Protocol of the Session on October 28, 2016

Hinsichtlich des ersten Aspektes ist mittlerweile wissenschaftlich fundiert belegt, dass abhängig von Alter, Dosierung und individueller Disposition

unterschiedliche akute Folgeschäden durch Cannabiskonsum auftreten können.

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Wie beim Alkohol!)

Hierzu gehören exemplarisch Panikattacken, psychotische Symptome, mangelnde Konzentration und eine gestörte motorische Koordination. Insbesondere ein hoch dosierter, langjähriger intensiver Cannabisgebrauch - die Daten hatte ich vorhin genannt - sowie ein Konsumbeginn im Jugendalter können mit Abhängigkeit, spezifischen Entzugssymptomen, Psychosen und körperlichen Schädigungen vor allem respiratorischer und kardiovaskulärer Erkrankungen einhergehen.

Diese Darstellung macht deutlich: Cannabis ist mitnichten eine harmlose Substanz. Eine gesetzliche Freigabe zu Genusszwecken ist gerade aus suchtfachlicher Sicht kritisch zu hinterfragen.

Bezüglich des zweiten Aspekts besteht Konsens, dass auch Suchtmittel konsumierende Menschen grundsätzlich vollständig und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben sollten. Die strafrechtliche Drogenprohibition kann bei Cannabis im Gegensatz zu Alkohol und Nikotin die gesellschaftliche Teilhabe jedoch erheblich einschränken.

Der hier vorliegende Antrag stellt die Argumentation auf, dass die derzeitigen gesetzlichen Regelungen ihr Ziel nicht erreicht hätten. Dies ist allerdings wissenschaftlich nicht belegbar. So berichtet die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, dass - Zitat - „Änderungen des Strafrechts oder seiner Anwendung in anderen europäischen Staaten keinen eindeutigen Effekt, weder in Richtung Konsumrückgang noch Ausweitung des Konsums aufwiesen“.

Im Sinne eines sogenannten generalpräventiven Effekts erscheint eher eine Anpassung erforderlich, wie durch die Einführung einer bundeseinheitlichen Eigenverbrauchsgrenze für den Besitz geringer Mengen von Cannabis. Die vorhandenen Regelungen sind allerdings auch weiterhin sinnvoll. Folglich müsste die politische Handlungsmaxime lauten: Entkriminalisierung - ja, Legalisierung - nein.

Der hier vorliegende Antrag fokussiert sich in juristischer Hinsicht auch auf das Jugendschutzgesetz. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass dies kein geeigneter Ersatz für die gesetzlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes im Umgang mit Cannabisprodukten sein kann. In der Praxis - ich

erinnere an den jugendlichen Alkoholtestkäufer - hat es sich hinsichtlich einer Beschränkung des Substanzmissbrauchs als wenig effektiv gezeigt. Grundsätzlich ist das Gemeinwohl gegenüber dem individuellen Interesse Einzelner abzuwägen.

Eine im Antrag geforderte Freigabe von Cannabis über eine staatliche Regulierung im Hinblick auf Anbau und Qualität, Handel und Abgabe inklusive Kontrollen würde ferner zu nicht kalkulierbaren Kosten führen. Beim Aufbau eines entsprechenden Verwaltungsapparates würden die entstehenden Kosten von der Allgemeinheit zu tragen sein, der Nutzen aber nur einer kleinen Gruppe der Bevölkerung zugutekommen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das kann man über Gebühren regeln!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, abschließend festzuhalten, dass die von mir skizzierten suchtfachlichen und gesellschaftspolitischen Aspekte gegen die grundsätzliche Legalisierung bzw. Freigabe von nichtmedizinischem Cannabis auf Länderebene sprechen. Allerdings ist es sicherlich politisch nachvollziehbar, sich über neue Wege in der Drogenpolitik Gedanken zu machen, weil die Prävalenz von Cannabis trotz repressiven Ansatzes nicht abgenommen hat.

