Protocol of the Session on August 18, 2016

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Jetzt hat sich Dr. Thela Wernstedt zu Wort gemeldet. Frau Wernstedt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Jahr begehen wir den 300. Todestag des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz. Einer seiner folgenreichsten Einfälle war der binäre Zahlencode, die Grundlage für moderne Rechenmaschinen, modern gesprochen: für die Digitalisierung.

Computer, Smartphones Tablets und noch viel mehr Geräte haben unsere Arbeits- und Lebenswelt gravierend verändert. - Wenn ich das so formuliere, ist das keine angelesene Plattitüde, sondern erlebte Veränderung. In meiner Studienzeit ärgerten sich die Kommilitonen noch über den Datenverlust durch einen abgestürzten 486er, der die inhaltliche Arbeit des Tages zunichte gemacht hatte. Man durfte noch Hausarbeiten, geschrieben mit der Schreibmaschine, abgeben, und es gab noch handschriftlich verfasste Referate in der Schule.

In die ersten Jahre meiner Berufstätigkeit fielen das einigermaßen anwenderfreundliche Win- dows 95 und der Beginn des Internets. Junge Leute heute - Frau von Below-Neufeldt hat es angesprochen - sind in eine Welt hineingeboren, in der die Informationen jeglicher Art überall jederzeit verfügbar sind. Das sind die sogenannten Digital Natives.

Die Debatte um Computer und ihren Wert in Schulen ist inzwischen Jahrzehnte alt. Sie bewegt sich nach wie vor im Spannungsfeld zwischen der Freude über neue Technik und Geräte und der Tatsache, dass der Umgang mit Geräten kein Garant für selbstständiges und kritisches Denken und ein fundiertes Fachwissen ist. Die heutigen Geräte sind flexibler, vernetzter, Funktionen gehen ineinander über. Sie verändern soziales Miteinander, schaffen neue Kommunikationsmöglichkeiten und

neue Probleme und Fragestellungen. Auch verändern sie das Lernen, Lehren und Forschen.

Digitalisierung in der Hochschullehre ist weit mehr als medientechnisch gestützte Didaktik oder disziplinübergreifende Informatikgrundlagen. Digitalisierung bedeutet für jedes Fachgebiet einen Wandel der Anforderungen und verändert darüber hinaus das überfachliche Profil der zukünftigen Fach- und Führungskräfte unserer Gesellschaft. - So schreiben das die Autoren Kreulich, Dellmann und andere, eine fachhochschulübergreifende Gruppe, in ihrem Positionspapier zur Digitalisierung in der Lehre.

Diese Autoren diagnostizieren auch, dass die Jugendlichen bei gestiegener Sozialkompetenz im digitalen Kommunizieren weniger Lese- und Rechtschreibfähigkeiten haben, sodass das Formulieren von Texten wohl zukünftig zum Portfolio von Hochschulen gehören muss.

(Zuruf von der CDU: Erschreckend! - Ulf Thiele [CDU]: Das könnte aber auch damit zusammenhängen, dass Rechtschreibung in der Schule keine Rolle mehr spielt!)

Dies gilt auch für das Training in Konfliktfähigkeit und Frustrationsverarbeitung.

Vergessen wir dabei aber nicht, dass Smartphones, Tablets und Notebooks eines immer bleiben: Instrumente, Handwerkzeuge. Über Lehrinhalte, Forschungsziele, soziales Miteinander müssen wir uns nach wie vor verständigen und streiten. Digitalisierung ist kein Selbstzweck.

Nun ist Niedersachsen nicht allein in Sachen onlinebasierte Lehre unterwegs. Das Hochschulforum Digitalisierung ist im letzten Herbst zusammengekommen und hat im Juni eine weitere Konferenz abgehalten. Im Hochschulforum kooperieren der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, das Zentrum für Hochschulentwicklung und die Hochschulrektorenkonferenz unter Einbindung des BMBF.

Im Juni 2016 hat eine Konferenz von BMBF und KMK mit Akteuren und Experten aus Bildung, Gesellschaft und Politik stattgefunden, die sich mit der digitalen Transformation des Bildungssystems, also mit der Digitalisierung in Schule und Hochschule, beschäftigt hat.

Mit dem gerade Ausgeführten habe ich skizziert, dass die Auseinandersetzung über die Digitalisierung in der Bildung bundesweit in vollem Gange

ist. Niedersächsische Alleingänge sind sicherlich nicht sinnvoll, sondern eine rege Beteiligung an diesen Auseinandersetzungen, um für die niedersächsische Hochschullandschaft interessante und notwendige Entwicklungsschritte abzuleiten.

