Protocol of the Session on June 5, 2008

Dann kam die Unterrichtung, dann kamen die Lageberichte. In den Lageberichten stand eindeutig, dass es verantwortbar ist - sagt die Bundesregierung -, in geprüften Einzelfällen Rückführungen durchzuführen.

Ich muss noch einmal sagen: Es gab seit 2007 nicht einen einzigen solchen Fall.

(Beifall bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist nicht so!)

Mir liegt eine Wortmeldung von Frau Kollegin Polat vor. Bitte schön, Sie haben das Wort. Sie haben noch 3:13 Minuten Redezeit.

Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um deutlich zu machen, dass wir uns in unserem Antrag ausdrücklich auf die Empfehlungen des Bundesministeriums des Innern beziehen. Es fordert die Landesbehörden ausdrücklich auf - das wurde hier mehrfach zitiert -, hier aktiv zu werden und einen Abschiebungsstopp auf der Grundlage des § 60 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes zu erlassen. Frau Lorberg, da muss ich Sie in Ihrer Kompetenz leider doch noch einmal zurechtweisen. Von diesem Abschiebungsstopp sind - das ist bei Abschiebungsstopps meistens so - Straftäter ausgenommen. Deswegen sind diese Tamilen im letzten Jahr abgeschoben worden.

(Editha Lorberg [CDU]: Ja, eben!)

- Ja, aber wir brauchen einen Abschiebungsstopp, um Rechtssicherheit zu schaffen.

(Editha Lorberg [CDU]: Für wen denn, Frau Polat, für wen?)

Wir können doch nicht warten, bis Sie wieder jemanden abschieben, und dann hinterher sagen: Wir brauchen einen Abschiebungsstopp.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Es gibt doch keinen einzigen Fall! Immer diese unwahren Behaup- tungen! Das ist unmöglich! - Weitere Zurufe)

Jetzt gibt es viele Wortmeldungen, die mir aber nicht schriftlich vorliegen. Also haben Sie, Herr Innenminister Schünemann, jetzt das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Polat, zunächst muss ich zurückweisen, dass die Ausländerbehörden in Niedersachsen jemals jemanden abgeschoben haben, dessen Leben bedroht war. Dies ist niemals geschehen.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Zahra Kameli!)

Sie wissen, dass gar nicht das Land Niedersachsen dies zu überprüfen hat. Vielmehr ist in einem rechtsstaatlichen Verfahren durch den Bund, durch das BAMF, und durch Gerichte festzustellen, ob eine Bedrohungslage herrscht oder nicht. Erst danach ist das Land überhaupt in der Lage, Abschiebungen durchzuführen. Wenn Sie also solche Behauptungen aufstellen, dann tun Sie das wider besseres Wissen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Nein!)

Das sollten Sie nicht tun, und das muss ich mit aller Schärfe zurückweisen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ansonsten ist es richtig dargestellt worden: Sie können hier nicht einen einzigen Fall benennen. Insofern ist das eine Placebodiskussion, die, wie hier schon dargestellt worden ist, wieder Ängste schüren soll, die überhaupt nicht berechtigt sind. Nicht ein einziger Fall liegt uns vor, in dem in die Gebiete abgeschoben werden könnte, die betroffen sind. Insofern gibt es auch keine Aufforderung der Länder durch den Bundesinnenminister, einen

generellen Abschiebestopp vorzunehmen. Aus welchem Grunde hat das z. B. Rheinland-Pfalz nicht gemacht? Es wird ja nicht unbedingt von der CDU regiert.

Wenn zwei Straftäter abgeschoben werden, dann ist das meiner Meinung nach absolut richtig.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Sie sind in befriedete Gebiete abgescho- ben worden!)

Ansonsten wurden - das ist richtig dargestellt worden - nur noch zwei Personen in Drittstaaten abgeschoben, nicht nach Sri Lanka selber. Damit wird deutlich, dass all das, was hier dargestellt worden ist, schlichtweg nicht der Wahrheit entspricht.

