Protocol of the Session on June 5, 2008

Die machtvolle Demonstration am 8. Mai war Ausdruck nicht nur Ihres miserablen Umgangs mit den Arbeitszeitkonten, nein, sie war Ausdruck der tiefen Unzufriedenheit an der Basis mit Ihrer Schulpolitik. Das Maß war voll!

(Starker Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Zuruf von Lothar Koch [CDU])

- Herr Koch, da hilft es auch nichts, wenn Sie oder Ihr Ministerpräsident von den Lehrkräften als Helden sprechen. Die glauben Ihnen nach dem Herumgeeiere mit den Arbeitszeitkonten nämlich nicht mehr.

(Astrid Vockert [CDU]: Falsch!)

Der Herr Ministerpräsident und seine Ministerin sind gescheitert, weil sie keinen anständigen menschlichen Umgang miteinander pflegen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Widerspruch bei der CDU)

Sie pflegen keinen menschlichen Umgang mit den Zukunftsgestaltern in Niedersachsen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Lothar Koch [CDU]: Denken Sie an Gerhard Schröder! War das, was der gemacht hat, besser? - Unru- he - Glocke des Präsidenten)

- Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, bleiben Sie mal locker und stampfen Sie nicht mit den Hufen!

Ihren Änderungsantrag zur Arbeitszeitverordnung nenne ich eine GesichtswahrungsVO.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Sagt Ihnen der Name Gerhard Schröder noch etwas? Bildungspolitiker dieses Landes?)

Diese GesichtswahrungsVO, die durch die Einführung einer Verzinsung für Mehrarbeit dem Land Niedersachsen obendrein noch erhebliche Mehrkosten verursacht, ist der Ausbund Ihres dilettantischen Vorgehens, und das hat der Steuerzahler auszubaden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sie verordnen noch immer eine Umkehrung der Regel, d. h. Lehrkräfte müssen bei Ihnen „bitte, bitte!“ machen, um ihre angesparten Stunden ausgeglichen zu bekommen. Welch ein Verwaltungsaufwand den Schulleitungen und Schulbehörde da aushalten müssen! Welch eine sinnlose Vergeudung von Arbeitszeit, meine Damen und Herren!

Wenn Sie jeder Lehrkraft ohne Wenn und Aber die Rückführung ihrer Mehrarbeit zusagen, warum bedarf es dann noch eines Antrags? Spekulieren Sie etwa darauf, dass einige der kalkulierte Papier- und Antragswust abschreckt?

(Ursula Körtner [CDU]: Was wollt ihr denn?)

Spekulieren Sie darauf, dass einige vergessen, ihren Antrag fristgerecht einzureichen?

(Norbert Böhlke [CDU]: So können Sie doch über Lehrer nicht reden! - Björn Försterling [FDP]: Von Verwal- tungsrecht haben Sie keine Ahnung!)

- Spekulieren Sie, Herr Försterling, womöglich darauf, so viele Stunden wie möglich in die Zukunft nach der nächsten Landtagswahl zu verlagern? Ist es das, worauf Sie spekulieren? - Ich kann von hier

aus heute nur allen Lehrkräften anraten, möglichst zügig und ohne Umschweife diese Anträge zur Rückführung ihrer Arbeitszeitkonten zu stellen.

Ich komme zum Schluss.

(Zustimmung von Dr. Bernd Althus- mann [CDU])

Sehr geehrte Frau Ministerin Heister-Neumann, ich räume gerne ein, dass Sie sich vor dem Hintergrund der anstehenden Klassenbildung an den verschiedenen Schulformen zum 1. August noch im Planungsstadium befinden. Dass Sie und Ihr Ministerium aber bis heute nicht in der Lage sind, eine umfassende Darstellung der Lehrkräftebedarfsplanung ausschließlich bezogen auf die Rückführung der Arbeitszeitkonten abzugeben, zeigt deutlich: Sie wissen nicht, was auf Sie zukommt. Na dann gute Nacht Unterrichtsversorgung!

