Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ausgehend von den Überlegungen der Dezentralität der teilhabeorientierten Migrationspolitik, greift der vorliegende Gesetzentwurf, Frau Joumaah, bereits von der Stoßrichtung her zu kurz, weil er dem landesspezifischen Ansatz zuwiderläuft und in seiner Grundstruktur die Gefahr von Doppelstrukturen in sich birgt, da wir ja schon Strukturen besitzen, für die wir als Land entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip aufkommen müssten.
Sie werden daher verstehen, dass wir für die Landesebene die bereits im Bundesaufenthaltsgesetz geregelte Integration von Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben mithilfe von Integrationskursen durch ein Niedersächsisches Integrationsgesetz, auch in Anbetracht der von mir bereits dargestellten bestehenden Strukturen, als obsolet ansehen, ganz zu schweigen von der integrationspolitischen Stoßrichtung in Ihrem Gesetzentwurf hinsichtlich der Kritik sowohl an der zentralen Unterbringung der Menschen in Zentren als auch an den angestrebten individuellen Integrationsvereinbarungen.
Im Rahmen der parlamentarischen Beratung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, haben wir natürlich die Kommission hinzugezogen und auch eine Anhörung durchgeführt. Zunächst einmal ist die Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe entsprechend der Geschäftsordnung beteiligt worden. Sie ist um eine Stellungnahme gebeten worden. Diese hat sich von der Landesregierung über den Stand der parallel betriebenen Gesetzgebungstätigkeit des Bundes informieren bzw. unterrichten lassen und empfahl dann nach eingehender Beratung - darin sind ja alle Migrantenverbände vertreten, die in dieser Hinsicht betroffen sind - dem federführenden Ausschuss einstimmig, den Gesetzentwurf auch vor diesem Hintergrund abzulehnen.
Die mitberatenden Ausschüsse, also der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, haben sich diesem federführenden Votum ebenfalls angeschlossen. Hier möchte ich erwähnen, dass sich ebenfalls die Ausschussmitglieder der FDP dieser Ablehnung angeschlossen haben.
Am 11. August haben wir entsprechend Ihrer Bitte eine mündliche Anhörung durchgeführt, bei der Vertreterinnen und Vertreter von elf verschiedenen Institutionen dazu Stellung genommen haben.
Ich muss auch erwähnen: Es hat einige Stellungnahmen gegeben, die dem Ausschuss in schriftlicher Form zugeleitet wurden. Hier möchte ich nicht meine Verwunderung über die Vorgehensweise der CDU-Fraktion verhehlen, dass diese zum Teil über den Weg gesteuerter Eingaben getätigt worden sind. Wenn das die Art und Weise ist, wie wir zukünftig miteinander umgehen wollen, wenn das Schule machen und Praxis werden sollte, dann sehe ich in dieser Hinsicht etwas schwarz.
Trotz dieser Winkelzüge hat die Anhörung genau unsere Position bestätigt, dass der hier nun zur abschließenden Beratung vorliegende Gesetzentwurf abzulehnen ist. Denn auf die Frage beispielsweise an den Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, Herrn Professor Meyer, ob dieser Gesetzentwurf aus kommunaler Sicht obsolet sei, antwortete dieser mit einem eindeutigen Ja.
Wissen Sie, wie ich das bezeichne? - Das habe ich auch in einer Pressemitteilung getan. - Als eine „schallende Ohrfeige“. Guckt man sich die kommunale Ebene an, dann stellt man nämlich fest, dass die Koordination und Zusammenarbeit in Integrationszentren bereits möglich ist und dort auf kommunaler Ebene zum Teil schon betrieben wird.
Diese verfügen insofern - auch das hat der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände gesagt - über einen erheblichen Gestaltungsspielraum, beispielsweise im Landkreis Goslar oder im Landkreis Osnabrück. Dort wird das Konzept eines Migrationszentrums verfolgt. Wenn sich andere Kommunen an diesen Landkreisen ein Vorbild nehmen wollen, auch vor dem Hintergrund des neuen Integrationsgesetzes des Bundes, dann wird das befürwortet. Dazu ist allerdings kein Gesetz nötig.
Auch die anderen angehörten Institutionen lobten zwar grundsätzlich die Initiative, sich über Integrationsmaßnahmen zu unterhalten respektive sie zum Thema zu machen, sahen aber alle keine Notwendigkeit für solch ein Gesetz. Dementsprechend bezeichneten auch alle anderen, die an der Anhörung beteiligt waren, dieses Gesetz als obsolet.
Ich fasse abschließend zusammen: Das vorliegende Integrationsgesetz betrachten wir - auch in Anbetracht der bereits landesseitig existierenden Instrumente und der erfolgten Anhörung im federführenden Ausschuss sowie der Beratung in der Parlamentskommission zu Fragen der Migration und Teilhabe - in dieser Form als obsolet. Wir werden es hier und heute ablehnen.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Zu Ihrer Rede gibt es nun eine Kurzintervention der Kollegin Joumaah. Bitte!
Zur Anhörung: Sie haben Professor Meyer erwähnt; da haben Sie recht. Ich habe vorhin viel mehr erwähnt, die sich für unser Integrationsgesetz ausgesprochen haben.
Wenn es darum geht, dass die Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe dieses Integrationsgesetz ablehnt, dann muss ich einmal ganz klar sagen: Ablehnung erfahren wir da von Verbänden, die keine Arbeitsplätze schaffen. Uns muss es doch wichtig sein, dass wir auf das Votum derjenigen Menschen hören, die Arbeitsplätze schaffen. Die ignorieren Sie völlig. - Das war Punkt eins.
