Konsequenzen wurden daraus nicht gezogen. Die Abgrenzung war schwer. Es gab auch viele Menschen, die einfach keine Lust hatten, ihr Knöllchen zu bezahlen, und vor diesem Hintergrund geschrieben haben: Ich werde diese Strafe nicht bezahlen, ich bin ein „Reichsbürger“.
So wurde der Überblick, wer eigentlich „Reichsbürger“ ist und welche Ideologie hinter dieser Bewegung steckt, lange Zeit versperrt, und es wurde nicht richtig hingeschaut. Sie wurden unterschätzt, bis es den Angriff auf den Polizisten gab; wir haben schon mehrfach darüber gesprochen.
Der Generalbundesanwalt hat jetzt begonnen, wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung gegen „Reichsbürger“ zu ermitteln. Auch das zeigt uns, dass die „Reichsbürger“ genauer in den Fokus genommen werden müssen. Man beginnt nun, genauer hinzuschauen, und stellt fest, dass es sehr wohl personelle Überschneidungen mit der rechtsextremen Szene, mit der NPD, aber auch mit der AfD, gibt, aber auch mit anderen Organisationen.
Man stellt auch fest - das ist wenig verwunderlich -, dass die Inhalte mittlerweile im rechtsextremen Bereich salonfähig sind. Der Minister hat ausgeführt, Herr Höntsch hat ausgeführt, dass die Überlegungen, die die „Reichsbürger“ haben, und die Ideen, die hinter ihrer Ideologie stecken, auch in der rechtsextremen Szene zu finden sind. Und man konnte lesen, dass 189 Waffen im Besitz von „Reichsbürgern“ sind und dass 34 „Reichsbürger“ sogar mehr als eine Waffe besitzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist beängstigend, und das muss dazu führen, dass wir uns mit diesem Phänomen noch stärker beschäftigen.
Wir haben zusammen mit der Landesregierung bereits viel auf den Weg gebracht. Das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus richtet sich - das kann man auch in der Antwort auf diese Anfrage lesen - auch gegen die rechtsextremen Menschen, die sich mit ihrem Gedankengut in der „Reichsbürger“-Szene tummeln. Ich werde feststellen dürfen, dass das ein Großteil ist.
Das Innenministerium hat auch darüber hinaus - im LKA - umfänglich reagiert. Es hat aber auch Polizeischulungen vorangebracht und intensiviert. Es
gibt Behördenschulungen. Auch der Verfassungsschutz hat aus dem gesamten „Reichsbürger“Spektrum ein Beobachtungsobjekt gemacht, um das Phänomen genau zu erkunden. Danke, Herr Innenminister, Sie haben hier umfassend und gut reagiert.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier ein anderes Phänomen ansprechen, das uns, wenn wir uns mit den „Reichsbürgern“ beschäftigen, auch besonders zu denken geben muss, und zwar, dass rechtsextremes Gedankengut bis tief in die Mitte der Gesellschaft verwurzelt und dort verankert ist, dass rechte Äußerungen mittlerweile auch in der Mitte der Gesellschaft auf Zustimmung stoßen. Das ist kein neues Phänomen, aber es nimmt immer stärker zu.
Auch im rechtsextremen Spektrum bemerkt man, dass sich Mischszenen bilden, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit den „Reichsbürgern“, sondern auch darüber hinaus. Die Trennschärfe zu der Frage „Wer ist eigentlich ein Nazi?“, „Wer ist Rechtsextremist?“ und „Wer ist nur der sogenannte besorgte Bürger? - oder wie auch immer er sich nennen will - “, wird immer, immer schwieriger.
Es ist die Herausforderung in der heutigen Zeit, zu schauen, wie man diesem Phänomen offensiv begegnet und dafür sorgt, dass rechte Parolen in diesen Debatten nicht länger salonfähig sind.
Auch hier haben die rot-grüne Landesregierung und die sie tragenden Parteien gesagt: „Wehret den Anfängen!“ und mit dem Landesprogramm gegen Rechtsextremismus bis tief in alle Ministerien hinein Programme verankert und synchronisiert, um diesem Phänomen gerecht zu werden.
Auch die Landeszentrale für politische Bildung, die wir wieder eingeführt haben, ist ein Teil von Demokratieerziehung und Demokratie-Leben, das dazu beitragen kann, die Wurzeln solcher Gedankengüter zu hinterfragen und einen reflektierten Umgang hiermit zu finden.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auch sagen: Wir alle - auch wir alle hier - sind gefragt, dazu beizutragen, dass die Debatten anders geführt werden, dort offensiv zu widerspre
chen, wo es gegen Menschenrechte und Demokratie geht, aufzudecken, wo sich Nazis bewegen und vielleicht versuchen, Vereine zu kapern oder sich in Organisationen zu vernetzen, auf die Straße zu gehen, wenn Naziaufmärsche stattfinden, die Zivilgesellschaft zu stärken und selber Zivilcourage zu zeigen, wenn es darum geht, rechten Parolen und Ideen etwas entgegenzusetzen.
Es ist unsere Verantwortung, deutlich zu machen, dass Menschenverachtung und Demokratiefeindlichkeit keinen Platz in unserer Gesellschaft haben und von uns nicht toleriert werden - nirgendwo!
Vielen Dank, Frau Hamburg. - Jetzt hat sich JanChristoph Oetjen für die FDP-Fraktion gemeldet. Bitte schön!
Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich an dieser Stelle zunächst bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, insbesondere bei dem Kollegen Götz, für die Große Anfrage bedanken. Wir hatten ja schon ein Vorab dieser Großen Anfrage im letzten Plenum, als die Grünen dazu eine Dringliche Anfrage eingereicht und die gleichen Fragen gestellt hatten, die auch Sie gestellt haben.
Auch wir als FDP-Fraktion haben bereits einige Fragen zum Thema „Reichsbürger“ gestellt. Das zeigt, dass alle Fraktionen in diesem Hause sensibel für die Frage der „Reichsbürger“ sind.
Die Debatte, die wir heute zu diesem Themenkomplex führen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Kollegin Hamburg, lieber Kollege Höntsch und natürlich lieber Kollege Götz, ist aus meiner Sicht auch gut dafür geeignet, deutlich zu machen, dass wir als Demokraten in einem solchen Phänomenbereich, der scheinbar eine relativ hohe Dynamik hat, zusammenstehen und gemeinsam daran arbeiten, diesen Menschen keinen Raum zu geben.
mich darin erinnern, dass ich einmal eine Postkarte - ganz in Sütterlin geschrieben - von einem Menschen bekommen habe, der der Meinung war, dass ich das deutsche Volk mit meiner Arbeit hier im Niedersächsischen Landtag verraten würde.
Wenn man solche Post wie diese SütterlinPostkarte bekommt, dann ist man geneigt, zu denken: Was ist das denn für ein Spinner? - Aber dann bekommt man in einem anderen Zusammenhang und bei anderer Gelegenheit einen Anruf von der Staatsschutzabteilung der Polizei aus der örtlichen Polizeiinspektion, und es heißt: Herr Oetjen, Sie stehen da auf so einer Liste. Wir wollten Ihnen das nur sagen. Sie müssen sich vielleicht nicht zu sehr sorgen, aber ein bisschen irgendwie schon.
Das zeigt, dass es Menschen in diesem Land gibt, die unsere Rechtsordnung und unseren Staat ablehnen. Viele Mitarbeiter in den Verwaltungen kennen diese Menschen, weil sie nicht bereit sind, Knöllchen zu bezahlen, weil sie sagen: „Der Staat hat kein Recht, mir ein Knöllchen zu geben“, oder weil sie nicht bereit sind, ihre Steuern zu bezahlen, weil sie diesen Staat nicht anerkennen.
Das mögen vielleicht einzeln agierende Personen sein, so wie es die Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage darstellt. Aber die sozialen Medien ermöglichen eine Vernetzung untereinander und eine Verwebung mit anderen Gruppierungen. Die Kollegin Hamburg hat hier die NPD und die AfD genannt. Ich möchte das noch um die Kameradschaften ergänzen. Es gibt Verwebungen in diesem Bereich und sich dadurch multiplizierende und erweiternde Spielräume für diese Menschen, und sie erfahren Bestätigung.
Ich glaube, das ist ein Phänomen, bei dem wir sehr stark darauf Acht geben müssen, dass sich aus solchen, einzeln agierenden Personen nicht eine gemeinsame, größere Bewegung entwickelt. Ich bitte die Landesregierung, hier sehr wachsam zu sein.
Ich begrüße ausdrücklich, sehr geehrter Herr Minister, dass Sie die Zuverlässigkeit der „Reichsbürger“ infrage stellen und ihnen vor diesem Hintergrund die waffenrechtliche Erlaubnis entziehen. Es ist an dieser Stelle schon angesprochen worden: 44 Personen mit 184 Waffen. Das sind besorgniserregende Zahlen.
ten gemeinsam wachsam sein müssen. Denn unsere Freiheit und unsere Demokratie sind eben nicht selbstverständlich, sondern müssen tagtäglich neu erarbeitet und neu erkämpft werden.
Vielen Dank, Herr Oetjen. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich stelle fest, dass die Besprechung der Großen Anfrage damit abgeschlossen ist.
Tagesordnungspunkt 21: Abschließende Beratung: a) Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie korrigieren - ältere Menschen und junge Familien nicht von Wohnimmobilienkrediten ausschließen - überschießende Regulierung zurücknehmen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/6681 - b) Wohneigentum fördern - Bessere Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/6684 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 17/7436 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/7473
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir hatten hier ja schon einige Debatten zu dieser Thematik. Wir haben auch in verschiedenen Ausschüssen - im Unterausschuss „Verbraucherschutz“ und im Finanzausschuss - über das Thema der Wohnimmobilienkreditrichtlinie gesprochen.
Wir sind uns eigentlich parteiübergreifend einig in der Einschätzung, dass die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht in Deutschland viel
zu streng vorgenommen worden ist, dass über das Ziel hinausgeschossen wurde und dass wir jetzt wirklich gegensteuern müssen.
Es hat sich eine sehr unsoziale Praxis entwickelt dahin gehend, dass insbesondere ältere Menschen oft nicht mehr als kreditwürdig eingestuft worden sind, auch wenn sie abbezahlte Immobilien als Sicherheit hätten vorlegen können. Insbesondere in Fällen des barrierefreien Umbaus oder der energetischen Sanierung einer Wohnung ist es natürlich ganz und gar nicht in unserem Sinne, wenn diese Menschen keine Kredite mehr bekommen.