Protocol of the Session on October 31, 2013

Der Antrag wird vom Abgeordneten Janßen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht. Herr Janßen, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Rund 60 % des Grundwassers in Niedersachsen sind in einem schlechten Zustand und durch zu hohe Nitratwerte belastet. Vor allem in Regionen mit hoher Viehdichte steigen sie im oberflächennahen Grundwasser weiter an.

Die Europäische Kommission hat der Bundesrepublik gerade attestiert, nach Malta die meisten Grundwassermesspunkte mit Überschreitungen des Nitratwertes zu haben. Deutschland zeigt deutlich häufiger Messungen mit erhöhten Werten als etwa Dänemark oder die Niederlande, die ähnlich starke Viehdichten haben wie Niedersachsen in Teilbereichen.

Meine Damen und Herren, fahren wir so fort wie bisher, werden wir zukünftig unser Grundwasser in vielen Regionen Niedersachsens nicht mehr als Trinkwasser nutzen können. Davon ist aufgrund der aktuellen Situation auszugehen. Dieser Zustand ist schlicht nicht hinnehmbar.

Die Kontrolle der Düngerstoffströme muss künftig sicherstellen, dass auf landwirtschaftlichen Flächen nicht mehr Dünger aufgebracht wird, als nach der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft zulässig ist. Die Einführung der Meldepflicht des abgebenden Betriebs unter Schwarz-Gelb war ein erster Schritt dazu. Er ist alleine aber nicht ausreichend; denn diese Meldeverordnung erfasst nur die überbetrieblichen Stoffströme, und das auch nur unzureichend. Es ist nämlich nicht so, dass der aufnehmende Betrieb eine Kontrollmeldung abgeben muss. Dementsprechend kann kein Abgleich erfolgen.

Insbesondere mangelt es an Folgendem: Ob die Flächen eines Landwirtes ausreichend sind, um die in dem Betrieb anfallenden Düngermengen aufnehmen zu können, und ob der Wirtschaftsdünger von einem Betrieb tatsächlich in der Menge abgegeben wird, in der dieser Dünger aufgrund der Flächenausstattung hätte abgegeben werden

müssen, bleibt unbekannt. Damit haben wir letztendlich die Situation, dass wir dies auch nicht kontrollieren können. Das wollen wir ändern. Dazu haben wir diesen Antrag eingebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen eine lückenlose Erfassung der Transportkette aller Düngermittel, eben auch mit der Kontrollmeldung des aufnehmenden Betriebes oder eines Zwischenhändlers. Zudem brauchen wir einen Abgleich der Tierzahlen eines Betriebes mit der Flächenausstattung eines Betriebes. Haben wir beides, ist aus dem Abgleich erkennbar, in welchem Umfang Düngestoffe abgegeben werden müssen oder aufgenommen werden können.

Eine Kontrolle der Gärreste aus Biogasanlagen ist aufgrund ihres mittlerweile hohen Umfangs gleichfalls erforderlich.

Meine Damen und Herren, uns liegt an einer möglichst unbürokratischen Lösung, die den Aufwand für die praktizierenden Landwirte so gering wie möglich hält. Ein automatisiertes Verfahren, das auf vorhandene Daten wie z. B. die Meldungen der Tierzahlen an die Tierseuchenkasse und die Erfassung der Flächenausstattung über die EU-Meldung zurückgreift, wäre sicher mit dem geringsten Aufwand für den einzelnen Landwirt verbunden und würde auch den automatischen Abgleich ermöglichen. Wenn das allerdings aus Gründen des Datenschutzes nicht geht, muss nach anderen praktikablen Lösungen gesucht werden wie z. B. die Einbeziehung der Baugenehmigungsbehörden und der Landwirtschaftskammer im Einzelfall.

Eines ist klar: Wie auch immer wir dies regeln wollen, eine weitere Überdüngung der Böden können wir uns zum Schutz des Grund- und Oberflächenwassers nicht leisten. Deshalb brauchen wir diesen Datenabgleich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Die dargestellten Ziele und Maßnahmen sind unerlässlich, um das Ziel des Grundwasserschutzes tatsächlich zu erreichen. Aber sie allein werden nicht ausreichen. Auch beim Düngerecht des Bundes muss nachgesteuert werden. Alle organischen Stoffe, die als Dünger eingesetzt werden - egal, ob Gülle, Mist, Gärreste aus Biogasanlagen, Kompost oder Klärschlamm -, müssen in gleicher Weise berücksichtigt werden. Die Sperrfristen für die Ausbringung von Dünger müssen entsprechend dem tatsächlichen Pflanzenbedarf angepasst werden. Alle Betriebe, in denen organische Düngestof

