Protocol of the Session on May 16, 2017

Meine Damen und Herren, insbesondere diese Aufzeichnungspflichten haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten in einem überaus großen Maß ausgeweitet. Sie sind für unsere Landwirte mittlerweile eine echte Belastung. Ich muss hier heute

feststellen: Es ist auch ein Punkt für den Strukturwandel, nämlich dahin gehend, dass kleine bäuerliche Familienbetriebe, die uns so am Herzen liegen, diesem bürokratischen Aufwand nur noch sehr eingeschränkt nachkommen können, während sich größere Betriebe Bürokräfte leisten können.

Deshalb haben wir mit diesem Entschließungsantrag eine parlamentarische Initiative auf den Weg gebracht, um die große Bereitschaft all derjenigen Landwirte zu unterstützen, die sagen: Mensch, ich muss sowieso diese Datenangaben machen. Das sind doch im Grunde genommen Doppelt- und Dreifachbuchungen. Ich bin bereit, freiwillig den Datenabgleich zuzulassen. Wenn ich einmal im Jahr meinen EU-Agrarförderantrag abgebe, ermögliche ich diesen Datenabgleich auf freiwilliger Basis und weiche den Datenschutz sozusagen auf.

Wir liegen mit dieser Einschätzung durchaus richtig. Das Institut Bitkom Research, welches sich mit der Marktforschung im Bereich der Digitalisierung befasst, hat auf der Basis einer Befragung von 521 Landwirten und Lohnunternehmern festgestellt, dass 84 % der Befragten durchaus bereit sind, unter gewissen Voraussetzungen den Datenschutz aufzuweichen und diesen Datenabgleich zu ermöglichen. 60 % haben angegeben, dass sie sehr wohl dazu bereit sind, wenn dadurch der bürokratische Aufwand vermindert werden kann.

Diese Bereitschaft seitens der Landwirte hat uns alle überrascht. Sie hat uns auch überrascht, weil es unter Landwirten ein geflügeltes Wort gibt, das da lautet: Bauer sei schlau, mach kein NAU.

Was ist aus dieser Lebensweisheit, die die Bauern weitergeben, abzuleiten? Daraus ist abzuleiten, dass man, wenn man an einem Agrar-Umweltprogramm teilnimmt, in ein engeres Prüfungsraster gerät. Dieses meiden die Bauern in der Regel. Die kritische gesellschaftliche Debatte um die Landwirtschaft, um die Fragen der Transparenz der Produktion hat aber offensichtlich dazu geführt, dass die Landwirte umdenken und nun sehr wohl zu Offenheit und Transparenz bereit sind.

Genau an diesem Punkt setzen wir mit unserem Antrag an. Wir setzen auf Vertrauen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich leite aus Ihrem Änderungsantrag, den Sie vor wenigen Stunden eingebracht haben - unser Entschließungsantrag ist zehn Monate alt, Ihr Änderungsantrag ist fünf Stunden alt -, ab: Dieses Vertrauen ist für die Kollegen auf dieser Seite ein absolutes Fremdwort.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Sie handeln nach dem Motto: Der mündige Bürger interessiert nicht. Wo kommen wir denn da hin, wenn Landwirte auf freiwilliger Basis ihre Daten bereitstellen wollen? Wo kommen wir denn da hin? Wenn Vater Staat dann in mühsamer Kernerarbeit den Kontrollmechanismen nachkommen muss: Das kann und darf nach Ihrer Auffassung offensichtlich nicht sein. Sie verspielen damit leichtfertig dieses Vertrauen und eine Möglichkeit für die Landwirte, die diesem Wunsch nach Transparenz, den sie offensichtlich artikuliert haben, nachkommen wollen. Sie verspielen dieses Vertrauen!

