Laut Innenministerium hätten Polizeibeamte die Ermittlungen angestoßen. Der Tatvorwurf laute „Verletzung des Dienstgeheimnisses“.
Am 3. Mai 2017 zitierte NDR online den Vorsitzenden des Landesverbandes Niedersachsen im Deutschen Journalisten-Verband, Frank Rieger, unter der Überschrift „Journalisten vorgeladen - Kritik vom DJV“ zu diesen Vorgängen wie folgt:
„Wer Journalisten vorlädt, die über den Untersuchungsausschuss zu Polizeipannen bei der Bekämpfung islamistischen Terrors berichten, gefährdet den Informantenschutz und damit einen Grundpfeiler der Pressefreiheit“.
Am 4. Mai 2017 zitierte der Weser-Kurier einen Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover mit Blick auf das den betroffenen Journalisten von
Am 5. Mai 2017 berichtete die Nordwest-Zeitung unter der Überschrift „Versuchte Einschüchterung von NWZ-Journalisten schlägt Wellen“:
„Innenminister Pistorius war über die Aktion ebenso wie Justizministerin Antje NiewischLennartz (Grüne) informiert.“
1. Wie viele Fälle gab es seit dem 19. Februar 2013, in denen Journalisten und/oder Abgeordnete aus Landtag, Bundestag oder Europäischem Parlament als Zeugen oder Beschuldigte in Verfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht durch Staatsanwaltschaft oder Polizei vorgeladen und/oder angehört wurden und/oder ihnen ein Anhörungsbogen übersandt wurde?
2. Inwieweit waren Mitglieder der Landesregierung und/oder Staatssekretärinnen und Staatssekretäre jeweils über die Ermittlungen und Vorladungen informiert oder daran beteiligt?
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine funktionierende Demokratie lebt davon, dass ihre Bürgerinnen und Bürger informiert sind. Das setzt eine freie Presse voraus. Demokratie ohne freie Presse ist nicht denkbar. Eine freie Presse kann ihre Funktion nur dann erfüllen, wenn sie Zugang zu Informationen hat.
In Ermittlungsverfahren, die den Verrat von Dienstgeheimnissen zum Gegenstand haben, bewegen wir uns im Spannungsfeld zwischen der strafprozessualen Pflicht zur Aufklärung strafrechtlich relevanten Verhaltens auf der einen Seite und der freien Presse auf der anderen Seite. Dabei gilt
es, mit Respekt vor der besonderen Funktion der Presse und ihrem von der Verfassung gewährten Schutz vorzugehen.
Presse- und Rundfunkfreiheit sind ebenso wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit durch Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert. Schon der Anschein von Schikane oder gar Einschüchterung verbietet sich.
Auf der anderen Seite ist die Staatsanwaltschaft gesetzlich verpflichtet, alle Ermittlungsansätze auszuschöpfen. Das gilt auch für die Straftat der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353 b StGB. Diese Norm untersagt es Amtsträgerinnen und Amtsträgern, ein Geheimnis, das ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft bekannt geworden ist, unbefugt zu offenbaren. Das damit geschützte staatliche Interesse am Schutz von behördlichen Informationen vor unbefugter Kenntnisnahme ist für die Funktionsfähigkeit eines demokratischen Staatswesens von beachtlichem Gewicht.
Im Zusammenhang mit den Untersuchungsgegenständen des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Niedersächsischen Landtags sind im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport verschiedene Presseberichte bekannt geworden. Ihnen war zu entnehmen, dass den Medien Unterlagen bzw. Informationen vorlagen, die zuvor als Aktenvorlagen gemäß Artikel 27 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 24 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung dem Landtag übergeben worden waren und die der Geheimhaltung unterliegen oder zu denen die Landesregierung den Landtag in nicht öffentlicher Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes in gemeinsamer Sitzung mit dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und mit dem Ausschuss für Inneres und Sport unterrichtet hat.
Die betreffenden Anhaltspunkte für die Verletzung von Dienstgeheimnissen und besonderen Geheimhaltungspflichten wurden von Polizeibeamten der Stabsstelle PUA des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport jeweils entsprechend dem Legalitätsprinzip gemäß § 163 StPO der Staatsanwaltschaft Hannover zur Prüfung möglicher Straftaten vorgelegt.
Das strafprozessuale Legalitätsprinzip bedeutet Ermittlungszwang. Die Staatsanwaltschaft ist gemäß § 152 Abs. 2 StPO verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende Anhaltspunkte für solche Straftaten vorliegen. Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf andere Weise Kenntnis von dem Verdacht einer Straftat erhält, hat sie den Sachverhalt gemäß § 160 Abs. 1 StPO zu erforschen.
Meine Damen und Herren, das in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 StPO geregelte Zeugnisverweigerungsrecht für Journalistinnen und Journalisten zielt darauf, dieses Spannungsfeld, das ich eben aufgezeigt habe, zwischen der Presse- und Rundfunkfreiheit einerseits und den Belangen der Strafrechtspflege andererseits aufzulösen.
Aufgrund der Strafanzeigen des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport führt die Staatsanwaltschaft Hannover Ermittlungen gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353 b StGB im Zusammenhang mit dem 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die Ermittlungen dauern noch an.
