Protocol of the Session on May 18, 2017

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Frage stellt der Kollege Jens Nacke, CDU-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass der NDR in seinem Onlineauftritt am 29. Juli 2016 folgenden Text veröffentlicht hat:

„Weil eine Razzia beim ‚Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim‘ (DIK) am Mittwoch vorab bekannt geworden ist, stellt Niedersachsens Innenministerium Strafanzeige wegen Geheimnisverrats. Der Vorwurf lautet nach Angaben eines Sprechers auf ‚Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht‘. Der Schriftsatz werde der zuständigen Staatsanwaltschaft Hannover zugestellt.“

frage ich die Landesregierung: Warum hat in diesem Falle das Innenministerium selbst Strafanzeige erstattet, in anderen Fällen aber Polizeibeamte dazu veranlasst, entsprechende Anzeigen zu stellen? Was ist eigentlich getan worden, um innerhalb der eigenen Apparate, also innerhalb der eigenen nachfolgenden Behörden - sowohl im Innenministerium als auch im Justizministerium -, aufzuklären,

wie die geheimen Informationen an die Presse gelangen konnten, oder hat man es dabei belassen, eine Strafanzeige zu erstatten, um den Rest dann der Staatsanwaltschaft bzw. den Journalisten zu überlassen? Ich erinnere in dem Zusammenhang daran, dass Herr Tonne wahrheitswidrig die Behauptung in den Raum gestellt hat, ein Abgeordneter habe dieses Geheimnis verraten, obwohl Parlamentarier diese Informationen überhaupt nicht hatten. Er musste sich später schriftlich dafür entschuldigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Landesregierung antwortet der Innenminister. Bitte schön, Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem von Ihnen, Herr Nacke, eben beschriebenen Fall habe ich veranlasst, dass Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet wird, weil ich von dem Sachverhalt unmittelbar durch den Zeitungsbericht Kenntnis erlangt hatte.

In den anderen Fällen haben das - wie Frau Ministerin Niewisch-Lennartz gerade ausgeführt hat - Polizeivollzugsbeamte aus der PUA-Stabsstelle in meinem Haus getan. Je nachdem, wer von solchen Sachverhalten Kenntnis erlangt, erstattet dann Strafanzeige. Im Fall des DIK Hildesheim war ich das bekanntermaßen bzw. habe ich das veranlasst.

(Ulf Thiele [CDU]: Aha!)

Im Übrigen haben wir dann natürlich gesagt: Wenn wir Strafanzeige erstatten, verbietet es sich unsererseits, im Hause nach den Stellen zu suchen. Das ist dann Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Deswegen haben wir es der Staatsanwaltschaft überlassen.

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Stefan Birkner. Bitte schön!

(Jens Nacke [CDU]: Ich hatte auch nach den Justizbehörden gefragt! Be- kommen wir dazu keine Antwort, was bei den Justizbehörden passiert ist, Frau Ministerin? Frau Ministerin, ich hatte nach den Justizbehörden ge- fragt!)

- Lieber Kollege Nacke, wer von der Landesregierung antwortet - das wissen Sie -, entscheidet die Landesregierung selbst.

Jetzt hat Herr Dr. Birkner das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Wird jetzt hier gar nicht mehr geantwortet, oder was be- deutet das? - Ulf Thiele [CDU]: Das gibt es doch gar nicht!)

Herr Dr. Birkner, Sie haben das Wort.

(Zurufe von der CDU: Wie? Wird nicht geantwortet? - Jens Nacke [CDU]: Ich hatte ausdrücklich nach den Justizbe- hörden gefragt! Dazu hat er keine Aussage gemacht!)

Bitte schön!

(Jens Nacke [CDU]: Jetzt ist der Zeit- punkt! Ich habe die Frage jetzt ge- stellt! Ich glaube, die Frau Ministerin wollte sich melden!)

- Wenn sie nicht antworten möchte, kann ich das - - - Sie möchte antworten. Frau Ministerin, das konnte ich hier nicht erkennen.

(Zuruf von der FDP: Das konnte der Herr Präsident deshalb nicht erken- nen, weil sie sich gar nicht gemeldet hat!)

Dann haben Sie das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ermittlungsaufgaben liegen in diesen Fällen bei der Staatsanwaltschaft. Dort wissen wir die Ermittlungsansätze in sehr guten Händen. Hätte das Justizministerium an irgendeiner Stelle auch nur den Verdacht gehabt, an welcher Stelle dort diese Geheimnisse weitergetragen worden wären, dann würden wir sofort an die Staatsanwaltschaft herantreten und alles tun, damit diese Ermittlungsverfahren zu einem positiven Ende gebracht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Also beide Behörden haben nicht reagiert!)

