Protocol of the Session on October 26, 2016

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Einmal mehr!)

- Einmal mehr!

Zudem haben sich die SPD-Minister, die im Bundesrat anwesend waren - zugegebenermaßen war es nicht der Fachminister, sondern andere -, von Herrn Wenzel über den Tisch ziehen lassen. Dieser hat die Gunst der Stunde genutzt, industriefeindlicher Politik die Hand zu reichen, meine Damen und Herren. Dass das nicht verhindert worden ist, ist ein schweres Versäumnis.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie, Herr Weil, und Ihr Wirtschaftsminister halten in Sonntagsreden immer gerne Vorträge über die Bedeutung des Industriestandorts Niedersachsen. Bei Ihnen fallen allerdings Reden und Handeln immer deutlich auseinander. Denn wenn es darauf ankommt, machen Sie sich einen schlanken Fuß, sind Sie nicht mehr da und lehnen im Grunde genommen die Verantwortung ab.

Anders gehen Bayern, Baden-Württemberg und - man höre und staune! - auch das Saarland mit dieser Frage um, die nämlich ausdrücklich und klar erklärt haben, dass sie diesen Vorschlag ablehnen. Der Ministerpräsident aus Baden-Württemberg, der ja der Grünen-Partei angehört, hat ganz klar erklärt: Ein Enddatum für Verbrennungsmotoren ist sinnlos! - Recht hat er, meine Damen und Herren. Er hat recht. Es ist nicht das erste Mal, dass Herr Kretschmann das erklärt hat. Das erklärt er in Folge schon seit 2012. Ich kann nur hoffen, dass sich auch in Niedersachsen diese Erkenntnis beim Ministerpräsidenten Bahn bricht; denn das ist der richtige Weg. Verbrennungsmotoren sind nicht out, meine Damen und Herren, sondern sie haben eine große Zukunft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn man sich die Auswirkungen für Niedersachsen als Mutterland des VW-Konzerns mit vielen Hunderttausend Beschäftigten in diesem Bereich

überlegt, was das für die Beschäftigten insgesamt bedeutet, dann wird klar, dass das auch ein Affront gegenüber den Beschäftigten nicht nur bei Volkswagen, sondern auch gegenüber denen bei allen anderen Zulieferern in diesem Segment gewesen ist, die hier leichtfertig zur Disposition gestellt werden sollen.

Hinzu kommt, dass gerade der Dieselmotor - neben dem Ottomotor - eines der leistungsfähigsten Aggregate ist, die es weltweit gibt. Deswegen meine ich nicht, dass wir aufgrund eines Skandals, der jetzt in den USA eine gewisse Rolle gespielt hat, diese Technik per se infrage stellen sollten. Wir müssen sie weiterentwickeln. Deutsche Ingenieurskunst hat diesen Dieselmotor groß und stark gemacht, meine Damen und Herren. Und deutsche Ingenieurskunst kann auch diesen Diesel weiterentwickeln, weil er eine weltweit hohe Bedeutung hat. Daran sollte man sich orientieren, meine Damen und Herren, und an nichts anderem.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss.

Deswegen wird einmal mehr deutlich, dass Sie einen hohen Preis für Ihren Koalitionsfrieden zahlen. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben kein Verständnis dafür, wenn die Grundlagen von Wohlstand und Wachstum auf dem Altar ideologischer Träumereien gefährdet und für die autofreie Gesellschaft geopfert werden sollen. Das ist ausdrücklich der falsche Weg, meine Damen und Herren. Kehren Sie um!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Thümler. - Jetzt spricht für die Fraktion der SPD der Kollege Gerd Ludwig Will. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Thümler, Sie selbst haben darauf hingewiesen: Der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg hat deutlich gemacht, dass es sinnvoller ist, die Entwicklungsprozesse zu fördern und zu unterstützen, als mit willkürlichen zeitlichen Festsetzungen Scheinlösungen zu fordern. Der Verbrennungsmotor wird in den nächsten Jahren an Bedeutung verlieren, allerdings nur in dem Maße, in dem ihn erfolgreiche neue schadstoffarme Antriebe

ersetzen können. Die Zielsetzung ist richtig und wichtig. Wir haben uns auf den Weg gemacht und können diesen Prozess nun nicht auf die Festlegung einer Jahreszahl reduzieren.

Herr Thümler, ich frage mich: Wo war eigentlich Ihr Beitrag zu einer Innovationsoffensive für schadstoffarme Antriebe, als Sie Regierungsverantwortung trugen?