Niedersachsen hat sich vor Jahren schon auf den Weg gemacht und ein Netzwerk gegründet - Kollege Siemer hat es erwähnt -, das die Aktivitäten zur digitalen Forschung und Lehre zusammenführt. Es ist das E-Learning Academic Network, ELAN. Es unterstützt E-Learning Open Source Communities, pflegt die Kommunikation im Netzwerk, ist eng im Gespräch mit dem MWK und der Landeshochschulrektorenkonferenz, stellt Software für die Präsenzlehre zur Verfügung, berät bei Urheberrechtsfragen und bündelt die Erfahrungen der beteiligten Hochschulen.

In den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen ist die onlinebasierte Lehre längst Thema. In Niedersachsen muss die Digitalisierung an Hochschulen nicht neu erfunden werden.

Die CDU greift in ihrem Entschließungsantrag das wichtige Thema der onlinebasierten Lehre und auch wichtige Detailfragen auf. Es lohnt sicherlich, wie Sie es fordern, die Potenziale der onlinebasierten Lehre noch bekannter zu machen, Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit auf den verschiedenen Ebenen der Regelungsmöglichkeiten zu bearbeiten oder auch den Online-Bereich stärker in der Arbeit der Lehrenden zu würdigen und Prüfungsordnungen zu ändern.

Insofern gibt es Chancen, mit einem neuen, von uns eingereichten Entschließungsantrag mit der CDU und eventuell auch mit der FDP zu einer gemeinsamen Abstimmung zu kommen.

Wir werden den vorliegenden Antrag trotz einiger guter Grundgedanken ablehnen. Es kann nicht sein, dass in einem Antrag, der sich mit der Entwicklung der onlinebasierten Lehre an niedersächsischen Hochschulen beschäftigt, ELAN noch nicht einmal erwähnt wird. Wir fanden den Antrag schlecht recherchiert. Damit produziert er überflüssige Konflikte, weil Experten vor den Kopf gestoßen werden, deren Arbeit nicht gewürdigt wird.

Auch kann es bei dieser Vorarbeit nicht die einzige Forderung sein, ein Zukunftsprogramm aufzulegen, ohne das zu berücksichtigen, was bereits in Niedersachsen erfolgt ist. ELAN berät - das sagte ich schon - auch heute schon bei Urheberrechtsfragen. Aber natürlich kann und muss das aktuell weiterentwickelt werden.

Wir kündigen an dieser Stelle einen eigenen Antrag an, der die bisherige erfolgreiche Arbeit von ELAN würdigt und weiter unterstützen wird. Wir werden auch wichtige von Ihnen erwähnte Punkte aufnehmen und vielleicht noch gemeinsam zu einem Antrag kommen. Wir arbeiten im Ausschuss darauf hin.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Wernstedt. - Jetzt hat sich Ottmar von Holtz, Bündnis 90/Die Grünen, gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Zeit, in der die sogenannten Digital Natives schon längst an den deutschen Hochschulen angekommen sind, ist es natürlich nur folgerichtig, die digitale Lehre an den Universitäten und Fachhochschulen auch im Landtag auf die Tagesordnung zu setzen. Insofern ist Ihre Initiative, Herr Dr. Siemer, durchaus gut und richtig. Das habe ich auch im Ausschuss so gesagt. Es gibt tatsächlich nicht vieles, was uns trennt, wenn wir über dieses Thema reden. So ist auch nicht alles falsch, was in Ihrem Antrag steht.

Doch aus unserer Sicht fehlt einiges, damit der Antrag „rund“ ist. In der sehr interessanten Anhörung haben wir viel über den Stand und über Fragestellungen zur digitalen Lehre erfahren. Sie haben im Ausschuss aber über Ihren unveränderten Antrag abstimmen lassen. Dabei hat die Anhörung vor allem eines gezeigt: E-Learning, online-basierte Lehre, digitale Lehre, wie auch immer wir es bezeichnen - sie alle eint, dass sie Folgen haben werden für das Studieren, für die Studierenden und für die Lehrenden.

Auf diesen Aspekt geht Ihr Antrag nicht ein. In Punkt 6 fordern Sie eine Anpassung der Curricularnormwerte, damit Professoren ihre digitalen Lehrformate ausbauen. Auf die möglichen Folgen geht Ihr Antrag dann nicht mehr ein.

