Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Holtz, das ist in der Diskussion um das Projekt A 7 sehr deutlich geworden, bei dem sich die mittelständische Bauwirtschaft geschlossen gemeldet und gesagt hat, sie lehnt ÖPP ab.
Wenn wir in den Ausbau von Infrastruktur investieren, dann sind das immer auch Konjunkturmaßnahmen, weil daraus gesicherte Beschäftigung generiert wird. Wenn das über die klassische Form der Ausschreibung läuft, kann sich die mittelständische Wirtschaft daran beteiligen, weil sie das Segment, das ausgeschrieben wird, selbst bzw. im Rahmen einer ARGE umsetzen kann. Im Fall einer
Konzessionsvergabe ist das anders. Wir sehen bei dem Thema ÖPP A 7, dass ein französischer Konzern den Auftrag übernimmt. Dadurch wird unsere mittelständische Wirtschaft sozusagen zum Dienstleister, ist also nicht mehr in der Lage, eigene Projekte durch eigene Ausschreibung im Wettbewerb zu gewinnen. Es ist sogar noch nicht einmal klar, dass unsere mittelständische Wirtschaft überhaupt zum Zuge kommt, weil am Ende das Konsortium entscheidet.
Deswegen ist ÖPP aus Sicht der mittelständischen Wirtschaft etwas, was absolut negativ sein kann und an vielen Stellen auch sein wird, und deswegen müssen wir auch aus wirtschaftlichen Gründen - also nicht nur aus verkehrspolitischen Gründen - das Ziel haben, dass solche Ausschreibungen so gestaltet werden, dass unsere Wirtschaft, unsere Beschäftigten, unsere Unternehmen auch eine Chance haben, daran zu partizipieren.
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, zu der Dringlichen Anfrage zum Thema A 1 liegen mir keine weiteren Zusatzfragen vor.
b) Verschwieg der Innenminister die Erkenntnisse aus Nordrhein-Westfalen zu Anis Amri? - Hätte der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin verhindert werden können? - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/8729
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Medienberichten sollen sowohl dem Sender rbb als auch der Berliner Morgenpost ein 120-seitiges Dokument einer polizeiinternen Kommission zur Nacharbeitung der Terrortat von Anis Amri vorliegen. Nach dem Bericht sollen nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt Standardmaßnahmen bei Terroranschlägen erst drei Stunden später eingeleitet worden sein.
Nach einem Artikel der Neuen Presse vom 27. August 2017 soll Anis Amri bereits im Februar 2016 an der damaligen Moschee des Deutsch
sprachigen Islamkreises in Hildesheim durch den Verfassungsschutz fotografiert worden sein. Zu diesem Zeitpunkt wohnte Anis Amri in einer Flüchtlingsunterkunft in Hildesheim.
Das Landeskriminalamt aus Nordrhein-Westphalen leitete Mitte Februar 2016 an das LKA in Niedersachsen seine Gefährdungseinschätzung bezüglich Anis Amri weiter und warnte davor, dass Amri einen Anschlag plane. Das LKA in Niedersachsen soll nach Erhalt der Warnung aus NRW vor Ort nicht ermittelt haben. Das LKA habe lediglich im Personenbestand nach ihm recherchiert und das Schreiben aus NRW abgeheftet.
Der Verfassungsschutz erkannte erst nach dem Terroranschlag im Dezember 2016, dass er Anis Amri bereits am 12. Februar 2016 vor der besagten salafistischen Moschee fotografiert hatte, so die Neue Presse weiter.
Innenminister Boris Pistorius hat im Januar 2017 das Parlament zum Fall Anis Amri unterrichtet. Sowohl damals als auch später wurden die Erkenntnisse aus NRW sowie der Aufenthaltsort von Amri in einer Flüchtlingsunterkunft in Hildesheim nicht mitgeteilt. Erst durch die Tätigkeit des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurden diese Vorkommnisse bekannt.