fe anfallen, müssen endlich eine echte Hoftorbilanz erstellen, auch Biogasbetriebe und flächenlose gewerbliche Tierhaltungsanlagen. Hierzu sind bundesgesetzliche Regelungen wie in der Düngeverordnung und im Düngegesetz zu ändern.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Lassen Sie uns die möglichen Schritte hier in Niedersachsen gemeinsam gehen, damit wir möglichst zu einer vernünftigen Nährstoffversorgung landwirtschaftlicher Nutzflächen kommen und gleichzeitig Grund- und Oberflächenwasser bestmöglich schützen! Lassen Sie uns gemeinsam im Bund auf eine Änderung des Düngerechts hinwirken!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Janßen. - Es liegt eine weitere Wortmeldung vor, und zwar von Herrn Dr. DenekeJöhrens von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Janßen, Grundwasser und Boden schützen - selbstverständlich. Da haben Sie uns nicht nur an Ihrer Seite, sondern da haben wir, wie Sie es schon beschrieben haben, bereits vorgearbeitet. Mit der Niedersächsischen Verordnung über Meldepflichten in Bezug auf Wirtschaftsdünger aus dem vergangenen Jahr haben wir ein hervorragendes Instrument eingeführt.

(Beifall bei der CDU)

Ihr Minister Meyer hat ja die Daten mit dem niedersächsischen Nährstoffbericht in der vergangenen Woche vorgestellt. Ich zitiere die Homepage des ML:

„Niedersachsen ist deutschlandweit Vorreiter und legt als erstes Bundesland eine umfassende Dokumentation der Nährstoffkreislaufwirtschaft vor. Der im Auftrag des niedersächsischen Landwirtschaftsministerium von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen erstellte ‚Nährstoffbericht 2012/2013’ verschafft erstmals eine Übersicht darüber, wo wie viel Wirtschaftsdünger und Gärreste erzeugt und ausgebracht werden. ‚Das ist eine in dieser Form noch nie da gewesene umfassende Bestandsaufnahme der Nähr

stoffströme’, lobte Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer die Autoren der Untersuchung.“

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Schöne Grüße an Gert Lindemann!)

Meine Damen und Herren, leider hat er sich nach der Vorstellung des Berichts nicht die Zeit für eine lösungsorientierte Analyse oder gar für eine Diskussion genommen. Er hat seine Mitarbeiter sprechen lassen. Obwohl der Dialog angekündigt war, endete dann der Auftritt des Ministers bei der Vorstellung des Nährstoffberichts nach 20 Minuten, und er entschwand - und das bei diesem politisch so wichtigen Thema, wie auch Sie es eben angemerkt haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es wirft schon Fragen auf, warum die Regierungsfraktionen ausgerechnet einen Tag vor der Bekanntgabe des Nährstoffberichts die Einführung eines Düngekatasters fordern und dies dann mit veralteten Zahlen der Tierseuchenkasse aus 2011 hinterlegen.

Herr Janßen, ich habe mich eigentlich über Ihren Beitrag sehr gefreut, weil er, so fand ich, näher an unseren Vorstellungen ist als das, was Sie aufgeschrieben haben. Was Sie aufgeschrieben haben, war nämlich sehr bürokratisch und technokratisch. Sie haben hier gesagt, Sie sind an einem unbürokratischen Verfahren interessiert. Das entspricht zwar nicht dem, was Sie aufgeschrieben haben, aber es weckt in mir die Hoffnung, dass wir in vielen Punkten vielleicht doch zusammenkommen.

Sie sagen, Sie wollen das Management und die Kontrolle über die Verbringung des Wirtschaftsdüngers und der Gärreste neu regeln. Aber durch das, was Sie und der Minister schreiben und auch sagen, drängt sich bei den betroffenen Landwirten leider der Verdacht auf, dass Sie in Wahrheit gar kein Nährstoffmanagement wollen. Man unterstellt, dass Sie über zusätzliche bürokratische Hürden Druck auf die tierhaltenden Betriebe ausüben und auf diesem Weg Tierbestände reduzieren wollen. Ich habe eben Ihren Ausführungen entnehmen können, dass das nicht so ist. Ich hoffe, dass das stimmt. Noch mehr Kontrolle und Repression ist das, was draußen empfunden wird.