Punkt zwei: Zentralisierung und Dezentralisierung - da scheinen wir unterschiedliche Ansichten zu haben. Wenn wir sagen, flächendeckend in Niedersachsen - in jedem Landkreis, in jeder kreisfreien Stadt - möchten wir ein Integrationszentrum etablieren, dann können Sie doch nicht von Zentralisierung sprechen!
Dezentralisierung kann nicht heißen, dass - wie es im Moment in der ländlichen Fläche geschieht - die Menschen in winzig kleine Dörfer gebracht werden, wo sie überhaupt keinen Zugang zu Sprachkursen haben, wo einmal am Tag ein Bus fährt - das aber auch nur, wenn nicht gerade Ferien sind -, wo Frauen mit kleinen Kindern überhaupt keinen Zugang zu Sprachkursen haben, weil es weit und breit keine Kita gibt, die sie erreicht könnten, zu der sie ihre Kinder bringen könnten. Das kann keine gelungene Integration sein.
So, wie wir es sagen - flächendeckend, in jedem Landkreis -, ist es keine Zentralisierung, sondern Dezentralisierung.
Dann fahren wir fort. Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Polat das Wort. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben eine umfangreiche schriftliche und dann noch eine mündliche Anhörung zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion durchgeführt.
Frau Joumaah, wie die Verbände den Gesetzentwurf aufgenommen haben, interpretieren wir unterschiedlich.
Fakt ist, dass die Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe, in der alle maßgeblichen landesweit tätigen Migrantenorganisationen und insbesondere auch die LAG FW tätig sind, den Gesetzentwurf einstimmig abgelehnt hat.
Im federführenden Ausschuss hat das vom Flüchtlingsrat entsandte Kommissionsmitglied, Dr. Kelloglu, entsprechend dem Votum der Kommission vorgetragen. Ich zitiere:
„Wir haben mit Bedauern und, ehrlich gesagt, auch mit Entsetzen festgestellt, dass durch diesen Gesetzentwurf eine Verschlechterung der rechtlichen Stellung der Flüchtlinge zu erwarten wäre.“
Ich will das konkretisieren. Im Grunde genommen besteht der Gesetzentwurf aus drei wesentlichen Punkten: den integrationskursbegleitenden Maßnahmen, der Integrationsvereinbarung - - -
Die Integrationsvereinbarung ist ein sehr altes Instrument, das schon mehrfach evaluiert wurde. Mehrfach wurde gesagt: Es bringt wenig Nutzen. - Der NIHK, den Sie als eine Organisation zitiert haben, die den Gesetzentwurf unterstützt habe, schreibt in seiner Stellungnahme, man sehe keinen substanziellen Nutzen von Integrationsvereinbarungen.
Insofern wurde von den Verbänden, die Sie hier gerade als positiv zitiert haben, doch deutliche Kritik an einzelnen Paragrafen geübt.
Zum zweiten Punkt, den integrationskursbegleitenden Maßnahmen: Herr Hillmer, ich bitte Sie, Ihre Position im Land Niedersachsen deutlich zu machen. Denn in der Begründung Ihres Gesetzentwurfes steht: „Asylsuchende ohne Bleibeperspektive“ - ich betone noch einmal: das sind Afghanen, das sind Somalier, das sind Personen aus dem Sudan; in Niedersachsen leben viele aus dem Sudan; das alles sind Krisen- und Kriegsgebiete - „gehören nicht zur Zielgruppe“ ihres Gesetzentwurfes.
Das widerspricht eklatant Ihrem Entschließungsantrag. Wir werden im Land deutlich machen und über die Landtagsabgeordneten in den neu gewählten Kreistagen kundtun -
dazu rufe ich alle Kolleginnen und Kollegen auf -, dass die CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag diese Menschen von den Integrationskursen,
die das Land Niedersachsen nun allen Menschen anbietet und mit 20 Millionen Euro finanziert, ausschließen will.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von Jörg Hillmer [CDU] - Gegenruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Entspannen Sie sich doch, Herr Hillmer!)
Bei dem Punkt zu den Integrationszentren bestand einfach Unsicherheit - Frau Joumaah, das wissen Sie selber -, auf welcher Ebene die angesiedelt werden müssen. Letztendlich haben alle Verbände gesagt: Zentrale Integrationszentren wären kontraproduktiv - manche haben sie als Kasernierung bezeichnet - und gehörten der Vergangenheit an.
Einige haben versucht, vielleicht doch das Verständnis herauszuarbeiten, dass Sie von kommunalen und regionalen Integrationszentren sprechen. Das tun Sie in gewisser Weise, weil Ihr Gesetzentwurf eine Kannvorschrift enthält.
Dort wurde einfach auf das gute Beispiel des Landkreises Osnabrück verwiesen, dessen Migrationszentrum nach jetziger Gesetzeslage funktioniert. Wir fordern alle auf, diesem Vorbild zu folgen.
Die Förderung von Koordinierungsstellen war ja auch als Anreiz dazu gedacht, Koordinierungsstellen einzurichten und sie dann, ähnlich wie es der Landkreis Osnabrück gemacht hat, zu Migrationszentren weiterzuentwickeln. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Es hat keinen großen finanziellen Aufwand gegeben. Aber der Landkreis Osnabrück ist einen Weg gegangen. Ich kann nur darum bitten, dass mit der Transferagentur Niedersachsen dieses tolle Modell in allen anderen Landkreisen und kreisfreien Städten umgesetzt wird.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Polat, was Recht ist, muss Recht bleiben. Ich habe nicht die Redezeit, um jetzt mit Ihnen sämtliche mir an meinem Platz liegenden Vorlagen zur Anhörung durchzugehen.