Die Staatsanwaltschaft Hannover ist in diesem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt an insgesamt sieben Journalisten und einen Landtagsabgeordneten herangetreten, die als Zeugen in Betracht kommen. Meine Damen und Herren, dies ist in vier Fällen durch Ladungen und in ebenfalls vier Fällen durch die Übersendung von Anhörungsbögen erfolgt. Angaben zur Sache hat keiner der genannten Zeugen gemacht.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover hat gegenüber der Presse betont, der Staatsanwaltschaft sei bewusst gewesen, dass die Erfolgsaussichten für eine Aussage der Journalisten gering gewesen seien. Aber man habe sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, nichts gegen Geheimnisverrat unternommen zu haben.
Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sahen sich dem Legalitätsprinzip und dem daraus folgenden Gebot umfassender und neutraler Sachverhaltsaufklärung verpflichtet.
Meine Damen und Herren, mein Haus hat die Thematik aufgegriffen und die Staatsanwaltschaften aktuell noch einmal auf das sensible Spannungsfeld zwischen Berufsgeheimnissen und der Pressefreiheit einerseits und den Erfordernissen der Strafrechtspflege andererseits hingewiesen.
Meine Strafrechtsabteilung hat die niedersächsischen Staatsanwaltschaften um einen möglichst sensiblen Umgang mit nach § 53 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Personen gebeten. Die Verantwortung allerdings für die Führung von Ermittlungen liegt bei den jeweiligen Staatsanwaltschaften. Unter der Aufsicht des jeweiligen Generalstaatsanwalts haben sie zu entscheiden, welche Ermittlungsmaßnahmen erforderlich sind.
Zu den Fragen 1 und 3 erlaube ich mir eine gemeinsame Antwort: Justizielle Statistiken, denen zu entnehmen wäre, ob Journalisten oder Abgeordnete in Verfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353 b StGB als Zeugen oder als Beschuldigte beteiligt waren, vorgeladen oder angehört worden sind oder einen Anhörungsbogen erhalten haben, werden nicht geführt.
Zur Beantwortung dieser Frage wäre daher eine händische Auswertung erforderlich gewesen, die zur Beantwortung einer Dringlichen Anfrage in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden konnte.
Hinsichtlich der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353 b StGB im Zusammenhang mit dem 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss kann ich auf meine Antwort von eben Bezug nehmen.
Im Übrigen ist mir noch Folgendes berichtet worden: Wir haben natürlich bei dem Geschäftsbereich nachgefragt, was dort im Bewusstsein ist und deswegen auch mitgeteilt werden kann. Dazu wie folgt:
Im Zusammenhang mit den damaligen Ermittlungen gegen den Altbundespräsidenten Christian Wulff hat die Staatsanwaltschaft Hannover in insgesamt drei Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt an insgesamt zwei Medienverlage ein Auskunftsersuchen gerichtet. Beide Anfragen sind unter Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht nicht beantwortet worden.
Die Staatsanwaltschaft Göttingen berichtet, sie habe im September 2014 in einem anderen Ermittlungsverfahren bei einer Redaktion um namentliche Benennung des verantwortlichen Redakteurs eines Artikels gebeten. Die erbetene Mitteilung ist unter Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht verweigert worden.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat 2013 in einem Ermittlungsverfahren einen Landtagsabgeordneten als Zeugen vernommen, der auch Angaben zur Sache gemacht hat.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat 2014 in einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt beabsichtigt, einen Journalisten als Zeugen zu vernehmen. Dieser hat unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht keine Angaben gemacht.
Weiterhin wurde seitens des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport mitgeteilt, dass im Mai 2016 durch das Landeskriminalamt Niedersachsen aufgrund eines durch die Staatsanwaltschaft Hannover eingeleiteten Verfahrens zur Überprüfung eines Anfangsverdachts wegen eines Verstoßes gegen § 353 b StGB ein Journalist als Zeuge vorgeladen und vernommen wurde.
Zu Frage 2: Meine Staatsekretärin ist am 7. Dezember 2016 darüber informiert worden, dass die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen eines möglichen Geheimnisverrats im Zusammenhang mit dem 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss führt. Ich habe am 12. Dezember 2016 über das gegen Unbekannt eingeleitete Ermittlungsverfahren Kenntnis erlangt. Eine Information über eine tatsächliche Vorladung von Journalisten erfolgte in diesem Zusammenhang nicht.
Eine Information über ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt erfolgte am 9. Januar 2017 durch Kenntnisnahme meiner Staatsekretärin und mich selbst am 12. Januar 2017. Eine Information über die tatsächliche Vorladung eines Journalisten erfolgte nicht.
Eine Information an die Staatsekretärin und mich über die Ladung mehrerer Journalisten erfolgte erst im Zusammenhang mit der Presseberichterstattung am 3. Mai 2017.
Der Innenminister und sein Staatssekretär wurden darüber informiert, dass von Polizeivollzugsbeamten der Stabsstelle PUA jeweils die ihnen bekannt gewordenen, strafrechtlich relevanten Sachverhalte der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt
wurden. Sie wurden ebenfalls nicht über die oben genannte Vorladung des Journalisten bzw. die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts informiert.
Herr Ministerpräsident Weil hat erst am 3. Mai 2017 aus der Presse von den Vorgängen erfahren. Auch die übrigen Mitglieder der Landesregierung sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre haben von den Vorgängen lediglich aus den Medien erfahren.
Von dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Oldenburg im Jahr 2013, in dessen Rahmen ein Landtagsabgeordneter als Zeuge vernommen wurde, haben in der laufenden Legislaturperiode am 26. Februar 2013 die damalige ständige Vertreterin des Justizstaatssekretärs und ich selbst erstmals im Zusammenhang mit der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Einstellung des Verfahrens Kenntnis erhalten.