Protocol of the Session on November 22, 2016

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Jens Nacke [CDU])

Meine Damen und Herren, in unserem Bundesland werden regionale Eigenheiten nach wie vor bewahrt, respektiert - wir haben es gerade erlebt -, auch mit etwas Stolz gelebt.

Dennoch hat sich hier in den vergangenen 70 Jahren ein starkes Gemeinschaftsgefühl entwickelt, sodass sich Ostfriesen, Braunschweiger, Oldenburger und Hannoveraner längst auch mit diesem Land Niedersachsen identifiziert haben - Ausnahmen beim Fußball lasse ich mal dahingestellt.

Für eine Fortschreibung dieser Erfolgsgeschichte unseres Landes stehen wir auch heute wieder vor großen Herausforderungen.

Die technologischen und gesellschaftlichen Umwälzungen unserer Zeit stellen auch die Menschen in Niedersachsen vor große Aufgaben. In einem Bundesland, das traditionell von einer starken Industrie und Landwirtschaft geprägt ist, wird es eine besondere Aufgabe der Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft sein, diese Umbrüche zu begleiten. Unser Ziel muss es sein, den technologischen und gesellschaftlichen Wandel so zu gestalten, dass die Bürgerinnen und Bürger sich mitgenommen fühlen und sich niemand zurückgelassen fühlt.

Gleiches, meine Damen und Herren, gilt für die Integration jener Menschen, die aus Angst vor Krieg und in großer Not zu uns gekommen sind. Mit den Erfahrungen aus der Geschichte unseres Bundeslandes können wir angesichts dieser Herausforderungen jedoch optimistisch in die Zukunft schauen. Entscheidend wird dabei aber der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sein. Wir als Sozialdemokraten werden unseren größtmöglichen Beitrag dazu leisten.

Zum Siebzigsten herzlichen Glückwunsch, Niedersachsen! Auf eine erfolgreiche Zukunft!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Modder. - Es folgt jetzt der

Redebeitrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Es spricht die Vorsitzende, Frau Anja Piel. Bitte! Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Jubiläum, das wir heute noch einmal feiern, mag in Bayern oder Sachsen, sagen wir, ein wenig putzig wirken: 70 Jahre Niedersachsen. Während andere auf eine 1 000-jährige Geschichte zurückblicken, sich in Lokalpatriotismus und Folklore ergehen und eine gemeinsame Identität feiern, blicken wir auf gerade einmal 70 bundesrepublikanische Jährchen zurück, auf die Geschichte eines Landes, das durch einen Verwaltungsakt der britischen Militärregierung gegründet wurde und das sich nun wirklich nicht durch Homogenität auszeichnet, weder landschaftlich noch kulturell oder historisch.

Im Niedersachsenlied heißt es:

„Eine feste Burg und Wehr Fest wie unsre Eichen halten alle Zeit wir stand, Wenn Stürme brausen Übers deutsche Vaterland.“

Mit Verlaub, es verhält sich in Wirklichkeit etwas anders: Niedersachsen ist erst das Produkt eines Sturmes - eines Sturmes, den Deutsche entfacht haben, eines Sturmes, der Europa verwüstet hat.

Die Gründung des Landes Niedersachsen fällt in die unmittelbare Nachkriegszeit. Es ist die Zeit der Gründung der Bundesrepublik. Es ist auch die Zeit der Verabschiedung des deutschen Grundgesetzes. Und es ist die Zeit der Entstehung der Parteien. SPD und FDP gründeten 1947 ihre Landesverbände. Bis sich die CDU dagegen zu einem gemeinsamen niedersächsischen Verband zusammentat, hat es bezeichnenderweise bis 1968 gedauert.

(Zurufe von der CDU: Es dauert bis heute!)

- Die Alt-68er! 1968 hat offensichtlich einige Umwälzungen hervorgebracht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn wir das Gründungsjubiläum unseres Bundeslandes feiern, dann feiern wir auch - das ist mir sehr wichtig - die neue

demokratische und föderale Struktur der Bundesrepublik. Wir erinnern daran, dass das politische System, in dem wir jetzt leben, seit 70 Jahren ein Versprechen einlöst: das Versprechen von Frieden, Stabilität und Freiheit, von Wohlstand, von Offenheit und von Rechtsstaatlichkeit. Das ist alles andere als selbstverständlich. Zwei Jahre vor Gründung des Landes Niedersachsen herrschte Krieg, und es starben in den Konzentrationslagern - nicht nur in Auschwitz, sondern auch in Bergen-Belsen - viele Tausende Menschen. Dass hierauf eine Zeit des Friedens und der Demokratie folgte, die uns heute erlaubt, 70 Jahre Niedersachsen zu feiern, ist nicht selbstverständlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das lernen wir nicht nur mit Blick auf die Geschichte, das lernen wir auch mit Blick auf die Gegenwart: Den Verfassungsstaat mit seinem Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und Menschenrechten müssen wir alle immer wieder verteidigen. Wir müssen ihn jetzt ganz besonders verteidigen. Denn das, wofür der Neuanfang in Niedersachsen steht, stößt heute bei einigen schon wieder auf Misstrauen und Ablehnung. Rechtspopulistische Parteien sind nur ein Symptom für den Mangel an Vertrauen.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen haben immer wieder bewiesen, dass sie engagierte und politische Menschen sind.

