- Oder auch grau. - Diese Entscheidungsmöglichkeit haben die Bürger im Planungsrecht dann nicht mehr. Das heißt, sehr viele sinnvolle Änderungen in diesen Entscheidungsprozessen zum Wohle der Bürger und auch vieler Interessensgruppen würden nicht berücksichtigt. Außerdem würden wir, wenn wir dieses Verfahren wählten, die Entscheidungsverfahren noch weiter in die Länge ziehen. Sehr viele Bürger würden dann eine andere Position haben. Vielleicht würde die schweigende Mehrheit fragen: Warum dauert das in Deutschland so lange? Warum sind wir so investitionsfeindlich? - Deshalb ist es vernünftig, dass wir diese Entscheidungen dem normalen Verfahren im Bau- und Planungsrecht überlassen.
Genauso vernünftig ist es, Bürgerentscheide nicht zuzulassen, wenn diese massive Haushaltsbelastungen zur Folge hätten. Wenn der Gemeinderat in der Konsequenz an anderer Stelle Einschränkungen vornehmen müsste und z. B. ein Schwimmbad oder eine Sporthalle schließen bzw. Zuschüsse für Verbände streichen würde, dann wären nämlich wieder die bösen Ratsherren schuld.
Ich finde, das System, das wir haben, ist ausgewogen. Wir sind in einer repräsentativen Demokratie. Sie ist ergänzt um vernünftige Instrumente. Genau so sollten wir es lassen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute in zweiter Beratung mit diesem von Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Antrag. Zwischenzeitlich hat eine, wie ich finde, intensive Diskussion im Ausschuss für Inneres, Sport und Integration stattgefunden.
Bei der ersten Beratung im Parlament hat der Antragsteller den Eindruck gewonnen - wenn ich das richtig wiedergebe, Herr Kollege Briese -, dass wir uns weitestgehend einig seien. Auch wenn Sie meinen damaligen Wortbeitrag als „ausgewogen“ tituliert haben: In der Sache sind wir wahrscheinlich etwas weiter auseinander, als Sie glauben.
Meine Damen und Herren, Deutschland ist ein Land der repräsentativen Demokratie. Diese Demokratie wird durch gewählte Abgeordnete auf der Europa-, Bundes-, Landes-, Regions- und Kreisebene vermittelt. Auf der Gemeindeebene haben wir in diesem Sinne kein Parlament, sondern die Bürgervertretung auf der kommunalen Ebene ist der Gemeinderat.
Ich glaube schon, meine Damen und Herren, dass die Freiheit in Deutschland, und zwar auch auf der kommunalen Ebene, so groß ist wie nie zuvor. Wir haben den mündigen Bürger. Niemand von uns, glaube ich, hat vor ihm Angst.
Meine Damen und Herren, Volksbegehren und Volksentscheide sind in den Verfassungen aller Bundesländer verankert. Unterschiede gibt es in der Höhe der Hürde.
Ich teile die Meinung des Antragsstellers bzw. der Kolleginnen und Kollegen, die vor mir gesprochen haben, dass es zu einer echten Qualitätsverbesserung gekommen ist, als wir 1996 - ich glaube, das
geschah seinerzeit auf Anraten einer Enquetekommission - das Instrument der Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in unsere Kommunalverfassung aufgenommen haben. Damit haben wir gute Erfahrungen gesammelt, Herr Kollege Briese.
Dem Bürgerbegehrensbericht 2007 ist zu entnehmen, dass es in Niedersachsen seit 1996 ca. 170 Bürgerbegehren und zwei Ratsreferenden, also insgesamt 172 solcher Verfahren, gegeben hat. Davon waren nach Aussage des Innenministeriums 44,1 % unzulässig, weil falsche, weil unzulässige Themen aufgegriffen worden sind.
Ich halte es nach wie vor für richtig, von den Initiatoren eines Bürgerbegehrens zu erwarten, dass sie Vorschläge unterbreiten, wie ihre Forderungen finanziert werden sollten.
