Protocol of the Session on June 4, 2008

Statt liberale Akzente zu setzen, machen Sie in diesem Landtag jedes Sicherheitsgesetz mit. Damit haben Sie überhaupt kein Problem. Deswegen sind Sie nichts anderes mehr als der Wurmfortsatz der CDU.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist bedauerlich. Bedauerlich ist ebenfalls, dass dieser sehr gute Antrag heute abgelehnt werden wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE. Herr Adler, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht in die richtige Richtung. Er zielt darauf ab, im kommunalen Bereich mehr direkte Demokratie zu verankern. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Bestimmung des Grundgesetzes erinnern, die die Volkssouveränität definiert. Dort steht: Volkssouveränität wird ausgeübt in Wahlen und Abstimmungen. - „Und Abstimmungen“ steht dort. Diese Passage wird aber häufig vergessen. Um nichts anderes wollen wir hier auf kommunaler Ebene erweitern. Es geht darum - das hat Herr Briese richtig gesagt -, den Bürgerinnen und Bürgern mehr zuzutrauen. Wir sind da völlig auf seiner Seite.

Ich möchte jetzt etwas detaillierter darauf eingehen. In der bislang geltenden Niedersächsischen Gemeindeordnung gibt es die Bestimmung, dass sich die Bürgeranträge, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide nicht auf Fragen der Bauleitplanung und der Planfeststellung beziehen dürfen. Dies ist damit begründet worden, dass es eine Bürgerbeteiligung schon im Rahmen der Beteiligungsverfahren nach dem Baugesetzbuch gibt. Aber wie sieht diese Bürgerbeteiligung nach dem Baugesetzbuch denn aus? - Sie ist lediglich ein Anhörungsrecht. Die Bürgerinnen und Bürger können lediglich ihre Meinung zum Ausdruck bringen. Sicherlich ist das mehr als nichts. Aber beim Bürgerentscheid geht es auch darum, dass Entscheidungen getroffen werden können, die ebenso Satzungscharakter haben wie ein Beschluss des Kommunalparlaments. Das ist eine ganz andere Qualität.

In der Praxis - das will ich Ihnen jetzt einmal aus Oldenburg sagen - hat diese unglückliche Regelung der Niedersächsischen Gemeindeordnung zu Folgendem geführt: Wir hatten in der letzten Wahlperiode von 2001 bis 2006 immerhin zwei Bürgerentscheide. Sie haben die erforderliche Anzahl von

Stimmen bekommen, obwohl die Hürde recht hoch liegt. Das war aber nicht das Problem, sondern: Beide Bürgerentscheide sind schließlich vor Gericht gescheitert. Beide Verfahren gingen bis hin zum Oberverwaltungsgericht; denn Juristen können lange darüber streiten, ob diese oder jene Fragestellung im Zusammenhang mit einem Bürgerentscheid nun unter diesen oder jenen Ausschlusstatbestand fällt oder nicht. Die Bürgerinitiativen mussten sich also fachkundige Anwälte, ganz besondere Spezialisten, heranziehen. In diesen Fällen hat ihnen das aber nicht geholfen. Es ist richtig kompliziert, eine Frage so zu formulieren, dass alle Fallstricke des Gesetzes dabei beachtet werden und man immer noch zu einer wirklichen Entscheidung für die Bürgerinnen und Bürger kommt.

Das ist wirklich eine fatale Situation. Es wäre ein großer Gewinn, wenn diese ganzen Ausnahmetatbestände aus dem Gesetz herausgenommen würden oder wenn Sie wenigstens Folgendes machen würden - ich möchte Ihnen dazu einmal einen Vorschlag unterbreiten -:

Wir haben die Situation, dass die Bürgerinnen und Bürger Zehntausende Unterschriften sammeln, sich im Winter an Infoständen auf die Straße stellen und versuchen, die Bürger von ihrem Anliegen zu überzeugen. Hinterher wissen sie aber nicht, wie der Verwaltungsausschuss der jeweiligen Kommune hinsichtlich der Zulässigkeit entscheidet. Deshalb habe ich schon bei anderer Gelegenheit einen Vorschlag dazu gemacht. Wir kennen eine solche Regelung aus dem Baurecht. Dort gibt es einen Bauvorbescheid. Die Regelung ist wie folgt: Wenn jemand wissen will, ob ein Grundstück überhaupt bebaubar ist, lässt er sich einen Bauvorbescheid erteilen. Er muss dann nicht extra einen Architekten mit der Erstellung eines vollständigen Bauentwurfs beauftragen. Genau so könnte man es hier doch auch machen. Man könnte die Regelung doch so gestalten, dass der Verwaltungsausschuss vorab entscheiden muss, ob eine bestimmte Fragestellung zulässig ist oder nicht. Dann würde man die Leute nicht vergeblich in die Kälte jagen und an Infoständen Material verteilen lassen.