Ich erinnere etwa an die Unterstützung von Geflüchteten. Nach dem Krieg kamen Menschen, nach der Wende kamen Menschen. Für die Boatpeople in den 70er-Jahren hat sich insbesondere Ernst Albrecht eingesetzt. Die vielen Helferinnen und Helfer von heute setzen diese Tradition der Offenheit fort. Menschlichkeit hat die Mehrheit in Niedersachsen - immer noch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das ist mir ganz wichtig. Ich bin ja Niedersächsin mit schleswig-holsteinischem Migrationshintergrund. Aber gerade wenn Niedersachsen politisch für diese Dinge auf die Straße gehen, fühle ich mich hier immer besonders wohl und zu Hause.

Ich erinnere an die ausdauernden und erfolgreichen Proteste gegen Rechtsextreme, etwa in Bad Nenndorf. Der Hass, der von einigen ausgeht, trifft

auf den Widerstand vieler. Auch hier hat Menschlichkeit die Mehrheit.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich will auch an den wichtigen und, wie ich finde, richtigen Protest von Tausenden gegen intransparente Entscheidungen für das Atomendlager in Gorleben erinnern. Die Menschen hier in Niedersachsen passen auf, und sie setzen sich zur Wehr, wenn sie sich nicht angemessen repräsentiert fühlen. Das ist wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass die Niedersachsen und die niedersächsische Politik sich auch in Zukunft so wach und einsatzbereit zeigen, wie sie es in der Vergangenheit oft genug getan haben. Können wir das? - Um mit dem neuen Slogan von Niedersachsen zu reden: „Klar.“ Klar können wir das. Klar, Niedersachsen packt an!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung von Jens Na- cke [CDU] und Christian Dürr [FDP])

Vielen Dank, Frau Piel.

Redebeitrag der Fraktion der FDP

Schließlich, meine Damen und Herren, spricht für die Fraktion der FDP deren Vorsitzender, Herr Dürr. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! 70 Jahre - das ist so etwas wie ein Zwischenjubiläum, wenn ich das so sagen darf. Man fragt sich: Soll man feiern oder doch nicht so richtig? Soll man eher bedächtig in die Vergangenheit schauen?

Das Konzept einer Veranstaltung in den letzten Wochen schien zu sein, eher bedächtig in die Zukunft zu schauen. Ich bin dankbar - das will ich deutlich sagen, obwohl es normalerweise nicht mein Stil ist, bei Feierlichkeiten zu sprechen; das gebe ich ehrlich zu -, dass alle Beteiligten erklärt haben, dass der Fünfundsiebzigste so richtig gefeiert wird. Ich glaube, unser Bundesland hat es

verdient. Meine Damen und Herren, wir Niedersachsen brauchen uns nicht zu verstecken.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ein Blick in die Vergangenheit: In diesem Monat feiern wir das 70-jährige Bestehen unseres Bundeslandes. Am 9. Dezember 1946, also vor 70 Jahren, fand im Neuen Rathaus hier in Hannover die erste - konstituierende - Sitzung des Niedersächsischen Landtages statt. Der Gebietsbeauftragte für das Land Niedersachsen, Lieutenant General Sir Gordon Macready, hat in der ersten Sitzung gesagt:

„Ich möchte noch einmal klar ausführen, dass ich und alle anderen Mitglieder der Militärregierung nicht hier sind, dem Wohlstand und dem Glück des deutschen Volkes im Wege zu stehen.“

Ich glaube, das sind - anderthalb Jahre nach Kriegsende - bemerkenswert freundliche Worte des einstigen Kriegsgegners, einer Siegermacht im Zweiten Weltkrieg: Sie möchten dem Glück und dem Wohlstand des deutschen Volkes und der Niedersachsen nicht entgegenstehen.

In Sensibilität für die Vielfalt des Landes Niedersachsen führte Macready in seiner Rede weiter aus:

„Ich weiß, dass es einzelne Leute gibt, die die Vereinigung der bisherigen Länder zu dem neuen Land Niedersachsen bedauern, ja, sogar Anstoß daran nehmen, da sie hierdurch befürchten, ihre engere Heimat zu verlieren. Als geborener Schotte bin ich aber wahrscheinlich in ebenso guter Lage wie irgendein anderer, die Versicherung zu geben, dass dies nicht der Fall sein wird.“

Wir haben gerade vor einigen Tagen das 100jährige Bestehen des Oldenburger Landtags gefeiert.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Des Ge- bäudes!)

Als Oldenburger darf ich an dieser Stelle sagen: Alle Landesteile sind in Niedersachsen angekommen. Das ist eine gute Botschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)