Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hocker. - Die Antwort der Landesregierung erfolgt durch Herrn Umweltminister Wenzel. Bitte sehr, Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Hocker, ich danke sehr herzlich für Ihre Anfrage.
Wolf und Hund haben seit Jahrtausenden mit Menschen zusammengelebt, allerdings ist der Wolf in den letzten 100 bis 150 Jahren in Mitteleuropa ausgerottet worden. Hier ist viel Erfahrungswissen verloren gegangen. Das betrifft die Nutztierhalter ebenso wie Menschen, die sich in Natur und Landschaft bewegen.
In sehr vielen Ländern Europas ist der Wolf immer heimisch geblieben. In einigen Bundesländern ist er bereits vor ca. 15 Jahren, aus dem Osten kommend, wieder zugewandert.
Der Wolf ist wie die Giraffe, der Elefant und der Löwe durch das Washingtoner Artenschutzabkommen und durch nationales Recht geschützt. Zu Recht erwarten andere Länder, dass wir genauso sorgfältig mit unserer Tier- und Pflanzenwelt, unserem gemeinsamen Weltnaturerbe, umgehen wie sie.
Dennoch ist die Entnahme einzelner Tiere unter Anlegung strenger Kriterien und im Ausnahmefall möglich. Diese Kriterien besagen u. a., dass vor einer Entnahme alle milderen Alternativen tatsächlich erfolglos geblieben sind.
Herr Hocker, Sie zitieren eine Zwischenauswertung der dokumentierten Nutztierrisse. In der Tat gibt es nach dieser Auswertung eine leichte Entspannung bei den Risszahlen, die zeigt, dass Herdenschutzmaßnahmen greifen. Diese Beobachtung wurde auch in Regionen gemacht, in die der Wolf schon länger zurückgekehrt ist. Die Risszahlen gehen zurück, wenn die Nutztierhalter ihren Herdenschutz verbessert haben.
Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass ein wirksamer Herdenschutz gegen den Wolf möglich ist. Am wirksamsten sind dabei Herdenschutzmaßnahmen, die den Wolf von vornherein davon abhalten, mit der Erbeutung von Nutztieren positive Erfahrungen zu machen. Jede Verzögerung in der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen durch die Nutztierhalter führt dazu, dass die Wolfsindividuen Nutztiere als Beute schätzen lernen können.
zu 92 % von Schalenwild ernähren. Nur 0,8 % entfallen auf Nutztiere. Präventionsmaßnahmen können die Wölfe in der überwiegenden Zahl der Fälle davon abhalten, Nutztiere zu reißen. Die Jagd auf Schalenwild wiederum verringert den Wildverbiss und auch die Zahl der Wildunfälle. Diese beiden Aspekte sind volkswirtschaftlich durchaus von Bedeutung, da derzeit allein in Niedersachsen etwa 15 000 km Zaun zum Schutz vor Wildverbiss errichtet wurden. Der finanzielle Aufwand übersteigt die Kosten des Wolfsmanagements um ein Vielfaches. Zudem wird die Resilienz der Ökosysteme gestärkt. Dabei ist der Wolf genauso geschützt wie viele andere heimische Säugetiere auch, Herr Dammann-Tamke - nicht stärker, auch nicht schwächer. Vögel, Reptilien und Insekten gehören genauso dazu.
Im Alltag weniger diskutiert, aber von ungleich höherer Relevanz ist der massive Artenverlust unserer Naturräume. So haben wir beispielsweise bei der Lerche, einem Vogel, den wir alle wohl sehr gut kennen, einen Rückgang von fast 70 % zu verzeichnen.
Auch unsere eigene menschliche Ernährung basiert auf den Ökosystemdienstleistungen der Natur. Sauberes Wasser, klare Atemluft und fruchtbare Böden lassen sich nicht künstlich herstellen. Allein die Bienen und Wildbienen sind von unschätzbarem Wert für die Bestäubung unserer Nahrungspflanzen. Es gibt also sehr gute Gründe für den bestmöglichen Schutz unserer Natur.