Sie führen in Ihrem Änderungsantrag insbesondere aus, dass die Zahl derer, die auf freiwilliger Basis - wie Sie es ja selbst feststellen - heute schon im Rahmen der GAP-Anträge den Datenschutz freigeben - nach Ihrem eigenen Antrag immerhin 40 % -, weiter ausgebaut werden sollte. Auf der gleichen Seite fordern Sie mit Ihrem Forderungskatalog dann aber genau das Gegenteil ein, nämlich die Anpassung des geltenden Rechts auf EUEbene, einen Prüfauftrag hinsichtlich einer gesetzlichen Regelung, einen Prüfauftrag zur Reichweite der Datennutzung, einen Prüfauftrag für eine auf längere Sicht einheitliche Datenbank. Lauter Prüfaufträge und gesetzliche Regelungen! Was Sie hier einführen wollen, ist genau das Gegenteil von Vertrauen.

Dafür, dass Sie ein Problem mit Vertrauen gegenüber Landwirten haben, möchte ich ein Beispiel für alle, die dieser These nicht folgen können, anführen. Wir brauchen nur auf die Rubrik „Service“ auf der Homepage des LAVES zu gehen. Was finden wir unter dieser Rubrik „Service“? Die Telefonhotline für die anonyme Meldestelle, gegenüber der jeder Niedersachse auf Verstöße im Hinblick auf Verbraucherschutz und Tierschutz sowie auf Beobachtungen insbesondere im Bereich der Landwirtschaft hinweisen kann. Dem Denunziantentum in diesem Bereich ist seit 2014 in diesem Lande Tür und Tor geöffnet.

Es ist eine spannende Frage, warum es diese anonyme Meldestelle ausgerechnet nur für den Bereich Landwirtschaft und Verbraucherschutz gibt und beispielsweise nicht für den Bereich der Fahrzeugindustrie. Auch hier könnte man durchaus eine anonyme Meldestelle einführen. Ich glaube, es gäbe eine Menge von Leuten, die interessante Beobachtungen weitergeben könnten. Aber Sie

gehen ausdrücklich auf den Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft.

Ich sage Ihnen heute: Ein gewisser Minister Remmel aus NRW ist genau den gleichen Weg gegangen. Der hat sozusagen als letzten Rettungsanker am 9. Mai 2017 eine Pressemitteilung herausgegeben, wonach NRW genau diesem niedersächsischen Weg folgen und eine anonyme Meldestelle einrichten will. Fünf Tage hat es gedauert, dann hatte es sich „ausgeremmelt“.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich prognostiziere Ihnen heute: Am 14. Januar wird auf der Basis von freiwillig abgegebenen Daten in einem legitimen Verfahren auf der Basis von Wahlen ein Datenaustausch stattfinden, der dazu führen wird, dass dieser Minister abgewählt und seinem Kollegen Remmel folgen wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dammann-Tamke. - Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Ulf Prange.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht haben Sie ja hellseherische Fähigkeiten. Aber ich glaube, wir sollten zum Thema zurückgehen.

Sie haben einen Antrag über Bürokratieabbau bzw. zur Vereinfachung von Antragsverfahren in der Landwirtschaft vorgelegt. Das ist der Gegenstand des Antrags, und dazu will ich auch sprechen und nicht über anonyme Meldestellen. Zu dem Thema können Sie gegebenenfalls einen neuen Antrag stellen.

Sie haben ausgeführt, dass Sie auf das Zustimmungsverfahren beim Datenaustausch abstellen wollen. Das ist, glaube ich, der Streitpunkt, den wir an der Stelle haben. Die Intention des Antrags, Mehrfacherhebungen von Daten zu vermeiden, ist durchaus richtig, was wir im Ausschuss im Konsens diskutiert haben. Das ist sowohl im Sinne der Landwirte als auch im Sinne des Landes, um so freiwerdende Verwaltungskapazitäten für andere Aufgaben nutzen zu können. Dennoch sei die Frage gestattet, was seitens der Vorgängerregierung insoweit veranlasst wurde und weshalb die Union, die auch den zuständigen Bundesminister stellt,

dort nicht aktiv wird. Denn eine Vielzahl der Vorschriften, um die es hier geht, betrifft doch Bundes- und Europarecht. Die Umsetzung von Vereinfachungen durch das Land scheitert oft an bundes- und europarechtlichen Vorschriften. Von dort kommt zum Teil mehr Bürokratie für Landwirte und Behörden.