Es kann doch nicht sein, dass wir den Damen und Herren in den Gemeinderäten zumuten, sich den ganzen Tag den Kopf über die Finanzierung von bestimmten Maßnahmen zu zerbrechen, einem Bürgerbegehren aber zugestehen, gerade dies nicht tun zu müssen, sondern ihre Forderungen einfach so erheben zu können.
Meine Damen und Herren, in Niedersachsen liegen wir im Mittelfeld; auch das ist schon gesagt worden. Ich glaube, dass die gesetzlichen Regelungen die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Ich darf an viele Verfahren erinnern, bei denen es selbstverständlich ist, dass Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden. Die Abwägungsprozesse im Bauleitplanverfahren sind doch sozusagen das Instrument einer bürgernahen Kommunalpolitik. Wer wollte es denn bestreiten, dass das Instrument von der überwiegenden Anzahl klug genutzt wird?
Ich finde, in Niedersachsen wird kluge Kommunalpolitik betrieben. In unseren Kommunalparlamenten engagieren sich mehrere Tausend Frauen und Männer, jüngere und ältere. Sie haben ihr Ohr an der Bürgerschaft und machen eine überaus bürgerfreundliche Politik. Das will ich ihnen auch gerne einmal bescheinigen.
Bürgerbeteiligung, meine Damen und Herren, muss nicht in einem Antrag gefordert werden, sondern Bürgerbeteiligung ist bereits gelebtes und praktiziertes kommunales Handeln vieler Beteiligter. Die Hürden, die der niedersächsische Gesetzgeber durchaus aufgebaut hat, tragen aber auch dem Umstand Rechnung, dass die Räte bzw. Kreistage die demokratisch legitimierten Organe
der Städte, Gemeinden und Landkreise sind. Eine Ausweitung der bisherigen Regelungen würde diese gewählten Parlamente schwächen. Sie könnte als Ausdruck eines gewissen Misstrauens gewertet werden, das, wie ich finde, nicht angebracht ist.
Meine Damen und Herren, die eher niedrige Zahl von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden lässt den Schluss zu, dass in Niedersachsen überwiegend eine kluge und verantwortungsvolle Kommunalpolitik gemacht wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass das von vielen so gesehen wird. Deshalb sind die Regelungen in Niedersachsen angemessen und gut. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Wir sollten es dabei belassen. Deshalb lehnen wir den Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab.
Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Twesten von der Fraktion der Grünen gemeldet. Herr Briese, damit entfällt Ihre Kurzintervention. Ich erteile Frau Twesten das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es geht bei der Frage der Absenkung der Hürden für Bürgerbegehren nicht nur um Freiheit, meine Damen und Herren von der CDU. Es geht vielmehr auch um Verantwortung, vor allem um die Bereitschaft des Einzelnen, Verantwortung für kommunale Belange zu übernehmen. Diese Verantwortung sollten wir wahrnehmen. Es geht weiterhin um die Frage von Politikverdrossenheit und Wahlbeteiligung. Wir haben uns dieser Frage bei der konstituierenden Sitzung hier im Landtag gestellt. Wir haben jetzt die Möglichkeit, der Politikverdrossenheit einen Riegel vorzuschieben, wenn wir die Hürden für Bürgerbegehren einfach absenken. Viele Prozesse sind für den Einzelnen - auch auf kommunaler Ebene - sehr komplex. Nicht jeder will die Verantwortung eines Gemeinderatsmandats übernehmen. Mancher will sich aber sehr wohl in einzelnen, für die Kommune sehr wichtigen Fragen engagieren.
Was das kommunalpolitische Engagement für Bürgerbegehren anbelangt, so ist zu sagen, dass wir in Scheeßel, meiner Heimatgemeinde, 1997 und 2004 zwei überaus erfolgreiche Bürgerbegeh
ren durchgeführt haben. Das, was dort passiert ist, wünsche ich mir ebenso für viele Gemeinden in Niedersachsen. Dieses Signal, Hürden abzusenken, das Quorum zu senken und auch die Fragen der Bauleitplanung endlich einmal auf den Prüfstand zu bringen, wünsche ich mir, damit viele Menschen in Niedersachsen an weiteren Entscheidungsprozessen in ihren Gemeinden teilhaben können.