Wölfe, meine Damen und Herren, sind nicht in der Lage, zwischen Wildtieren und Nutztieren eine grundsätzliche Unterscheidung vorzunehmen. Beide sind potenzielle Beutetiere. Die Erbeutung wird bei Wildtieren durch deren Feindvermeidungsverhalten erschwert, bei Nutztieren u. a. durch Präventionsmaßnahmen des Menschen. Zu diesen Präventionsmaßnahmen gehören in erster Linie entsprechende Zäune. Als wirksam haben sich dabei vor allem elektrifizierte Zäune erwiesen, die auch in Bodennähe stromführend sind, sodass ein Wolf bei dem Versuch, diesen Zaun zu untergraben, zwangsläufig Stromschläge erhalten muss. Ebenfalls wirksam sind feste Zäune, die tief genug in den Boden eingelassen sind, um ein Untergraben wirksam zu verhindern, und bei denen auch ein Darüberklettern unmöglich gemacht wird.
Erheblich erhöht wird die Wirksamkeit von Zaunanlagen durch die Anwesenheit von Herdenschutztieren. Hinreichend erprobt sind Herdenschutzhunde, die jedoch nach Möglichkeit mindestens als Zweierteam eingesetzt werden sollen, für größere Herden auch mehr Hunde. Haben Wölfe gelernt, Elektrozäune zu überspringen, hat es sich als wirksam erwiesen, in ca. 20 cm Abstand direkt über dem Elektrozaun ein Flatterband zu spannen. Einer Meldung des Kontaktbüros „Wolfsregion Lausitz“ zufolge gab es auch in Sachsen keinen einzigen Fall, bei dem es zu einer Überwindung eines Zauns mit ordnungsgemäß angebrachtem Flatterband kam.
Nutztiere, für die der Mensch keine entsprechenden Präventionsmaßnahmen umgesetzt hat, sind für Wölfe eine leichte Beute. Wölfe sind in der Lage, Schwachstellen der vom Menschen installierten Präventionsmaßnahmen herauszufinden und zu deren Überwindung auszunutzen. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob diese Schwachstellen durch fehlerhaftes Aufstellen oder auch durch höhere Gewalt entstanden sind. Auch die nächtliche Stallhaltung trägt wirksam zum Schutz bei. Moderne Stallhaltungssysteme wie Boxenlaufställe haben u. a. dazu beigetragen, dass die Weidehaltung insgesamt deutlich zurückgegangen ist. Der Erhalt der Weidehaltung und des Grünlandes liegt jedoch zugleich im landwirtschaftlichen wie auch im naturschutzfachlichen Interesse. Deshalb müssen eine wirksame Beratung und Unterstützung der Weidetierhalter geleistet werden. Gerade Weidetierhalter haben oft geringere Einkommenserwartungen als Ackerbau- oder Veredelungsbetriebe. Deshalb liegen uns auch die Schäfer hier besonders am Herzen.
Alle Maßnahmen des Wolfsmanagements unterliegen einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, einem Erfahrungsaustausch mit anderen Bundesländern und im internationalen Kontext. Derzeit wird das Wolfkonzept in Zusammenarbeit mit dem AK „Wolf“ fortgeschrieben, weil viele Ansätze von 2010 nicht mehr zeitgemäß waren. Der Bund leistet hier wertvolle Unterstützung mit der Dokumentations- und Beratungsstelle DBBW.
Ich will auch betonen, dass die Sicherheit des Menschen immer an erster Stelle steht. Deshalb war die Entnahmeentscheidung richtig, die wir getroffen haben.
Zu Frage 1: Beim Schutz vor Wolfsangriffen dienen die Herdenschutzmaßnahmen wie geeignete Zäune, stromführende Drähte und Herdenschutztiere der Vergrämung. Herdenschutzmaßnahmen sind erfolgreich, wenn sie dazu führen, dass auf der betreffenden Fläche keine Nutztiere mehr gerissen werden.