Die meisten der erforderlichen Datenmeldungen der Landwirte beruhen tatsächlich auf bundesrechtlichen Vorschriften. Hier wurde in der Vergangenheit oftmals nur der jeweilige fachspezifische Inhalt gesehen. Vorhandene Datenbestände bzw. Rechtsgrundlagen für eine Datenerhebung wurden nicht berücksichtigt. Dadurch gibt es Überschneidungen bei vielen Datensammlungen. Die Tätigkeitsfelder reichen von der EU-Agrarförderung über Gasölbeihilfen nach dem Energiesteuergesetz, Antibiotikaeinsatz nach dem Arzneimittelgesetz, Düngeabgabe nach Düngerecht, Tiermeldungen nach dem Tiergesundheitsgesetz bis hin zu Meldungen für statistische Zwecke.

Herr Kollege Prange, es gibt die Bitte des Kollegen Oesterhelweg, eine Zwischenfrage zu stellen.

Ich würde gerne im Zusammenhang ausführen.

Dann setzen Sie fort. Bitte!

Die wechselseitige Nutzung dieser Daten würde den Bürokratieaufwand für die Betriebe, aber auch für die Verwaltung deutlich senken, ohne dass dadurch Mitteilungs- und Kontrollmöglichkeiten beeinträchtigt würden. In Niedersachsen haben wir Vereinfachungen auf den Weg gebracht bzw. dazu beigetragen. Insoweit verweise ich auf das Düngerecht; das haben Sie eben selbst angesprochen. Dazu haben wir ja eine gemeinsame Entschließung auf den Weg gebracht. Der Nährstoffbericht der Kammer nutzt die Zahlen der Tierseuchenkasse. Für Vereinfachungen gibt es also durchaus einige Beispiele.

Aber auf der anderen Seite müssen wir auch feststellen, dass der Nutzung von Daten für unterschiedliche Zwecke datenschutzrechtliche Regelungen entgegenstehen. Die Nutzung von Daten ist grundsätzlich an den Zweck ihrer Erhebung gebunden. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind

möglich, wenn a) der Betroffene einwilligt oder wenn b) es eine gesetzliche Regelung für eine Nutzung von Daten durch andere Rechtsvorschriften gibt.

Sie setzen in Ihrem Antrag auf die erste Variante, nämlich auf ein Einwilligungs- bzw. Zustimmungsmodell. Dies steht und fällt aber mit der Bereitschaft der Betroffenen, sich darauf einzulassen. Ein freiwilliges Datennutzungsverfahren wurde auf Grundlage des Runderlasses zur Verbesserung der düngerechtlichen Überwachung durch Zusammenarbeit zwischen Genehmigungsbehörden und Düngebehörde eingeführt. Landwirte können beim GAP-Antrag in die Verwendung ihrer Daten zur Düngeüberwachung einwilligen. Immerhin 40 % der Antragsteller nutzen diese Möglichkeit. Bei den restlichen 60 % sind aber weiterhin Mehrfacherhebungen erforderlich.

Dieser Weg, die Zustimmungslösung, ist der zweitbeste, weil eben nur ein Teil der Betriebe erreicht wird. Bei einem allein auf Freiwilligkeit basierenden Verfahren gibt es Nachteile. Bei der Einholung und Auswertung der Datenschutzerklärungen ergibt sich ein hoher Aufwand für die Betroffenen. Aber auch aufseiten der Behörden sind nur die freiwillig abgegebenen Daten bekannt. Diese Datenbasis kann im Vollzug zu Ungleichbehandlungen zwischen den Landwirten, die eine Erklärung abgegeben haben, und denen, deren Daten nicht genutzt werden dürfen, führen. Für die Betriebe, die nicht mitmachen, sind unter Umständen teure Datenerhebungen, etwa durch Vor-Ort-Kontrollen und dergleichen, erforderlich.

