Wir haben im Jahre 2009 211 Integrationsklassen zieldifferenziert. Wir stellen 1 752 Stunden für mobile Dienste an 749 Schulen zur Verfügung. Wir haben - ich sagte es bereits - an über 700 Schulen etwa 11 000 Stunden für Förderschulen eingerichtet.
Ich denke, das ist eine Bilanz, mit der sich Niedersachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht zu verstecken braucht. Wir nehmen diese Verpflichtung wahr. Aber wir wollen sie angemessen und verantwortungsvoll im Sinne des Kindeswohls in Niedersachsen umsetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Aktionspläne sind nicht mit Aktionismus zu verwechseln. Gerne nehmen wir die Anregungen für verschie
dene Möglichkeiten, die sich ergeben, auf. Aber ich bitte sehr herzlich darum, alles dafür zu tun, dass dieses Thema, wenn der Gesetzentwurf vorliegt, nach Möglichkeit zu einem Thema des gesamten Parlaments werden kann, ohne dass wir womöglich in parteipolitische Diskussionen über diese Frage kommen; denn es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns im schulischen Bereich gerne stellen wollen. Wir werden Ihnen in Kürze unsere Vorstellungen dazu vorlegen.
Ich darf sagen, manches von dem, was Sie in den beiden Gesetzentwürfen aufgeschrieben haben, ist mit Sicherheit ein Punkt, über den wir uns unterhalten wollen. Aber die Frage der haushalterischen Rahmenbedingungen, die Frage des Zeitplans, die Frage der Umsetzungsschritte - wo beginnen wir? - werden noch zu klären sein. Deshalb gestatten Sie der Landesregierung, dass sie in Kürze einen eigenen Gesetzentwurf dafür vorlegen wird. Ich habe ihn im Rohentwurf schon hier.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Angesichts der vielen Dinge, die noch zu klären sind, würde ich die Anregung geben, dass vielleicht auch im Kabinett noch einmal darüber gesprochen wird, wie das mit der Einhaltung der Redezeit ist. Da sie so erheblich überschritten worden ist, gebe ich der Fraktion DIE LINKE nach § 71 Abs. 3 eine zusätzliche Redezeit von zweieinhalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da habe ich ja richtig viel Zeit; damit hatte ich gar nicht gerechnet. So lang wird es auch nicht werden.
Zwei Bemerkungen in Ihrer Rede, Herr Minister, zwingen mich jetzt sozusagen zum Eingreifen. Das eine ist Ihre Bemerkung, dass Förderschulen aufrechterhalten werden müssen, weil es Kinder gibt, für deren Wohl sie einfach notwendig sind, da sie an allgemeinbildenden Schulen nicht unterrichtet werden können.
Nun bin ich interessanterweise genau mit solch einer Einstellung und aufgrund von Erfahrungen aus dem persönlichen Bereich nach Südtirol gefahren. Ich bin dort mit der ganz sicheren Vorstellung abgefahren, dass das nicht stimmt. Jedes Kind - egal, wie groß der Förderbedarf ist - kann an
Sie haben diese Erfahrung leider nicht gemacht. Das war für mich eine der eindringlichsten Erfahrungen dieser Reise.
Die zweite Bemerkung ist die, dass Sie sich massiv gegen den Ausgrenzungsvorwurf gewehrt haben. Ich möchte noch einmal eine Zahl auf den Tisch bringen. Der Anteil der Zuweisungen an Förderschulen Lernen für Kinder mit Migrationshintergrund ist doppelt so groß wie für Kinder, die aus deutschen Familien stammen. Ich halte das immer noch für einen schulpolitischen Skandal. Da stimmt an diesem System etwas ganz gravierend nicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Althusmann, es mag sein, dass wir beim Thema Konnexität unterschiedlicher Auffassung sind. Insoweit ist, denke ich, zumindest der Feststellung zuzustimmen, dass sich die Kosten für die Schulträger verringern, wenn z. B. die Kosten für die Schülerbeförderung an die Förderschulen, im Rahmen der häufig sehr lange Wege zurückgelegt werden müssen, eingespart werden können.
Ich glaube aber, in dem Moment, in dem wir den Rechtsanspruch für alle Kinder durchsetzen, die Schulform ihrer Wahl auswählen zu können, ist es wichtig, dass die Kommunen nicht die allein Leidtragenden sind, was die Kosten angeht, sondern da muss das Land, auch weil bei den Kommunen in der ersten Phase durch Bauten und Investitionen ein erheblicher finanzieller Aufwand entstehen wird, unterstützend tätig werden. Das kann man besprechen. Ich glaube, dazu sind auch Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden notwendig.
Wenn wir über Inklusion reden, dann gilt ein Grundsatz - ich sage dies ganz deutlich -: Kein Thema über uns ohne uns! Es reicht nicht, nur Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden zu führen, sondern erforderlich sind vor allen Dingen auch Gespräche mit den Behindertenverbänden und den Menschen, die es tatsächlich betrifft.
Sie haben sehr eloquent angeboten, sich jeden Einzelfall, den Frau Korter hier genannt hat, anzusehen. Es gibt bei uns und, ich glaube, bei Wahlkreisabgeordneten aller Fraktionen genug Beispiele, die bei ihnen auf dem Tisch landen. Es geht nicht um wohlgefällige Entscheidungen im Einzelfall. Es geht um die Umsetzung eines Rechtsanspruchs. Das ist das Wichtigste; das hat für uns Vorrang.