Sie haben dargestellt, dass es einen Unterschied zwischen einem Abschiebestopp und einer Duldung gebe. Auch dies ist nicht richtig. Wenn ein Abschiebestopp verhängt würde, dann würde auch nur eine Duldung ausgestellt, wieder für sechs Monate.

Hier wird dargestellt, dass dann nicht gearbeitet werden dürfe. Sie wissen, dass auch das nicht stimmt. Nach einer Vorrangprüfung ist dies möglich, nach einem Abschiebestopp genauso wie bei einer normalen Duldung. Die rechtliche Situation ist genau die gleiche. Wenn man vier Jahre hier ist - das ist ja erreicht worden -, muss auch diese Vorrangprüfung nicht mehr durchgeführt werden. Dann kann man dies frei auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen. Dies hat übrigens noch der damalige Bundesarbeitsminister Müntefering durchgesetzt. Wir hatten durchaus auch andere Vorschläge. Wir haben gesagt, dass man früher die Möglichkeit haben sollte, sich auf dem Arbeitsmarkt frei zu bewegen. Denn wenn man sich dort unter diesen Voraussetzungen gegen andere Bewerber durchsetzt, ist das durchaus eine sinnvolle Angelegenheit.

Ich fasse zusammen. Mit dieser Diskussion wird versucht, der Öffentlichkeit darzustellen, dass wir in Niedersachsen anders als andere Länder verfahren. Das ist generell nicht der Fall. Dadurch, dass wir eine individuelle Prüfung eines jeden Falls durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ermöglichen, ist völlig klar, dass hier Rechtssicherheit herrscht. Wer etwas anderes sagt, sagt nicht die Wahrheit und will die Bürger täuschen. Das müssen wir hier klar sagen und das zurückweisen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Ausschuss für Inneres, Sport und Integration soll sich um diesen Antrag bemühen. Wer möchte so beschließen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Erste Beratung: Niedersachsens Menschen, Natur und Landwirtschaft vor der Agrogentechnik schützen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/169

Zur Einbringung hat sich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Meyer zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt zurzeit mindestens zwei Themen, die unseren Landwirten auf den Nägeln brennen. Das eine ist der Milchstreik der Bauernbasis für faire Preise, deren Forderungen wir Grüne seit Langem unterstützen und der wir - ich denke, im Namen von vielen in diesem Hause - unsere Solidarität ausdrücken und viel Erfolg wünschen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Das andere, viele Landwirte bewegende Thema sind die Gefahren der Agro-Gentechnik. Bereits im März 2008 demonstrierten Tausende Landwirte bundesweit gegen die fälschlich auch „Grüne Gentechnik“ genannte Agro-Gentechnik. Der Bund Deutscher Milchviehhalter - das ist der, der den Milchstreik organisiert - sprach sich dabei klar gegen die Agro-Gentechnik aus. Ich zitiere einen Vertreter der Bauern: Die Konzerne versuchten jetzt, eine schleichende Einführung über die Schiene mit genbelastetem Saatgut und Futtermitteln in der Landwirtschaft, nachdem sie beim Verbraucher gescheitert seien. Mit patentierter Gentechnik werde am Ende aber nur der Profit der Konzerne steigen und würden die Lizenznehmer, also die Bauern, in die totale Abhängigkeit geführt. Dafür gebe es inzwischen weltweit dramatische

Beispiele. Gentechnisch verändertes Futter führe auch zu vielen Gesundheitsproblemen bei Pflanzen und Tieren, die dann wieder nur mit konzerneigenen Produkten bekämpft würden. Noch gebe es diesen Teufelskreis bei uns zum Glück nicht - so die Bauernvertreter.