Frau Twesten, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Kurzinterventionen dazu gedacht sind, auf den vorherigen Redner einzugehen. Ich hatte jetzt nicht zwingend den Eindruck, dass dies der Fall gewesen ist.
Herr Minister Schünemann, wir verabreden demnächst einmal eine Definition von Handzeichen. Ich habe Sie eben in der Tat missverstanden. Jetzt haben Sie aber das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass es eine breite Mehrheit dafür gibt, dass der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt wird. Ich bin auch froh, dass während der Debatte nun deutlich geworden ist, dass es nicht darum geht, Herr Briese, den Bürgerentscheid nicht zuzulassen oder den Bürgerentscheid ganz abzuschaffen. Es geht aber sehr wohl darum, dass man einen Bürgerentscheid demokratisch ausgestalten muss. Wenn man darüber spricht, das Zustimmungsquorum von 25 % abzuschaffen, frage ich mich, ob das demokratisch wirklich gewollt sein kann. Dass der Gesetzgeber Minderheiten die Möglichkeit gibt, ihre Interessen auch gegen eine schweigende Mehrheit durchzusetzen, kann nicht demokratisch sein. Deshalb ist das Quorum von 25 % zwingend notwendig. Es entspricht auch der Landesverfassung; denn beim Volksentscheid ist ein Quorum von 25 % vorgesehen.
Ich kann dem Kollegen Hiebing nur recht geben, wenn er sagt, dass als eine weitere Voraussetzung die Unterbreitung von Kostendeckungsvorschlägen anzusehen sei. Nicht umsonst ist das Prinzip der repräsentativen Demokratie deshalb so erfolgreich, weil es nicht angehen kann, dass man sich bei Volksentscheiden nur um ein Thema kümmern
Wenn man auf der kommunalen Ebene, was durchaus sinnvoll ist, den Bürgerentscheid als Ergänzung zu den Rats- und Kreistagsbeschlüssen zulässt, muss man also auch die Finanzierung der Umsetzung dieser Beschlüsse mit im Auge haben. Ein Bürgerentscheid bindet schließlich genauso wie ein Rats- oder Kreistagsbeschluss. Insofern ist es ein gutes Signal, dass es hier eine breite Mehrheit dafür gibt, es bei der bisherigen Situation zu belassen.
Im Antrag selber steht eines nicht, was im Verlaufe der Debatte angesprochen worden ist. Wir sollten tatsächlich darüber nachdenken, wie ein Antrag auf Bürgerentscheid behandelt wird. Zunächst muss das Vorhaben angezeigt werden. Danach müssen die Stimmen bzw. die Unterschriften gesammelt werden. Erst dann, wenn die Unterschriften zusammengekommen sind, wird geprüft, ob das Vorhaben wirklich zulässig ist oder nicht. Das kann durchaus frustrierend sein. Ich habe mir sagen lassen, dass in 30 oder 40 % der Fälle entschieden wird, dass das Vorhaben nicht zulässig ist. Dieses Verfahren sollte man vielleicht überdenken. Wir haben ja vor, die NGO zu novellieren. In diesem Rahmen wäre durchaus im Interesse des Bürgerentscheides zu überprüfen, ob dann, wenn der Antrag gestellt worden ist, nicht auch sofort entschieden werden sollte, ob der Bürgerentscheid zulässig ist oder nicht. Insofern könnte man dazu beitragen, dass ein Bürgerentscheid insgesamt mehr Akzeptanz findet, was durchaus sinnvoll ist.
Vielen Dank dafür, dass so intensiv beraten worden ist und dass man jetzt zu einer klugen Entscheidung kommen wird.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Erste war eindeutig die Mehrheit. Damit ist so beschlossen worden.
Zweite Beratung: Freiwillige Selbstverpflichtung - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/103 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 16/175