Zu Frage 2: In diesem Zusammenhang erinnere ich auch an die Frage 46 der Großen Anfrage, die auf einen ähnlichen Komplex zielte. Nach jahrelangem Rückgang ist seit 2013 die Zahl der Schafe und schafhaltenden Betriebe in Niedersachsen - anders als im Bundestrend - wieder deutlich, nämlich um 7,8 % von 2013 auf 2015, angestiegen. Hauptursache dafür war die Entscheidung der Landesregierung, die Heide- und Deichflächen in Niedersachsen in die Agrarförderung neu aufzunehmen. Das Landwirtschaftsministerium hat 2013 entschieden, dass die von Schafen oder Ziegen beweideten Flächen die vollen Agrarprämien bekommen sollen. Unter der Vorgängerregierung bis 2013 galten diese Flächen nicht als landwirtschaftliche Nutzflächen und bekamen keine Agrarförderung. Seit 2014, mit Beginn der Förderperiode, sind zur Unterstützung der Schafhalter großflächig bewirtschaftete Flächen, sogenannte Dauerweiden, in der Lüneburger Heide und auf den Deichen in die Förderung der EU in Niedersachsen neu aufgenommen worden. Es handelt sich um etwa 10 000 ha. Die Höhe der Subvention ist von der landwirtschaftlichen Fläche abhängig, die ein Betriebsleiter bewirtschaftet. Im Durchschnitt erhält ein Empfänger von Direktzahlungen in Niedersachsen etwa 16 000 Euro pro Jahr. Daneben kann er bzw. sie bei Vorliegen der Voraussetzungen an verschiedenen Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen, die unterschiedliche Fördersätze aufweisen.
Gemäß Nutztierhalterverordnung sind Tiere, soweit erforderlich und möglich, vor widrigen Witterungsverhältnissen und vor Beutegreifern zu schützen. Zur Unterstützung erhalten Tierhalter zudem Zuwendungen nach der Richtlinie Wolf. Diese Zahlungen umfassen im Jahr 2016 ca. 260 000 Euro und fallen bislang noch unter die De-minimisRegel. Bislang konnten alle Anträge bedient werden.
Die Länge der Zäune hängt von verschiedensten Faktoren und Entwicklungen ab und ist von Region zu Region sehr verschieden. Statistiken liegen dazu nicht vor. Das Umweltministerium prüft derzeit, ob die Förderung auch auf Hobbyhalter ausgedehnt werden kann und ob eine erneute Förderung nach Ablauf einer Abschreibungsfrist möglich und sinnvoll ist.
Zu Frage 3: Zur Abwehr von Wölfen werden in der Regel Zäune eingesetzt, die bestimmte Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Beschaffenheit erfüllen müssen. Das ist in der Richtlinie, Anlage 1, definiert. Zäune, die diesen Anforderungen genügen, sind in der Regel ausreichend zur Vermeidung von Wolfsübergriffen. Einen 100 % wolfssicheren Schutz der Nutztiere vor Wolfsübergriffen bieten aber solche Zäune nicht. Verschiedene Umstände können dazu führen, dass die Zäune Schwachstellen aufweisen, insbesondere wenn sie durch Einwirkung äußerer Kräfte - Wind, Äste oder Ähnliches - in ihrer Form beeinträchtigt wurden. In seltenen Fällen können Wölfe auch lernen, intakte Schutzmaßnahmen zu überwinden.
Sowohl der örtliche Wolfsberater als auch eine Mitarbeiterin des Wolfsbüros des NLWKN waren bei Südergellersen vor Ort, um die Risse und auch die Gesamtsituation zu dokumentieren. Die Auswertung der Spurenlage ist noch nicht abgeschlossen. Auch fehlt noch das Ergebnis der genetischen Analyse. Herr Dr. Hocker hat darauf hingewiesen, dass es den Verdacht, aber noch keinen Beweis gibt. Mit dem Tierhalter wurde über Möglichkeiten zur Verstärkung des Herdenschutzes gesprochen, und Material - wie Lattenzaun und Flatterband inklusive höherer Zaunstäbe - wurde zur Verfügung gestellt.