Das ist auch der Unterschied zwischen Almosen, Barmherzigkeit und tatsächlicher Anspruchsgrundlage. Sozialdemokraten wissen, wovon sie reden, wenn sie das thematisieren.
Sie haben erwähnt, dass es in 749 Schulen Integrationsklassen gibt, dass die Quote der Schülerinnen und Schüler mit sozialpädagogischem Förderbedarf, die eine allgemeinbildende Schule in Niedersachsen besuchen, Ihrer Auffassung nach durchaus höher ist, als die Statistik es vermuten lässt.
Man kann sich fragen, ob sogenannte Kooperationsklassen in anderen Bundesländern, in denen die Kinder mit Behinderung zwar in einer allgemeinbildenden Schule, aber wieder in eigenen Klassen unterrichtet werden, Inklusion ist, wie wir sie verstehen. Ich glaube, das ist es in der Tat nicht.
Allerdings muss man sagen: Andere Bundesländer, wie z. B. Schleswig-Holstein unter der damaligen Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave, haben sich wirklich verbindliche Quoten vorgenommen. In Schleswig-Holstein beträgt die Quote der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die an allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden, 45 %.
Ich wünsche mir - darum haben wir unseren Phasenplan vorgelegt -, dass wir uns solche ehrgeizigen Ziele setzen, dass wir sagen: Spätestens in zehn Jahren ist die Quote derer mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine allgemeinbildende Schule besuchen, genau so hoch wie jetzt die Quote derer ist, die noch zu Förderschulen gehen müssen. Das wäre ein Ziel, das wir erreichen können, meine Damen und Herren.
Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Korter das Wort. Auch Sie haben zweieinhalb Minuten Redezeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Althusmann, Sie haben hier eine etwas positivere Bilanz zur Inklusion gezogen als wir. Ich will unsere Haltung dazu in einigen Punkten begründen.
Sie haben davon gesprochen, wie viele Grundschulen bei dem Konzept der sonderpädagogischen Grundversorgung mitmachen. Da wäre es selbstverständlich, haben Sie gesagt, dass Kinder gar nicht erst in eine Förderschule gehen, sondern gleich in die ortsnahe Grundschule.
Dieses Konzept umfasst aber nur die Kinder mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung. Kinder mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung oder körperliche und motorische Entwicklung oder Kinder mit anderen Förderschwerpunkten sind nicht eingeschlossen. Ganz schnell stößt dieses Konzept an seine Grenzen, wenn Eltern versuchen, ihre Kinder nach der Grundschule in der weiterführenden Schule in eine Integrationsklasse zu bekommen.
Genau das ist auch Inhalt einer ganzen Reihe der Beschwerden, die bei uns aufgelaufen sind. Ich kann Sie beruhigen, Herr Nacke: Wir sammeln diese Beschwerden nicht bei uns in den Schreibtischen - vielleicht ist das bei Ihnen so -, sondern wir arbeiten sie ab.
Wir kümmern uns um jeden einzelnen Fall, rufen die Landräte, die Landesschulbehörde an, kümmern uns um die Schulen und versuchen, den Platz für das Kind zu bekommen und es zu unter
stützen. Das ist in den allermeisten Fällen mit viel Arbeit auch gelungen, aber eben nicht in allen. Über die Fälle, in denen es nicht gelungen ist, werde ich gern auch mit dem Minister sprechen.
Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen. Der Minister hat eben gesagt, auch die Lehrerausbildung müsse sich wandeln. Herr Minister Althusmann, vor wenigen Wochen haben Sie der Öffentlichkeit eine neue Ausbildungsverordnung verkündet. Sie ist inzwischen ja auch in Kraft getreten; wir haben sie im Kultusausschuss angesprochen. Für die Lehrerinnen und Lehrer der allgemeinbildenden Schulen enthält diese Ausbildungsverordnung das Pflichtmodul sonderpädagogische Ausbildung/inklusive Didaktik aber gerade nicht. Dieses Modul gibt es nach wie vor nur für die Sonderpädagogen. Da sehe ich nicht den kleinsten Ansatz einer Inklusion.
Unter den 30 oder 40 aufgeführten Kernkompetenzen ist lediglich aufgeführt, dass man sich auch über die UN-Konvention über die Rechte von Kindern mit Behinderungen informieren soll. Das ist alles. Das ist aber zu wenig. Das muss ein Pflichtmodul in der Ausbildung von Erziehern und Lehrern für alle Lehrämter sein. Das ist das Mindeste, was wir auf den Weg bringen müssen.
Die Zeit reicht nicht, um noch weitere Aspekte aufzuführen. Aber ich werde gern mit den Fällen, für die wir noch keine Lösung gefunden haben, zu Ihnen kommen.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Korter. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung, und wir kommen zur Ausschussüberweisung.
Der Gesetzentwurf unter Tagesordnungspunkt 6 soll zur federführenden Beratung an den Kultusausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden.
Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 7 soll zur federführenden Beratung an den Kultusausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden.
lassen kann. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie das so beschlossen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.