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die eigentliche Fragestellung ist: Wie kommen wir zu einer deutlichen Verringerung der Emissionen im Verkehrsbereich? Welche Antriebssysteme sind für die Zukunft geeignet, die Schadstoffe in der Luft zu reduzieren? Und wie können wir mit optimierenden und steuernden Maßnahmen in der Verkehrspolitik zur weiteren Verringerung der Emissionen beitragen?

Diese Landesregierung hat deutlich gemacht, dass eine Perspektive im Elektroantrieb zu entwickeln ist. Derzeit wird das Netz von Elektrotankstellen ausgeweitet - dafür gibt es sogar ein Förderprogramm -, eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz dieses Antriebs. Für die Herstellerseite gilt allerdings auch - leider haben Sie diese hier überhaupt nicht angesprochen -, die Attraktivität durch größere Reichweiten in den nächsten Jahren weiter zu steigern. Das ist durchaus eine Aufforderung an die Unternehmen und eine Aufgabe für Forschung und Entwicklung aufseiten der Fahrzeughersteller.

Meine Damen und Herren, das Land nimmt gerade im ÖPNV durch die Förderung schadstoffarmer Busse eine wichtige Vorbildfunktion ein. Das gilt sowohl für Elektroantriebe als auch für die Umstellung auf gasbetriebene Busse. Beispielsweise sind erste Busse und Lokomotiven mit Wasserstoffantrieben unterwegs. Eine deutliche Reduzierung der Emissionen im öffentlichen Personennahverkehr hat erhebliche Auswirkungen auf die Schadstoffintensität; denn ca. ein Drittel der Emissionen im Verkehrsbereich verursacht nach wie vor der ÖPNV, ein weiteres Drittel der Pkw- und der LkwVerkehr. Insofern lohnt es sich, direkt mit der Vorbildfunktion des Landes gerade für den ÖPNV zu beginnen.

Nicht zuletzt wird eine Technologie attraktiv, wenn sie zu erschwinglichen Preisen angeboten wird. Nur so kann es auf Dauer gelingen, den Anteil der klassischen Verbrennungsmotoren zu reduzieren. Zur Umwandlung der Fahrzeugflotten gehören auch Anreizsysteme, die eine schnellere Moderni

sierung möglich machen. Wir kennen das aus der Vergangenheit; das war durchaus erfolgreich.

Nur so kann die technologische Aufholjagd gegenüber ausländischen Herstellern gelingen. Beklagen wir nicht, dass die Firma Toyota inzwischen bis zu 50 % ihrer Fahrzeuge im Hybrid- bzw. Elektrofahrzeugbereich umsetzt! Stellen wir uns lieber die Frage: Weshalb sind die deutschen Hersteller noch nicht so weit?

Wir brauchen in Niedersachsen mehr Elektromobilität und gleichzeitig weitere Entwicklung und Forschung nicht nur bei dieser Technologie. Bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen ist allerdings auch der Bund gefordert. Auch dafür brauchen wir positive Vorgaben, um es gemeinsam mit den Unternehmen zu entwickeln. Dazu sind aber auch die Hersteller aufgerufen, um auf den Zukunftsmärkten auf Dauer erfolgreich zu sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Will. - Es folgt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Maaret Westphely. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal können wir festhalten: Mit dieser Aktuellen Stunde und mit dem Wortbeitrag von Ihnen, Herr Thümler, geht es Ihnen nicht um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts; denn mit einer Politik von gestern werden wir die Probleme der Zukunft nicht lösen. Ihr Ansatz wird nicht funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

In dem Beschluss des Bundesrats geht es um nicht weniger als um die Zukunft der Automobilindustrie in Europa, in Deutschland und auch in Niedersachsen. Aktuell haben wir in Europa zwei entscheidende Probleme: Zum einen müssen die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren stark sinken, auch im Verkehr. Zum anderen stellen die mit Diesel betriebenen Autos in den Städten eine starke Gesundheitsbelastung für die Menschen dar. Diese Probleme werden wir nur mit alternativen Antrieben statt fossil betriebener Verbrennungsmotoren lösen können.