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Die nächste Rednerin ist Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Jahre lang haben die Lehrkräfte durch unbezahlte und verzinste Mehrarbeit in Niedersachsen dafür gesorgt, dass die Unterrichtsversorgung wenigstens einigermaßen gewährleistet werden konnte. Erst mussten 11 000 Lehrerinnen und Lehrer in Hannover gegen Ihre Schulpolitik auf die Straße gehen, ehe die Kultusministerin gemerkt hat, dass man so nicht mit den Lehrkräften in Niedersachsen umgehen kann.

(Beifall bei der SPD - Astrid Vockert [CDU]: Sie verdrehen völlig die Tatsa- chen!)

Meine Damen und Herren, dass die Einführung des Zwangs-Arbeitszeitkontos für einen Zeitraum von zehn Jahren durch die damals SPD-geführte Landesregierung ein ungedeckter Scheck war, hat bereits 1997 meine Vorgängerin Brigitte Litfin hier erklärt. Wir können deshalb keinem Antrag zustimmen, Frau Heiligenstadt, in welchem dieses Konzept der verdeckten Staatsverschuldung zum zukunftsweisenden Modell erklärt wird, wenn auch die nachfolgenden Forderungen Ihres Antrags richtig sind.

Jahresarbeitszeitkonten können geeignete Modelle sein, um an Eigenverantwortlichen Schulen eigene Schwerpunkte zu setzen. Aber der Finanzierungsrahmen muss von Anfang an mitgedacht sein. Er muss klar und gesichert sein.

Die Landesregierung hat in der Frage der Lehrermehrarbeitszeitkonten mit ihrem Kompromissvorschlag gerade noch die Kurve gekriegt. Durch ihr gemeinsames Vorgehen haben die Lehrerverbände einen großen Erfolg erzielt. Sie sind jetzt einigermaßen zufrieden. Sie wollen allerdings noch Rechtssicherheit. Die Umsetzung wird zeigen, ob ihre Zufriedenheit dauerhaft gerechtfertigt ist.

Nicht so leicht zu kitten sein wird allerdings die von der Ministerin verursachte tiefe Vertrauenskrise zwischen Lehrkräften und Landesregierung. Keineswegs ist das von CDU und FDP seit fünf Jahren verschleppte Thema und immer wieder heruntergespielte Problem der schlechten Unterrichtsversorgung und des Lehrkräftemangels erledigt. Wie viele Stellen fehlen denn nun eigentlich zum neuen Schuljahr? - Immer wieder nennt das Kultusministerium andere Zahlen. Jetzt meldet sich auch noch der Landesrechnungshof mit eigenen Berechnungen zu Wort. Es ist doch wohl nicht zu viel verlangt, dass wir hier im Parlament wissen wollen, wie viele Lehrerstunden in den nächsten Jahren stufenweise wegfallen: durch das Auslaufen der mehrjährigen Ansparphase der Mehrarbeit, durch die Rückzahlung der Mehrarbeit

(Ursula Körtner [CDU]: Aber das kannst du doch erst sehen, wenn die Lehrer das gemeldet haben!)

- Frau Körtner, antworten Sie doch gleich auf all diese Fragen! Ich bin gespannt -, durch Pensionierungen. In welchen Mangelfächern werden uns welche und wie viele Lehrkräfte fehlen? Und vor allem: Welches Konzept hat diese Landesregierung eigentlich, um angesichts dieser Lage die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen sicherzustellen? Sie wissen doch ganz genau, dass Sie da nicht weiterkommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn man dann noch so mit den Lehrkräften umgeht - der Kollege Borngräber hat hier ja schon einiges aufgeführt -, dass man Feuerwehrlehrerinnen und -lehrer zu den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit schickt - ich kenne das sehr gut; das habe ich an vielen Stellen schon gesehen und auch erlebt -, dann muss man sich nicht wundern, wenn qualifizierte Lehrkräfte in andere Bundeslän