Ziel muss es sein, einen breiten gesellschaftlichen Konsens zur Lösung dieser - ich nenne sie einmal so - Glaubensfrage herbeizuführen. Hierzu spricht sich beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Suchtfragen für das Einsetzen einer Ethikkommission auf Bundesebene aus. Wir hier vor Ort werden die notwendige Fachexpertise im federführenden Sozial- und Gesundheitsausschuss sicherlich hinzuziehen.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausschussberatungen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Edi- tha Lorberg [CDU] und Dirk Toepffer [CDU])

Vielen Dank, Herr Dr. Pantazis. - Für die CDUFraktion hat das Wort der Abgeordnete Volker Meyer.

(Beifall bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: Du kennst dich damit also aus!)

Keine Angst, ich kenne mich damit nicht wirklich gut aus. Ich habe es noch nicht probiert. Das kann ich ganz beruhigend hier feststellen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einleitend zunächst gerne feststellen, dass wir den Einsatz von Cannabis aufgrund medizinischer Indikationen absolut unterstützen und der Auffassung sind, dass in diesem Bereich weiter geforscht werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Werfen wir einmal einen Blick auf die Konsumsituation in der Bundesrepublik. Der Kollege Pantazis hat das schon getan. 7,8 % der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren haben in ihrem Leben bereits einmal Cannabis genommen, 1,3 % davon regelmäßig. Abhängigkeit von Cannabis oder missbräuchlicher Gebrauch dieser Substanz bestehen bei etwa 0,5 % der deutschen Erwachsenen. Cannabiskonsum ist mittlerweile bei den unter 25-Jährigen der Hauptgrund für eine ambulante und stationäre Behandlung sowie die Inanspruchnahme von Einrichtungen der Suchthilfe. Hochgerechnet ist davon auszugehen, dass rund 600 000 vorwiegend junge Menschen Probleme mit dem Konsum von Cannabis haben.

Vor dem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, schreiben Sie in Satz 2 Ihres Antrages: „Insbesondere der Jugendschutz kann durch die derzeitige Rechtslage kaum gewährleistet werden.“

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das scheint ja so zu sein!)

In Satz 4 führen Sie aus: „Es ist offensichtlich, dass ein besserer Schutz junger Menschen vor den negativen Folgen des Cannabiskonsums nur durch gezielte Legalisierung und dadurch ermöglichte Regulierung erreicht werden kann.“

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Die von Ihnen in Satz 2 gewählte Formulierung kann man unter Umständen noch teilen. Die dann jedoch von Ihnen gezogene Schlussfolgerung, dass der Jugendschutz durch eine Legalisierung des Cannabismarktes verbessert werden kann, ist aus unserer Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der CDU)

Es kann doch nicht unser Ziel sein, durch Legalisierung eines Marktes Cannabis kontrolliert an Erwachsene zu verkaufen und dann die erzielten Einnahmen in Aufklärungs- und Präventionsarbeit einzusetzen! Dies ist aus unserer Sicht der falsche Weg; denn diese Einnahmen werden Sie zukünftig sicherlich in höherem Maße in ambulante und stationäre Behandlungsmöglichkeiten investieren müssen.

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das bezweifle ich!)

Ich möchte einen kleinen Vergleich anstellen: Beim Rauchen wollen wir durch Schockbilder eine Abschreckung erreichen, um den Konsum zu reduzieren und Gesundheitsrisiken zu minimieren,

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das hat ja auch geklappt!)