Die Branche selbst sagt, dass die technischen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Verbren

nungsmotoren ausgereizt sind. Um Verbrauchs- und Abgaswerte zu verbessern, sind immer aufwendigere und damit teurere Lösungen notwendig. Der VW-Abgasskandal und die Manipulation anderer Hersteller führen uns doch vor Augen, dass eine bewährte, aber eben auch alte Technik überfordert ist, wenn es darum geht, aktuelle Herausforderungen zu bewältigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und da stellt sich auch schon das zweite Problem: In der Automobilindustrie hält Europa zwar die meisten Patente für die Optimierung von Verbrennungsmotoren. Bei den alternativen Antriebstechnologien hingegen verfügt der Rest der Welt über eine größere Anzahl von Patenten, und die Wachstumsraten der Märkte sind höher.

Bei der Herstellung von Elektromobilen haben Autobauer aus China, Japan und den USA die Nase vorn. Das zeigt klar: Wenn wir in Europa, in Deutschland und in Niedersachsen nicht politisch in die Puschen kommen und konzentriert den Fokus auf Forschung, Entwicklung und auf die Markteinführung alternativer Antriebe legen, dann spielt die Musik in Zukunft woanders. Aber das ist genau das, was wir nicht zulassen dürfen; denn so gefährden wir erst recht den Wirtschaftsstandort Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Mit der Kritik am Bundesratsbeschluss, in dem es heißt, dass die EU Vorschläge zum effizienten Einsatz von Abgaben und steuerrechtlichen Instrumenten unterbreiten soll, damit spätestens ab dem Jahr 2030 unionsweit nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden, darf ein entscheidender Fehler nicht gemacht werden: Erstens müssen wir sauber und sachlich darstellen, worum es geht. Es geht nicht um Enteignung; für die aktuellen Besitzer von Fahrzeugen wird sich nichts ändern. Und zweitens eignen sich die Boten nicht als Sündenböcke.

Denn tatsächlich haben wir es mit einer globalen Entwicklung zu tun. Die Bekämpfung des Klimawandels und die weltweite technische Entwicklung hin zu alternativen Antrieben macht vor unserer Tür keinen Halt. Entweder wir stellen uns dieser Entwicklung mit intelligenten Rahmensetzungen für die Industrie und die Verbraucherinnen und Verbraucher, oder der technische Fortschritt lässt unsere Industrie zurück. Das wollen wir Grüne

nicht. Unserer Meinung nach ist es auch noch nicht zu spät, das Ruder herumzureißen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aktuell gibt es eine Vielzahl von Anreizen - Steuern, Abgaben - oder Erleichterungen, die Einfluss auf das Verhalten der Käuferinnen und Käufer und Entscheidungen der Wirtschaft haben. Ein Beispiel: Die steuerliche Unwucht zu Gunsten des Diesel ist ein Anreiz, der weder dem Gesundheits- noch dem Klimaschutz dient und uns sicher nicht in die Zukunft führt. Solche Instrumente gehören durch andere ersetzt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Unser Ziel muss doch sein, dass die politischen, die steuerlichen und die infrastrukturellen Rahmenbedingungen so sind, dass 2030 gar niemand mehr ein stinkendes und lautes Auto kaufen will, weil die Alternativen einfach attraktiver sind.

Und klar ist auch: Investitionssicherheit für diese Transformation wird die Industrie nur bekommen, wenn es ordnungspolitische Klarheit gibt und sie davon ausgehen kann, dass ihre Produkte auch gekauft werden. Daran müssen wir auf allen Ebene arbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Gerd Ludwig Will [SPD])

Auch in den Niederlanden und in Norwegen geht es in diese Richtung. In Norwegen - davon konnten wir uns bei unserer Ausschussreise überzeugen - haben Elektroautos übrigens bereits einen Marktanteil von 23 %. Tatsächlich ist der e-Golf von VW dort am beliebtesten und damit ein hervorragender Beweis für ein gutes Produkt aus Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch sonst setzen wir große Hoffnungen in das Zukunftspaket von VW. Notwendig ist aus unserer Sicht, einen nächsten Schritt zu gehen. Um Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Niedersachsen zu halten, muss die Batteriefertigung für VW an einen niedersächsischen Standort und bestenfalls dorthin, wo es überschüssige Windenergie für die energieintensive Batterieproduktion aus erneuerbaren Energien gibt.

All diese Anfänge einer emissionsfreien Zukunft im Verkehr müssen wir stärken. Dazu brauchen wir den Mut und die Kraft, Dinge zu ändern, weil wir genau wollen, dass Innovationen, die Entwicklung

neuer Technologien sowie deren Produktion auch bei uns stattfinden und gerade weil uns die Jobs in der Automobilbranche, in der Zulieferindustrie und das Schicksal der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Herzen liegen.