In Ihrem Antrag bleiben Sie leider praktikable Lösungen schuldig. Dabei gibt es einen einfachen Weg auf der vorhandenen Datenbasis, wie z. B. die Pressemitteilung des agrarpolitischen Spre

chers unserer Fraktion, Helmut Dammann-Tamke, zeigt. Er sagt:

„Der Bericht macht die ungleiche Nährstoffverteilung in Niedersachsen deutlich. Während in manchen Landkreisen erheblicher Nährstoffüberschuss aus tierischer Erzeugung herrscht, fällt in anderen Regionen kaum organischer Dünger an, im Gegenteil: Hier sind Landwirte auf den Zukauf von Mineraldünger angewiesen, um den Nährstoffentzug durch die Pflanzen auszugleichen. Wir benötigen daher schnell unbürokratische Lösungen, um die Nährstoffkreisläufe niedersachsenweit gemeinsam mit den Landwirten zu schließen.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für Landwirte sind Wirtschaftsdünger und Gärreste wertvolle Güter, die in einer Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle spielen können. Wenn beispielsweise ein südniedersächsischer Landwirt seinen Weizen nach Südoldenburg in einen Schweine- oder Hühnermagen exportiert, dann gehört in einer Kreislaufwirtschaft die Rückführung der Nährstoffe als Wirtschaftsdünger zurück auf den Acker in das System.

(Beifall bei der CDU)

Genauso dürfte unbestritten sein, dass die einer benachbarten Biogasanlage zugeführten Nährstoffe über die Gärresteausbringung wieder der Anbaufläche zugeführt werden. Also auch insoweit stimmen wir überein. Wir müssen flächenbezogen arbeiten.

Das ist gängige Praxis, Herr Janßen, und das sollte von allen Beteiligten, insbesondere von den betroffenen Landwirten, aber auch der Politik und den Aufsichtsbehören gefördert und unterstützt werden. Ich sage Ihnen aus der Praxis: Es wird bereits heute dokumentiert. Wir haben mit der Düngeverordnung und der niedersächsischen Meldeverordnung gute Instrumente. Nichts spricht dagegen, sie weiterzuentwickeln. Da sind wir d’accord.

Sie sollten sich einmal die Aufzeichnungen der Landwirte anschauen. Gehen Sie einmal zu Herrn Grupe! - Zu mir müssen Sie jetzt nicht kommen; aber Herr Grupe zeigt Ihnen das vielleicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Instrumente, die vorliegen, können Sie verschärfen und anpassen. Auch da sind wir gar nicht

auseinander. Zu glauben, dass man hinsichtlich derjenigen, die sich nicht an die Regeln halten, durch ein weiteres Instrument wie ein flächenscharfes Düngekataster Lücken schließen könnte, ist allerdings falsch und zu kurz gesprungen. Wer betrügen will, kann es auch mit Datenfriedhöfen wie einem Dünge- oder Güllekataster. Dann macht man eben einmal mehr falsche Angaben. Hier können nur Kontrollen und Sanktionen helfen. Das ist richtig. Kontrollen müssen durchgeführt werden. Sie werden aber auch schon durchgeführt. Auch da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu.

Meine Damen und Herren, jeder Landwirt wird Ihnen zugestehen, dass zuvorderst das Trinkwasser geschützt werden muss. Aber das schaffen Sie nicht allein mit den in Ihrem Antrag genannten Auflagen und Überwachungen und Nachweisen und Verträgen und Meldepflichten und Meldefristen und Verordnungen und Evaluierungen und Harmonisierungen verschiedener Verordnungen und Kontrollen von Vorgaben und Sanktionierungen von Verstößen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: So laufen dem Minister die Bauern weg. Viele Landwirte benötigen Unterstützung für die Organisation von Transport und Handel mit Wirtschaftsdünger. Das müssen wir berücksichtigen. Dafür müssen wir Lösungen schaffen.

(Glocke des Präsidenten)

Unterstützen Sie z. B. mit uns die Gülleverbringungsgenossenschaften! Es sind gerade die kleinen bäuerlichen Betriebe, die Sie ja ausdrücklich erhalten wollen, die hier auf Hilfe angewiesen sind. Wir als Politik müssen dafür werben, die Nährstoffproblematik in den viehstarken Regionen zu lösen. Das gelingt nicht, wenn wir Nährstoffe verteufeln und brandmarken. Sie sind nicht generell schlecht, sondern haben im Gegenteil in der Kreislaufwirtschaft einen hohen Wert.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, wir brauchen Akzeptanz für Wirtschaftsdünger in Ackerbauregionen. Dazu muss der Wert der Wirtschaftsdünger in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft herausgearbeitet werden.

(Glocke des Präsidenten)

Diese Akzeptanz von Wirtschaftsdüngern muss durch eine Düngeberatung analog zur Wasserschutzgebietsberatung gefördert werden.