Was wir dagegen brauchen, ist eine Verbindung zwischen bestehenden Ansätzen zu der digitalen Lehre einerseits und der Präsenzlehre andererseits. Wir müssen uns die Schnittstellen anschauen. Davon steht in Ihrem Antrag nichts.

Wie sieht es mit der hochschuldidaktischen Weiterbildung der Lehrenden aus, damit der didaktisch sinnvolle Einsatz digitaler Medien in der Lehre gelingen kann? Hier würde beispielsweise ein stärkerer Austausch von digitalen Lehrressourcen im Rahmen von Hochschulverbünden helfen - übrigens nicht nur in Niedersachsen, sondern auf nationaler Ebene.

Digitale Lehre ist kein Selbstzweck; Frau Dr. Wernstedt hat es schon gesagt. Viel wichtiger wäre es, diejenigen Maßnahmen zu identifizieren, die tatsächlich zu einer nachweislichen und signifikanten Steigerung der Qualität der Lehre beitragen. Darüber hinaus wäre ein stärkerer Austausch von digitalen Lehrressourcen, wie ich es vorhin dargestellt habe, wünschenswert.

Ein Zukunftsprogramm der Art, wie Sie es in Ihrem Antrag vorstellen, erfüllt dies nicht. Ihr Antrag lässt zu viele Fragen offen.

Vor allem aber - auch darauf hat Frau Dr. Wernstedt schon hingewiesen - blendet er völlig die Arbeit des ELAN e. V. aus. Dieser Verein wird in Ihrem Antrag nicht ein einziges Mal genannt. Mit dem ELAN-Programm besteht bereits ein großes Förderprogramm, das von der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen auch positiv evaluiert worden ist.

Also: Das Thema ist wichtig; keine Frage. Der Antrag, der jetzt zur Abstimmung steht, greift aber zu kurz. Wir werden ihn deshalb ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr von Holtz. - Herr Dr. Siemer, Sie haben sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie sagen, der Antrag sei zu kurz. Es wurde gesagt, er sei schlecht recherchiert worden.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das ha- be ich nicht gesagt!)

- Es ist vorher auch gesagt worden, er sei schlecht recherchiert worden. Es fehle ELAN, ist in beiden Vorträgen gesagt worden. Das führt Sie jetzt dazu, diesen Antrag abzulehnen.

Wir wären sehr dankbar gewesen, wenn wir uns über diese Punkte im Ausschuss hätten austau

schen können. Schließlich liegt der Antrag dort seit September 2015 vor. Sie haben sich entschieden, das nicht zu tun, sondern dies heute im Plenum vorzuführen. Vielleicht kommen Sie beim nächsten Mal dazu, dass Sie Anträge ablehnen, weil darin ein Komma fehlt. Das sind ja dann ganz neue Methoden.

(Beifall bei der CDU)

Wir wären Ihnen also dankbar, wenn wir die Anträge inhaltlich im Ausschuss beraten könnten.

Die Anhörung hat gezeigt, dass die Experten diesen Antrag sehr begrüßt haben. Sie haben ihn umfänglich bestätigt. Gleich zu Anfang ist erwähnt worden, dass viele niedersächsische Hochschulen in diesem Punkt aktiv sind. Es ist also alles abgedeckt. Insofern können Sie heute mit Ruhe diesem Antrag hier zustimmen, um das Thema nach elf Monaten endlich voranzubringen.

Wenn wir Ihnen die Computerrevolution überlassen würden, dann würden Sie wahrscheinlich in 100 Jahren noch einen Holzhammer schwingen. Das muss man deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Jörg Bode [FDP])

Vielen Dank, Herr Dr. Siemer. - Jetzt hat Frau Dr. Gabriele Heinen-Kljajić das Wort. Frau Ministerin, bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung im Bildungs- und Wissenschaftsbereich - das haben meine Vorredner eigentlich auch alle schon herausgearbeitet - ist ein ganz zentrales Thema für die Hochschulen, aber natürlich auch für die Hochschulpolitik, also auch für das zuständige Wissenschaftsministerium. Wenn es darum geht, die niedersächsischen Hochschulen im Wettbewerb um Studierende, aber auch um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler national und international auch zukünftig gut aufzustellen, gehört selbstverständlich auch das Thema „Digitale Lehre“ ganz oben auf die Agenda. Daher hat der Antrag der CDU-Fraktion durchaus ein relevantes Thema aufgegriffen. Er ist aber, glaube ich, tatsächlich thematisch ein wenig zu eng aufgestellt.

Innovative Lehr-/Lernformate eröffnen natürlich weitreichende Möglichkeiten, um die Lehre an