Herr Dr. Birkner, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass hier wiederholt darauf hingewiesen wurde, dass die Verfahren im Kontext des 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses von Polizeivollzugsbeamten zur Anzeige gebracht worden seien und sie damit quasi nur ihrer dienstlichen Verpflichtung nachgekommen sind, frage ich die Landesregierung: Wer hat ganz konkret im Innenministerium - das wird ja wohl zuständig sein - die nach § 353 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 des Strafgesetzbuches zur Verfolgung entsprechender Taten erforderliche Ermächtigung, die bei solchen Taten durch die oberste Landesbehörde zu erteilen ist, wann erteilt?

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Frau Ministerin, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Straftat der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht kann nur mit Ermächtigung verfolgt werden. Gemäß den Richtlinien für das Strafverfahren und Bußgeldverfahren - RiStBV - holt die Staatsanwältin bzw. der Staatsanwalt unter Mitteilung des bekannt gewordenen Sachverhalts die Entscheidung ein, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt wird. Dies geschieht in der Regel vor weiteren Ermittlungen.

Das setzt allerdings voraus, dass die Behörde bekannt ist, die für die Entscheidung über die Erteilung der Ermächtigung zuständig ist. Maßgeblich ist, bei welcher Stelle dem Täter oder der Täterin das Geheimnis in Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit bekannt geworden ist bzw. welche Stelle ihn oder sie zur besonderen Geheimhaltung verpflichtet hat.

Im konkreten Fall steht aber noch nicht fest, von wo genau die Geheimnisse verraten worden sind. Im Übrigen dürfte in denen durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport gestellten Strafanzeigen eine Strafverfolgungsermächtigung zu sehen sein, sofern eine Bedienstete oder ein Bediensteter aus dem Innenressort die Geheimnisse verraten haben sollte. Eine Strafverfolgungsermächtigung kann im Übrigen bis zum Verfahrensabschluss nachgeholt werden.

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt der Kollege Nacke. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass der Weser-Kurier am 4. Mai 2017 in einem Artikel folgende Passage veröffentlicht hat:

„Die Staatskanzlei von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zeigte sich über die angestrebten Zeugenverhöre der Redakteure überrascht und irritiert. ‚Das wird im Nachgang intensiv zu prüfen sein‘, erklärte Regierungssprecherin Anke Pörksen.“

frage ich die Landesregierung: Inwieweit hat die Staatskanzlei in der Verantwortung von Ministerpräsident Weil, für den Frau Pörksen ja spricht, hier eine intensive Prüfung veranlasst, und was ist das Ergebnis dieser Prüfung?

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Ministerin, bitte schön!

(Jens Nacke [CDU]: Oh! Der Minister- präsident ist sprachlos?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die notwendige Sensibilität im Umgang mit der Befragung von Journalisten als Zeugen und auf den Erlass, den wir in diesem Zusammenhang an den Geschäftsbereich gerichtet haben, habe ich eben schon hingewiesen.

Gleichwohl lässt der Umstand eines Zeugnisverweigerungsrechts alleine noch nicht die Pflicht entfallen, bei einer Ladung der Staatsanwaltschaft zu einer solchen Vernehmung zu erscheinen. In diesem Zusammenhang muss man, glaube ich, keine weiteren Ermittlungen anstellen. Es gibt eine Verpflichtung, auszusagen, und es gibt eine Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft. In dem Augenblick allerdings, in dem ein Journalist von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, ist man auch am Ende eines solchen Ermittlungsschrittes angekommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Das heißt, die Staatskanzlei hat nichts veranlasst?)

Danke schön. - Herr Kollege Nacke, Sie haben das Wort zu einer dritten Frage.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das war schon die fünfte! Das waren ja mehrere Fragen!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Justizministerin hat hier gerade deutlich gemacht, dass die Staatskanzlei entgegen der Aussage von Frau Pörksen offensichtlich nichts veranlasst hat. In der Nordwest-Zeitung vom 4. Mai 2017 hat es einen Kommentar des Chefredakteurs Lars Reckermann gegeben, in dem er wie folgt kommentiert:

„Eine Vorladung als Zeuge, wohlwissend, dass diese Vorladung quasi mit der Formulierung verpufft, ist nichts anderes als ein Einschüchterungsversuch und damit aufs Schärfste zu verurteilen.“

Weiter schreibt er:

„Einen Journalisten über den Weg einer staatsanwaltschaftlichen Zeugenaussage aufzufordern, seine Quelle zu nennen, ist ein Skandal.“

Vor diesem Hintergrund frage ich ausdrücklich die Landesregierung: Bedeutet das, was Sie hier etwas vernebelnd als „Sensibilisierung“ bezeichnet haben, dass Sie in Richtung Staatsanwaltschaft dahin gehend gewirkt haben, dass in der Kenntnis, dass es keine Aussage geben wird, zukünftig die Vorladung von Journalisten der Landespressekonferenz in diesem Land unterbleiben muss, oder müssen Journalisten damit rechnen, weiterhin in dieser Form, wie es Herr Reckermann ausgeführt hat, von der Staatsanwaltschaft drangsaliert zu werden?

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)