1. Wann, wie und durch wen hat der Innenminister Kenntnis von der Gefährdereinschätzung aus NRW erlangt?
2. Warum wurden das Parlament und die Öffentlichkeit über die Erkenntnisse aus NRW nicht informiert?
Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Die Antwort für die Landesregierung erteilt Herr Innenminister Pistorius. Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der menschenverachtende terroristische Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt durch Anis Amri ist ein erschreckendes Zeugnis der
Eine konstruktive und vor allem sachliche Aufarbeitung des Vorgehens der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern ist daher von großer Bedeutung und hat meine volle Unterstützung. Sie ist die Grundlage, um aus den Erfahrungen zu lernen, die Sicherheitsarbeit zu verbessern und derartige Verbrechen künftig zu verhindern. Insofern begrüße ich auch ausdrücklich die Aufarbeitung der polizeilichen Maßnahmen, die nach der Tat erfolgten. Der diesbezügliche Bericht der Nachbereitungskommission in Berlin liegt meinem Haus derzeit allerdings noch nicht vor.
Für völliges Unverständnis sorgt bei mir jedoch ein Umgang mit diesem Verbrechen, wenn er verzerrend erfolgt und nicht sachlich geführt wird. Dies ist verantwortungslos und wird in keiner Weise den Sicherheitsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen gerecht, sondern schafft Verunsicherung.
Die in der Dringlichen Anfrage angeführte Unterrichtung im Januar 2017 durch mich persönlich hat es nicht gegeben. Im Januar 2017 fand im Übrigen auch keine Plenarsitzung statt.
Ich kann daher nur vermuten, dass an dieser Stelle Bezug auf eine umfassende vertrauliche Unterrichtung im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes genommen wird, zu der auch die Mitglieder des Ausschusses für Inneres und Sport eingeladen waren. Sie erfolgte am 10. Januar 2017. Meine weiteren Ausführungen werden sich daher hieran orientieren.
Durch Mitarbeiter meines Hauses wurde in eben jener Ausschusssitzung am 10. Januar 2017 sowie am 27. April 2017 eine umfangreiche Unterrichtung der Ausschussmitglieder vorgenommen. Es wurde hierbei - und das möchte ich bereits vor Beantwortung der konkreten Fragen ausdrücklich betonen - stets der seinerzeit aktuelle Erkenntnisstand mitgeteilt, der in Absprache mit den Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern im Rahmen der vertraulichen Sitzung dargestellt werden konnte und durfte.
Die diesbezüglichen Informationen, die durch mein Haus zur Unterrichtung des Niedersächsischen Landtags eingeholt wurden, waren als Verschlusssache eingestuft. Sie konnten daher nicht in einer öffentlichen Sitzung mitgeteilt werden. Ein widerrechtliches Vorenthalten von Informationen gegen
Eine weitreichende öffentliche Unterrichtung zur Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage in öffentlicher Sitzung ist aus den vorgenannten Gründen auch derzeit nicht möglich.
Darüber hinaus - das will ich noch einmal deutlich machen - betrifft der Fall Anis Amri auch die Zuständigkeit vor allem des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof. Dort wird in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord sowie weiterer Straftaten geführt. Dieser Umstand musste und muss bei der Behandlung des gesamten Sachverhaltes Berücksichtigung finden.
Einige Fakten möchte ich an dieser Stelle jedoch richtigstellen: Es gibt nach den mir vorliegenden Erkenntnissen bis heute keinen Beleg dafür, dass Anis Amri tatsächlich eine Unterkunft bzw. einen wenn auch nur vorübergehenden Wohnsitz in Hildesheim hatte. Es handelt sich nach derzeitigem Sachstand nur um Spekulationen und nicht um Tatsachen. Sicher können wir heute sagen, dass die Ermittlungen des Landeskriminalamts keine Bestätigung dafür erbracht haben, dass er als Pizza-Fahrer in Hildesheim gejobbt hat, so wie einige Medien berichteten.
Zu Frage 1: Das zuständige Fachreferat im Landespolizeipräsidium berichtet regelmäßig im täglichen Jour fixe dem Landespolizeipräsidenten bzw. dessen Vertreter über die aktuelle Kriminalitätslage und sonstige polizeilich relevante Sachverhalte, insbesondere über herausragende Einzelfälle. Durch den Landespolizeipräsidenten und die Verfassungsschutzpräsidentin werde ich grundsätzlich und zeitnah über relevante besondere Sachverhalte informiert.