Sie haben durch die bisherige Konstellation im Gesetz für Politikverdrossenheit gesorgt. Die Bürgerinnen und Bürger waren verärgert darüber, dass sie sich nicht nur umsonst, sondern auch vergeblich im Interesse ihres Anliegens bemüht haben. Auch das hat natürlich mit dazu beigetragen, dass der oder die eine oder andere gesagt

hat: Das hat alles keinen Zweck, ich beteilige mich gar nicht mehr an Wahlen und dergleichen.

In dieser Frage werden wir noch einmal nachlegen. Wir werden - auch wenn Sie das jetzt mit Mehrheit ablehnen - einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem wir diesen Gedanken noch einmal aufgreifen werden. Ich hoffe, Sie werden sich dann damit beschäftigen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat sich Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Frau Zimmermann, Sie haben noch eine Restredezeit von 1:08 Minuten. Ich erteile Ihnen das Wort.

Da muss ich mich aber kurz fassen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Bürgerbegehren erleichtern“ heißt ja, mehr Demokratie zu wagen. Ich bin bestimmt keine Sammlerin; bisher jedenfalls nicht. Ich glaube aber, dass ich hier gerade eine neue Leidenschaft entwickle.

(Glocke des Präsidenten)

- Wie? Schon zu Ende?

Eine Minute haben Sie noch.

Ach so. - Ich entwickle gerade eine neue Leidenschaft, nämlich die, einmal zu gucken, wo die Regierungsfraktionen genau das nicht tun, was wir eigentlich wollen, nämlich für Demokratie zu sorgen. Ich habe es heute schon einmal gesagt - andere auch -: Die Geschäftsordnung des Landtages ist völlig undemokratisch. Über das Wahlrecht mit 14 diskutieren Sie nicht einmal richtig. Bürgerbegehren wollen Sie nicht.

Im Rahmen der Diskussion habe ich mich auch mit dem Argument auseinandergesetzt, dass das Bürgerbegehren die Parlamentarier in den Kommunen degradieren würde. Das finde ich überhaupt nicht. Wenn es dort Bürgerbegehren geben würde, würde dies zeigen, dass man mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht ausreichend gemeinsame Entscheidungen vorbereitet und entwickelt. Nein, ich finde,

man muss auch an dieser Stelle Mut zum Bürgerbegehren haben.

Das, was mich als Ratsfrau in Wolfsburg am meisten stört, sind nicht die Bürgerbegehren - nein, sie würden mich auch nicht stören -, sondern meine Arbeit hemmt am meisten die Verwaltung; denn dort macht die Verwaltung die Politik. Na ja, und wer sie hier macht, wissen wir ja.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat sich Herr Krogmann von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Krogmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir laufen gerade Gefahr, Herr Briese und Herr Adler, hier eine rein oldenburgische Debatte zu führen. Herr Adler hat ein konkretes Projekt angesprochen. Herr Adler, der Ehrlichkeit halber müssen Sie aber dazu sagen, dass man für den damaligen Vorschlag der Bürgerinitiative zwei kleine Stadtteilbäder hätte schließen müssen. Das stand aber nicht auf dem Fragebogen des Bürgerbegehrens. Wie die Bürger reagiert hätten, wenn das geschehen wäre, und ob das dann weniger oder nicht genauso viel Politikverdrossenheit gebracht hätte, lasse ich einmal dahingestellt sein. Ich finde nur, es gehört dazu, dass man dazu eine Bemerkung macht.

Die bisherige Debatte über diesen Antrag hat für unsere Fraktion zu zwei Ergebnissen geführt. Das erste Ergebnis ist: Es war gut und richtig, dass der Landtag im Jahr 1996 die Möglichkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in die niedersächsische Gemeindeverfassung aufgenommen hat. Herr Briese, es war die paternalistische SPD, die damals diese Möglichkeiten in die Verfassung eingearbeitet hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss allerdings hinzufügen, dass die Zustimmung damals breiter war. Soweit ich informiert bin, haben auch andere Fraktionen zugestimmt. Letztendlich waren aber wir es, die dem Bürger etwas zugetraut haben.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Sie waren mal besser!)

Wir haben gute Gründe, es in der Form zu belassen, wie es damals gewesen ist.

Es ging darum, in Einzelfällen eine Abstimmung über wichtige kommunalpolitische Fragestellungen - z. B. die Frage eines künftigen Bades - anzustrengen. Der Bürgerentscheid war dabei als Ergänzung der Willensbildung gedacht und nicht als Ersatz. Er sollte ein Einzelfall bleiben und nicht den Alltag der Willensbildung bestimmen. So war es gedacht, und so hat es sich in der Praxis auch entwickelt und aus unserer Sicht auch bewährt.