Der beim dritten der inzwischen vier Übergriffe anwesende Herdenschutzhund befand sich ganz frisch in der Herde, um diese an die Anwesenheit von Herdenschutzhunden zu gewöhnen. Eine tatsächliche Schutzfunktion hat dieser einzelne Hund in der 700-köpfigen Herde noch nicht. Beim letzten Rissvorfall befanden sich zwei Herdenschutzhunde in der Herde. Diese haben anscheinend auch größere Schäden erfolgreich verhindert; denn nicht einmal das einzige gerissene Tier wurde vom Wolf genutzt. Allerdings war auch hier dem Tier das Eindringen nicht auf ganzer Zaunlänge effizient erschwert worden, da teilweise das Flatterband mit bis zu 40 cm Abstand außen vor dem Zaun und noch dazu in viel zu großer Höhe angebracht war
Einen ähnlichen Fall gab es bereits im Raum Goldenstedt, in dem das zu hoch über dem Zaun angebrachte Flatterband vom Tier für Fachleute erwartungsgemäß ignoriert und beim Überspringen des Elektronetzzauns untersprungen wurde. Ein Flatterband, das vom Tier schon bei der Annäherung an den Zaun unterquert werden kann, wird von diesem gar nicht mehr als Hindernis wahrgenommen.
In Sachsen, wo das Rosenthaler Rudel gelernt hatte, reguläre Elektrozäune von 90 cm Höhe zu überspringen, ist nach ordnungsgemäßem Anbringen von Flatterband kein Fall eingetreten, bei dem diese bereits spezialisierten Wölfe diesen verbesserten Grundschutz überwunden hätten.
Die Erfahrungen mit Südergellersen haben aber gezeigt, dass die schnelle Bereitstellung eines verbesserten Grundschutzes essenziell ist. Das Meldesystem wird daher verändert, meine Damen und Herren. Meldungen der Wolfsberater gehen künftig direkt an das Wolfsbüro und nur noch in Kopie an Jägerschaft und untere Naturschutzbehörde.
Das Verfahren zur Feststellung der Rissursachen wurde beschleunigt, wird aber noch weiter verbessert.
Künftig sollen den Tierhaltern noch schnellere Beratung und praktische Unterstützung zukommen. Dabei wird geprüft, wie verstärkt konkrete Soforthilfe vor Ort geleistet werden kann. Das kann die Bereitstellung von Zaunmaterial sein. Das kann auch tatkräftige Unterstützung sein. Das kann gegebenenfalls auch temporäre Unterstützung mit Herdenschutzhunden und erfahrenen Hirten sein.
Fakt ist aber auch, dass eine rechtzeitige Vorsorge der Weidehalter unabdingbar ist. Das ist von entscheidender Bedeutung.
Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Mir liegen die Schafhalter sehr am Herzen, weil wir sie z. B. auch für die Landschaftspflege in vielen Bereichen des Naturschutzes sehr dringend brauchen. Deswegen werden wir alles tun, um gerade auch die Belastungen, die dann auftreten, anzugehen und bestmöglich Abhilfe zu schaffen.
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, es folgen jetzt die Zusatzfragen. Eine erste Zusatzfrage möchte für die Fraktion der CDU der Kollege Angermann stellen. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommen wir zu konkreten Zahlen: Vor dem Hintergrund, Herr Minister Wenzel, dass bekanntlich zwei Kühe 1 ha Weidefläche benötigen - insofern braucht eine Durchschnittsherde von 100 Kühen 50 ha -, und in Anbetracht der Einzäunungskosten von 700 Euro pro Hektar und dass nur 21 ha bezuschusst werden, frage ich Sie: Wer soll denn die Kosten für die restlichen 30 ha tragen?
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Angermann, die Nutztierhaltungsverordnung sieht hier eine ganz klare Pflicht beim Tierhalter. Aber wir haben gesagt, dass wir die Tierhalter darüber hinaus mit freiwilligen Maßnahmen zusätzlich unterstützen. Wir haben aktuell eine Maßnahme, die aufgrund der De-minimisRegelung begrenzt ist. Wir haben aber einen Antrag auf den Weg gebracht, um künftig auch jenseits der Grenzen der De-minimis-Regel fördern zu können. Dann liegt die Förderung bei bis zu 30 000 Euro pro Fall und Jahr.