- darauf gehe ich nachher noch detaillierter ein -, und beim Cannabiskonsum, der nachweislich deutlich gesundheitsgefährdender ist, wollen Sie eine Legalisierung herbeiführen. Dies ist aus unserer Sicht und gerade aus der Sicht der jungen Gruppe absolut unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser gemeinsames Ziel muss doch eigentlich ein anderes sein. Wir müssen uns doch gemeinsam dafür einsetzen, dass wir eine möglichst drogenfreie Gesellschaft bekommen. Hieran sollten wir gemeinsam arbeiten. Die von Ihnen gemachten Vorschläge sind hierfür nicht geeignet. Eine bessere Verfügbarkeit von Cannabis würde sicherlich nicht dazu beitragen, dass der Konsum insgesamt sinkt, und ist sicherlich auch nicht im Sinne des Jugendschutzes.

Lassen Sie uns noch einmal - der Kollege Pantazis hat das auch schon angesprochen - einen Blick auf die Auswirkungen von Cannabiskonsum werfen. Jugendlicher Cannabiskonsum beeinträchtigt die Entwicklung des Gehirns, und bleibende Schäden sind nicht auszuschließen. Die aktuelle Forschungslage belegt, dass vor allem im Jugendalter begonnener hochdosierter, langjähriger und intensiver Cannabiskonsum mit einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Problemen verbunden ist. Genannt seien nur Abhängigkeit, Entzugssymptome, kognitive Einbußen, Angststörungen sowie körperliche Schäden an Lunge und Herz. Etwa 10 % der regelmäßigen Cannabiskonsumenten entwickeln eine Abhängigkeit. Bei denen, die jung beginnen, steigt dieses Abhängigkeitsrisiko um das Sechsfa

che an. In der Regel haben starke Cannabiskonsumenten zusätzlich Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen, Depressionen und andere Suchtprobleme.

Herr Meyer, ich darf Sie kurz unterbrechen. Herr Schremmer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Ich würde Sie gerne fragen, weil Sie gesagt haben, dass der Konsum auch im Jugendalter relativ hoch ist, und Sie haben auch einiges zum Jugendschutz ausgeführt. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie gerne fragen, wo Sie im Augenblick in der aktuellen Situation eine öffentliche Cannabisprävention in der Gesellschaft sehen. Wo findet das denn im Augenblick tatsächlich statt?

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Gute Frage! - Dirk Toepffer [CDU]: Zur Sekunde hier im Landtag!)

Herr Meyer, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Kollege Schremmer, die findet leider zu wenig statt. Darin gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht. Da sind Sie eigentlich als Landesregierung gefordert und hätten dieses Thema schon längst aufgreifen können.

(Beifall bei der CDU - Jörg Bode [FDP] - zur SPD und zu den GRÜ- NEN -: Aha, ihr seid schuld! Da seht ihr es! - Gegenruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Wir sind nicht die Regie- rung! - Gegenruf von Jörg Bode [FDP]: Jetzt, auf einmal! - Heiterkeit)

Sie blenden in Ihrem Antrag völlig aus, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, dass Cannabis eine berauschende Substanz ist, deren Missbrauch gesundheitsgefährdend ist. Eine Legalisierung von Cannabis ist aus gesundheitlicher Sicht nicht zu verantworten. Die Freigabe wäre ein falsches Sig

nal; denn sie würde dazu führen, dass die Risikowahrnehmung des Cannabiskonsums zurückgeht. Mit dieser falschen Botschaft, mit der Sie aus unserer Sicht den Eindruck erwecken, das Kiffen sei harmlos, besteht die Gefahr, dass mehr konsumiert wird.

(Widerspruch bei den GRÜNEN - Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das hat keiner gesagt!)

Gerade der in diesem Antrag beschriebene Ausschluss Minderjähriger und von Personen mit besonderen Auffälligkeiten für Psychosen führt doch dazu, dass es weiterhin einen illegalen Markt für Cannabis geben wird.

Wenn man das Prostitutionsgesetz als Vergleich heranzieht, könnte man sich bei der Legalisierung von Cannabis eine ähnliche Entwicklung vorstellen: Am Ende wird nichts besser, sondern die Ausbeutung nimmt zu und die Profite der Kriminellen in der Gesellschaft ebenfalls.

(Beifall bei der CDU)