der abwandern und wenn Sie in den nächsten Jahren gar keine mehr kriegen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Seit fünf Jahren wird das Problem nur verschwiegen, es wird zugeguckt und die Unterrichtsversorgung schöngeredet. Im Mai haben Schülerinnen und Schüler in Lüneburg gestreikt. Nächste Woche wollen Schülerinnen und Schüler in Hannover demonstrieren. Das wird eine Großdemonstration. Die Lehrerinnen und Lehrer haben Ihnen gerade gezeigt, was sie von Ihrer Schulpolitik halten. In Niedersachsen wird immer deutlicher: Diese Landesregierung kriegt die Unterrichtsversorgung nicht in den Griff und den Fachkräftemangel erst recht nicht.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Frau Heister-Neumann, man muss Ihnen zugestehen: Sie haben eine schwierige Baustelle von Herrn Busemann übernommen, eine Baustelle mit allerhand Fallstricken und Fallgruben. Ich bin gespannt, wann sich hier die nächste auftut. Ich bin mir sicher, es dauert nicht mehr lange. Aber Ihre Hunderttagefrist ist vorbei. Ich fordere Sie auf: Legen Sie noch vor den Sommerferien ein Konzept vor, wie die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen gesichert werden soll, welche Personalplanungen Sie haben und wie Sie Fachlehrerinnen und Fachlehrer in die Schulen bekommen wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich unseren Änderungsantrag kurz begründen. Herr Borngräber, Frau Korter ist eben schon auf einen Aspekt in Ihrem Antrag eingegangen, der uns unterscheidet. Auch wir sind der Meinung, dass es ein bisschen dick aufgetragen ist, die Einführung von Arbeitszeitkonten vor zehn Jahren für „ein zukunftsorientiertes Modell“ zu halten. Das ist die Schuldenmacherei in der Regel tatsächlich nicht, und das hier war Schuldenmacherei auf Kosten der Arbeitszeit anderer Leute.

(Ralf Borngräber [SPD]: Flexibilisie- rung von Arbeitszeit ist zukunftswei- send!)

Insofern stimmen wir Ihrem Antrag nicht zu.

Der zweite Unterschied ist - Sie haben das gemerkt -, dass wir nach ausführlichen Gesprächen mit der GEW einen Punkt angefügt haben. Es geht um eine kollektivrechtliche Vereinbarung, was konkret ein öffentlich-rechtlicher Vertrag wäre, wie er auf der Demonstration, die hier mehrfach erwähnt worden ist, gefordert wurde. Das hat den Hintergrund, dass es eine Sicherheit für die Gutwilligen geben muss, die dem Versprechen vertrauen, dass sie ihre Arbeitszeit hinterher tatsächlich zurückbekommen, wenn sie darauf verzichten, sie jetzt schon zurückzubekommen.

Das wiederum hat den Hintergrund - auch da hat uns eine Reihe von Hinweisen erreicht -, dass Herrn Wulff aufgrund der gegenwärtigen Vertrauenssituation nicht geglaubt wird, wenn er öffentlich erklärt, dass die Lehrer „Helden des Alltags“ seien. Das hat nach unserem Eindruck eher einen gegenteiligen Effekt hervorgerufen. Wer nach einem derartigen Vertrauensbruch dermaßen gelobt wird, der ist zunehmend misstrauisch, ob das nicht dazu führen soll, dass man, weil man ja in diesem Beruf selbstlos ist, jetzt darauf verzichtet, ohne sicher zu wissen, ob man seine Stunden in drei, vier oder fünf Jahren tatsächlich zurückbekommt. Deshalb beantragen wir nach dem Motto „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, das tatsächlich durch öffentlich-rechtlichen Vertrag sicherzustellen. Presseerklärungen über „Helden des Alltags“ reichen dafür nicht aus.

Zum Abschluss möchte ich sagen: Angesichts der Beispiele, die hier von Frau Korter und auch von Herrn Borngräber hinsichtlich der Situation des öffentlichen Schulwesens gebracht wurden, haben wir zunehmend den Eindruck: Es gibt so etwas wie einen heimlichen Lehrplan. Denn manche Sachen passen anders nicht zusammen.

(Björn Försterling [FDP]: Den haben Sie gestern schon gebracht! Da hat er auch nicht funktioniert!)

Auf der einen Seite bekennt man sich öffentlich zu den staatlichen, über Steuern finanzierten Schulen; auf der anderen Seite führt man dieses Schulsystem mit einer Fülle von Einzelschritten in eine schlechte Situation. Die Gebäude zerfallen, die Lehrersituation wird angespannter, die Klassengrößen werden nicht kleiner, die Unterrichtssituati