Das zeigt: Die übergroße Mehrheit der Bauern will die Gentechnik nicht - die Mehrheit der Verbraucher übrigens auch nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Von der FDP und weniger scharf von der CDU - man muss ja differenzieren - wird die AgroGentechnik immer wieder als Heilsbringer gegen den Welthunger beschrieben. Dieser hat jedoch andere Ursachen. Dazu zitiere ich aus einer Pressemitteilung des niedersächsischen Agrarministeriums von vorgestern:

„Die Welternährungskrisen sind nicht in erster Linie die Folge einer insgesamt zu geringen Nahrungsmittelproduktion auf der Welt, sondern vor allem Folge von Armut und fehlender Kaufkraft.“

Es geht bei der Gentechnik auch nicht um Ertragssteigerung oder Klimaschutz, sondern um neue Abhängigkeiten und Gewinne der Saatgutkonzerne. Ein weiterer Kronzeuge: Herr Bundesagrarminister Seehofer sagte am 20. April zu den rapide gestiegenen Futtermittelpreisen in den USA - ich zitiere -:

„Die Landwirte dort werden doch erpresst und die Entwicklungsländer auch. … Dahinter steht das Interesse der Konzerne, ihren genveränderten Sojamais zu verkaufen.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

Viele Landwirte verzichten daher auf Gentechnik. Das liegt auch an den Haftungsrisiken. Eine Koexistenz zwischen genmanipulierten Flächen und gentechnikfreier Landwirtschaft, egal ob konventionell oder ökologisch, ist nicht möglich. Im Gegenteil, die Gentechnik bedroht die Existenz ganzer Familien.

Erst am 30. Mai hat ein Gericht festgestellt, dass Honig, welcher Blütenpollen des Genmaises MON810 enthält, nicht verkehrsfähig ist, also nicht verzehrt werden darf. Damit ist die Imkerei im Umfeld von Genmais nicht mehr möglich.

Nach Angaben des Deutschen Imkerbundes beträgt der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsleistung der Bienen allein in Deutschland rund 2 Milliarden Euro im Jahr. Das ist zehnmal so viel wie die Honigproduktion. Die Biene ist damit eines der wichtigsten Nutztiere für die Landwirtschaft. Albert Einstein hat einmal gesagt: Wenn die Biene stirbt, hat die Menschheit noch drei Jahre zu leben. - Das Urteil zeigt, dass Imkerei und Genmaisanbau nicht miteinander vereinbar sind.

Die Risiken der Agro-Gentechnik sind nicht rückholbar und dürfen daher kein Spielball der Landesregierung und von Konzerninteressen sein.

Mit der Kritik an der Agro-Gentechnik sind wir übrigens auch nicht isoliert, wie Ministerpräsident Wulff immer wieder meint, wenn er sagt, nur die Deutschen hätten damit Probleme. Im Gegenteil, viele EU-Länder haben aus guten Gründen fachlich begründet Genpflanzenanbau verboten. Deutschland sollte sich diesen Ländern im Interesse seiner Landwirtschaft und angesichts der Standortvorteile einer gentechnikfreien Landwirtschaft anschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Während die große Mehrheit der Landwirte und Verbraucher gegen die Agro-Gentechnik Widerstand leistet, versucht sich diese Landesregierung erneut als Cheflobbyist der Agro-Konzerne. Da werden von der FDP Gefälligkeitsbekundungen für genmanipulierte Zuckerrüben abgegeben. Das Landwirtschaftsministerium träumt von ganz neuen Genpflanzen gegen den Klimawandel. Und Ministerpräsident Wulff sponsert ein Projekt zur praktischen Akzeptanzbeschaffung für Gentechnik an Schulen mit 1 Million Euro aus Landesmitteln. Bei „HannoverGEN“ - so heißt das Projekt - können Schüler in einer „Gen-Fit GmbH“ praktisch experimentieren, während ethische, religiöse und ökologische Risiken weitgehend ausgeblendet werden. Wenn man die erwachsenen Verbraucher nicht überzeugen kann, wendet sich die Landesregierung anscheinend mit diesem einseitigen Projekt pro Gentechnik an die Schüler. Doch auch damit werden Sie eine sachliche Debatte über die vielfältigen Risiken nicht unterbinden können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)