Diese Nachteile sind uns vom Ministerium im Rahmen der Unterrichtung aufgezeigt worden. Dass nur bei einem Zugriffsrecht auf die Daten aller Betriebe echte Verfahrenserleichterungen möglich sind, wurde uns schlüssig dargelegt. Hier geht es nicht darum, dass wir den Landwirten nicht vertrauen, sondern darum, genau diese Einwände aufzugreifen und zu sagen: Wir setzen auf eine gesetzliche Regelung zur Datennutzung für unterschiedliche Antragsverfahren.

Entsprechend ist der von uns eingebrachte Änderungsantrag formuliert. Darin begrüßen wir die Verbesserungen für die betroffenen Landwirte im Düngerecht. Letztlich benötigen wir aber eine umfassende gesetzliche Regelung. Dies haben die Erfahrungen gezeigt. Wenn 40 % freiwillig mitmachen, ist das durchaus ein ordentlicher Wert. Dies ändert aber letztlich nichts daran, dass es weiterhin mehrere parallel laufende Datenerhebungen

gibt. Die weiteren Nachteile hatte ich bereits aufgezeigt.

Mit unserem Antrag bringen wir mehrere Prüfaufträge mit Blick auf gesetzliche Vereinfachungen auf den Weg; darum geht es letztlich. Auf längere Sicht streben wir die Einrichtung einer Datenbank an, bei der Landwirte ihre Daten nur einmal hinterlegen müssen, um sie für die unterschiedlichen Anträge nutzen und leicht aktualisieren zu können. Über ein einheitliches Erfassungssystem können wir Entlastungen für alle Beteiligten erreichen. Wir können insbesondere die Antragstellung erleichtern. Um dies flächendeckend und für alle relevanten Bereiche umsetzen zu können, benötigen wir einen rechtlichen Rahmen. So sorgen wir für Datensicherheit, Transparenz und Gleichbehandlung.

Geben Sie sich einen Ruck, und gehen Sie unseren Weg mit, statt auf halber Strecke stehenzubleiben! Nur mit einer gesetzlichen Lösung kommen wir zu einer echten Verfahrensvereinfachung. Davon profitieren Landwirte und das Land gleichermaßen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Prange. - Jetzt liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention vor. 90 Sekunden, Herr Kollege Dammann-Tamke!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Prange, Respekt dafür, dass Sie es in acht Minuten geschafft haben, das zu verlesen, was man Ihnen aufgeschrieben hat.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Aber ich möchte über meine Nachfrage klären, ob Sie das überhaupt verstanden haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

In Ihrem eigenen Antrag stellen Sie nämlich fest, dass bereits 40 % der Landwirte im Rahmen der GAP-Anträge die Einwilligung der Datenweitergabe nutzen. Dann schreiben Sie - ich zitiere aus Ihrem Antrag -:

„Diese Zahl sollte weiter ausgebaut werden. Jedoch ergeben sich bei einem auf Freiwilligkeit basierenden System einige Nachteile.

Dazu gehört z. B., dass nur die Daten bekannt sind, die freiwillig angegeben werden.“

Bisher war es nach meiner Auffassung immer so, dass nur Daten kontrolliert werden können, die in irgendeiner Form freiwillig angegeben werden. Erklären Sie mir doch bitte einmal, warum jemand, der am Niedersächsischen Agrar-Umweltprogramm - dem NAU - teilnimmt, in ein dichteres Kontrollnetz kommt als jemand, der nicht daran teilnimmt!

Das heißt: Es gibt schon Möglichkeiten, denjenigen, die durch eine freiwillige Datenfreigabe transparent, offen und auf Vertrauen setzend mit den Kontrollbehörden arbeitet, zu honorieren und dadurch zu belohnen, dass er nicht einem so hohen Kontrollaufwand ausgesetzt ist.

Sie wollen das nicht. Sie wollen den starken Staat. Sie wollen keine mündigen Bürger. Dieser Antrag ist so gut wie kaum ein anderer dafür geeignet, um die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Systeme, die links und rechts in diesem Raum verfolgt werden, herauszuarbeiten.

(Beifall bei der CDU)