Wann ich nunmehr, bezogen auf die konkrete Fragestellung, genau über die Einstufung des Anis Amri als Gefährder informiert wurde, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt tagesgenau nicht mehr nachvollziehen - in jedem Fall aber nach dem Attentat. Aufgrund der standardisierten Besprechungsabläufe gehe ich im Zusammenhang mit der Berichter
stattung zum Anschlagsgeschehen in Berlin von einer sehr zeitnahen Unterrichtung im Zusammenhang mit dem Anschlag aus. Anis Amri selbst ist mir in jedem Fall erst nach dem Attentat in Berlin bekannt geworden.
Hinsichtlich der Einstufung einer Person als Gefährder möchte ich an dieser Stelle deutlich machen, dass ein Ministerium in diesen Prozess und die sich anschließenden Maßnahmen nicht eingebunden ist.
Die Einstufung einer Person als Gefährder erfolgt grundsätzlich durch die Polizei des Bundeslandes, in dem der Betroffene seinen Wohnort bzw. seinen dauerhaften Aufenthalt hat. Durch einen Informationsaustausch im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum in Berlin ist ein umfassender und länderübergreifender Informationsaustausch sichergestellt. Das GTAZ ist eine gemeinsame Kooperations- und Kommunikationsplattform von bis zu 40 nationalen Behörden aus dem Bereich der inneren Sicherheit, in dem natürlich auch das Landeskriminalamt Niedersachsen und der niedersächsische Verfassungsschutz vertreten sind.
Durch dieses Verfahren wird auf operativer Ebene eine Bündelung vorliegender Informationen und Gefährdungsaspekte gewährleistet und somit eine Grundlage für eine erfolgreiche arbeitsteilige Bekämpfung des Phänomens islamistischer Terrorismus geschaffen. Notwendige Ermittlungsmaßnahmen werden jedoch - das liegt nahe - von der betreffenden operativen Ebene selbstständig und eigenverantwortlich umgesetzt bzw. koordiniert.
Zu Frage 2: Wie in meinen Vorbemerkungen bereits dargestellt, wurde in den vertraulichen Sitzungen des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes umfassend vorgetragen und damit das Parlament über den Kenntnisstand informiert.
Vor dem Hintergrund der seinerzeit erfolgten Ermittlungen verschiedener Sicherheitsbehörden und der Sensibilität der vorliegenden Erkenntnisse war eine uneingeschränkte Preisgabe weder in einer öffentlichen Landtagssitzung noch unmittelbar gegenüber der Öffentlichkeit rechtlich vertretbar.
Zu Frage 3: Unter Hinweis auf die bereits beschriebene Frage der Zuständigkeiten im Sachverhalt Anis Amri mache ich an dieser Stelle Folgendes deutlich: Absprachen und eine intensive Zusammenarbeit sind Grundlage effektiver Sicherheitsarbeit, insbesondere in Fällen der Terrorismusbekämpfung. Alle in Niedersachsen durchzu
führenden Ermittlungen erfolgten auf dieser Grundlage in enger Abstimmung mit dem seinerzeit für Anis Amri zuständigen Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen. Ich wiederhole dies gerne zu Ihrem Verständnis: Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen war zuständig. Ein Versäumnis notwendiger Ermittlungen durch niedersächsische Sicherheitsbehörden hat es dahin gehend nach meinem Kenntnisstand nicht gegeben.
Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Es gibt auch hier den Wunsch nach Zusatzfragen. Es beginnt Kollege Bode, FDP-Fraktion. Bitte!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pistorius, vor dem Hintergrund, dass es auch aufgrund der Presseberichterstattung mit dem Titel „Anis Amri als Pizzabote in Hildesheim“ mehrere Unterrichtungen des Innenministeriums gegeben hat, u. a. auch vertraulich im Verfassungsschutzausschuss, und ich in diesem Ausschuss mehrfach nach Erkenntnissen über den Aufenthalt von Anis Amri in Hildesheim gefragt habe, frage ich die Landesregierung: Warum haben Sie in diesen vertraulichen Unterrichtungen auf meine Nachfragen oder auf die Fragen von Kollegen nicht mit einem einzigen Wort erwähnt, dass es ein Schreiben aus NRW mit dem vermuteten Aufenthalt von Anis Amri in einer Flüchtlingsunterkunft in Hildesheim gab, sondern dies erst nach Ende der Zeugenbefragung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss als Aktenvorlage klammheimlich dem Landtag übersandt?