt. Man sieht ihn förmlich immer noch mit der Kutsche nachts über Land fahren.

(Beifall bei der SPD)

Auch hier müssen alte Denkmuster und Wertvorstellungen über Bord. Es braucht mehr angestellte Ärzte auch als Hausärzte ohne die finanzielle langfristige Bindung und räumliche Festlegung durch einen Praxiskauf. Hier ist die KV im Emsland bereits mit einem guten Beispiel vorangegangen und hat selbst eine Praxis eingerichtet.

Bei der Frage, wie wir die Entscheidungen junger Ärztinnen und Ärzte in Richtung Allgemeinmedizin und in die Fläche lenken können, kann eine Antwort sein, dass sie sich eben nicht für den Rest des Lebens an einen Ort binden, der ihnen nicht zu 100 % gefällt, sondern vielleicht nur für zwei oder drei Jahre, bis der Vertrag endet. Dann haben sie gerade nicht einen Millionenbetrag an Schulden für Praxiskauf, Renovierung und Geräteneuanschaffung am Hals, sondern einfach einen Vertrag, der ausläuft.

Wenn wir also ein Problem darin sehen, dass junge Leute nicht als Hausärzte aufs Land wollen, dann müssen wir auch die Bedingungen ansehen, in denen sich die Entscheidungen vollziehen. Es ist fantasielos und halbherzig, dem Land Niedersachsen eine Dauerförderung für junge Hausärztinnen und Hausärzte abzuverlangen. Das kann in einzelnen Fällen für eine Kommune eine zusätzliche Hilfe sein, ist aber nicht die einzige Antwort auf strukturelle Probleme.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben mit unserem Änderungsantrag zur Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung auf dem Lande und unserem eigenen Antrag zur Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen eine Fülle von Aufträgen für die Landesregierung benannt, die zur Sicherstellung der medizinischen, d. h. der ärztlichen und pflegerischen Versorgung dienen. Wir halten eine Neuentwicklung der Versorgung im Rahmen der Gesundheitsregionen für notwendig, die alte Grenzen überwindet. Wir beauftragen die Landesregierung ebenso, Fragen der Aus- und

Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte zu Allgemeinmedizinern bei der Ärztekammer Niedersachsen und den medizinischen Fakultäten kritisch zu begleiten.

In den kommenden Jahren der Wahlperiode sollten diese Fragestellungen mit frischem Mut gemeinsam angegangen werden, damit wir eine gute medizinische Versorgung auch in Zukunft sicherstellen können.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Böhlke das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße, dass endlich der Antrag der CDU-Fraktion aus dem Mai dieses Jahres „Ärztliche Versorgung auf dem Lande auch in der Zukunft sicherstellen“ zusammen mit dem rotgrünen Antrag zu dem Thema „Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen“, der erst im Oktober 2013 gestellt wurde,

(Uwe Schwarz [SPD]: Deutlich schnel- ler als bei euch!)

noch in diesem Jahr zur abschließenden Beratung und Entscheidung auf der Tagesordnung stehen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Darauf haben wir zwei Jahre gewartet!)

Die Sicherstellung der medizinischen bzw. ärztlichen Versorgung muss stets als sozialpolitisches Thema im Mittelpunkt unserer aktuellen Arbeit stehen. Besonders die Menschen in den ländlichen Regionen erwarten von uns, dass wir nicht nur diese Thematik regelmäßig diskutieren, sondern dass im Anschluss auch handfeste Verbesserungen entstehen.

In diesem Zusammenhang sind auch die Probleme und die damit verbundenen Sorgen einer angemessenen wohnortnahen Krankenhausversorgung zu beachten; denn die Gefahr der in der Öffentlichkeit bereits diskutierten abstrakten Aufgabe von Krankenhausstandorten in Niedersachsen stellt für die Sicherstellung einer optimalen stationären medizinischen Versorgung insbesondere im ländlichen Bereich schon heute eine große Herausforderung dar.

So kommt eines zum anderen. Schließlich muss man feststellen: Schließt der Hausarzt seine Praxis, hat das vor Ort auch Auswirkungen auf die Apotheke. Wir wissen von den Standesvertretern, dass nicht nur Arztpraxen, wenn sie geschlossen werden, nicht mehr aufrechterhalten werden können, sondern dass dann auch Apotheken im Ort schließen und dass dadurch der ländliche Raum insgesamt spürbare Nachteile erfährt.

(Zustimmung bei der CDU)

Uns allen steht klar vor Augen: Es besteht aktueller Handlungsbedarf. Der kommunale Spitzenverband, der insbesondere die kleinen ländlichen Kommunen in unserem Land vertritt, der Städte- und Gemeindebund, erinnert in seinen Publikationen häufig daran, dass die Landespolitik gemeinsam mit anderen Akteuren hierauf überzeugend reagieren muss. Es muss verhindert werden, dass der letzte örtliche Mediziner - so der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund - trotz großer Patientennachfrage seine Praxis schließt, weil kein Nachfolger bereitsteht.

Neben der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer sehen wir auch hier die Gesundheitsministerin des Landes Niedersachsen in der Pflicht. Verehrte Frau Ministerin Rundt, die Thematik der ärztlichen Versorgung auf dem Land hat den gleichen bedeutenden Stellenwert wie das Thema Pflege oder auch das Thema Krankenhausplanung.