Das zweite Ergebnis der bisherigen Beratungen ist: Wir müssen feststellen, dass es den Antragstellern bislang nicht gelungen ist, einen stichhaltigen Grund dafür zu nennen, dass die Gemeindeverfassung jetzt wieder geändert werden soll. Hier wurde der Eindruck erweckt, als sei der Bürgerentscheid in Niedersachsen ein zahnloser Tiger. In der ersten Beratung wurden auch Untersuchungen wie z. B. der sogenannte Bürgerbegehrensbericht der Initiative „Mehr Demokratie e. V.“ zitiert. Wenn man sich diesen Bericht einmal anschaut - ich habe dies getan -, wird deutlich, dass der Tiger gar nicht zahnlos ist. Die niedersächsische Regelung ist bei den geforderten Quoren nicht besonders streng, sicherlich strenger als Bayern und Hamburg, aber weit weniger streng als Rheinland-Pfalz und Thüringen; wir belegen hier einen Mittelplatz.

Ich sehe deshalb keinen besonderen Handlungsbedarf, an der niedersächsischen Gemeindeverfassung wieder etwas zu ändern. Eine Verfassung sollte keine Wanderbaustelle sein. Man sollte nicht ohne Not daran herumbasteln.

(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid haben sich in Niedersachsen im Großen und Ganzen bewährt. Wenn man aber Politikverdrossenheit bekämpfen und das kommunalpolitische Leben in unseren Städten und Gemeinden beleben will, dann sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Das ist durch direktdemokratische Instrumente alleine nicht zu erreichen. Lassen Sie uns vielmehr alle gemeinsam dafür werben, dass sich Menschen wieder stärker ehrenamtlich kommunalpolitisch engagieren und so die Zukunft ihrer Gemeinde bzw. ihres Kreises dauerhaft mitgestalten, Menschen, die sich nicht nur mit einer Sachfrage, sondern über Jahre mit der ganzen Bandbreite des Lebens in einer Gemeinde beschäftigen. Wir sollten uns also fragen: Wie lenken wir bürgerschaftliches Engagement wieder in die Gremien der kommunalen Selbstverwaltung? Wie schaffen wir es, dass Kommunalpolitik wieder

Spaß macht und dass Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker wieder Gestaltungsmöglichkeiten bekommen?

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch noch einen Vorschlag an die Regierungsfraktionen richten. Wir sollten z. B. die finanzielle Gestaltungsfähigkeit verbessern. Deshalb sage ich: Sie sollten endlich dafür sorgen, dass die Kommunen in Niedersachsen eine angemessene finanzielle Ausstattung erhalten, z. B. durch die von uns vorgeschlagene Erhöhung der Verbundquote im kommunalen Finanzausgleich.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die finanziellen Spielräume in den Kommunen nämlich wieder größer sind, dann lässt sich mancher Konflikt zwischen Bürgern und Kommunen vielleicht vermeiden, bevor es zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Bode von der FDPFraktion. Herr Bode, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Briese, wenn man Ihren Beitrag und auch die Beiträge der Linkspartei hört, könnte man fast zu dem Eindruck kommen, dass es in Niedersachsen gar kein Bürgerbegehren und gar keinen Bürgerentscheid gebe. Dem ist aber nicht so, wie auch die SPD gerade schon deutlich gemacht hat. Diese Instrumentarien gibt es seit 1996. Sie wurden von einer breiten Mehrheit sowohl im Parlament als auch außerhalb des Parlaments getragen und eingeführt, damals auf eine Initiative der SPD hin. In der letzten Legislaturperiode sind die Quoren auf Initiative von CDU und FDP geglättet und in einigen Bereichen dadurch auch gesenkt worden. Diese Instrumentarien sind also vorhanden, und wir alle sind daran interessiert, sie immer weiter zu optimieren.

Aber was wollen Sie eigentlich konkret ändern? - Sie wollen die Quoren ändern. Im Vergleich mit anderen Bundesländern haben wir insofern aber keine besonderen Verwerfungen. Es hat in der Vergangenheit auch keine Probleme damit gegeben, diese Quoren zu erreichen, wenn sich die Bevölkerung wirklich dafür interessiert hat und der Druck für diese Entscheidung vorhanden war.

Sie wollen weiterhin - da wird es schon problematischer - die Gebiete, über die auf diese Weise abgestimmt werden kann, erweitern. Wir haben im Planungs- und Baurecht in Deutschland ein ganz besonderes - viele sagen: ein viel zu langwieriges - Verfahren, weil wir nämlich wollen, Herr Adler, dass sich nicht nur irgendwer einmal meldet und sagt, dass er da ein Problem hat, sondern dass die Anregungen und Bedenken von Bürgern und Interessensverbänden abgewogen werden, gewichtet werden und auch in den Entscheidungsprozess einfließen. Hier gibt es auf kommunaler Ebene immer Auswirkungen im Planungsrecht bzw. Änderungen. Wenn die Bürger, wie Sie es sich vorstellen, darüber abstimmen, dann haben sie nur die Möglichkeit, gleichsam schwarz oder rot zu wählen. Die Welt ist aber manchmal auch grün oder gelb.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Oder grau!)