Protocol of the Session on June 9, 2010

Deshalb rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt 14 e auf:

Letzte Ausfahrt Schloss Bellevue? Atom, Bildung, Haushalt und Soziales - Wulffs niedersächsische Hinterlassenschaften - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2548

Zu Wort gemeldet hat sich für die einbringende Fraktion der Kollege Wenzel. Sie haben das Wort, Herr Wenzel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, den Medien konnten wir entnehmen, dass Sie mit Rückfahrkarte auf dem Weg nach Berlin sind. Herr McAllister wurde am Freitag letzter Woche zum künftigen Ministerpräsidenten ausgerufen. Aber drei Tage später rieb man sich die Augen, wenn man auf Ihre Website guckte, Herr Wulff. Dort war es dann recht einsilbig geworden. Die Formulierung „für den Fall einer erfolgreichen Wahl“ wird jetzt zur Bedingung für die Karriereplanung des Anwärters. So wurde er am Montag dieser Woche in der Presse tituliert.

Herr Ministerpräsident Wulff, mir ist bei der ganzen Diskussion nicht klar geworden, warum Sie sich nicht gleich für eine Beamtenkarriere entschieden haben.

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜ- NEN, bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Man kann das Ganze amüsant finden, man kann auch süffisant lächeln. Aber diese Ängstlichkeit, diese Unentschlossenheit, diese mangelnde Siegeszuversicht sprechen aus Ihren Worten und Ihren Taten, Herr Wulff.

Man kann es auch deutlich härter kommentieren. Der neue Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten hält es für „verfassungsrechtlich ausreichend“, wenn Herr Wulff erst nach der möglichen Wahl zum Bundespräsidenten zurücktritt.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist doch in Ordnung!)

Ausdrücklich will sich der Kandidat kein Vorbild an Altbundespräsident von Weizsäcker nehmen.

Herr Ministerpräsident Wulff, an ein künftiges Staatsoberhaupt stellen wir mehr als ausreichende Anforderungen im Umgang mit der Verfassung.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Das Feld ist übersichtlich. Es gibt keinen Grund, die Verfassung zu strapazieren. Sie müssen sich nur entscheiden. Treten Sie zurück, und zwar so zeitnah wie möglich!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, damit wäre auch Klarheit für die landespolitischen Herausforderungen geschaffen. Sie hatten bereits im Januar 2010 Großes vor. Aber dann kreißte der Berg und gebar

eine Maus. Nun wieder keine Klarheit. Jetzt sollte im Juni der Haushaltsplanentwurf kommen. Wiederum vertagt auf den Spätsommer. Wann wird in dieser Legislatur eigentlich mal regiert?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Vor Konsequenzen in der Bildungspolitik haben Sie sich gedrückt. In der Atompolitik stehen Sie für gesellschaftliche Spaltung in einer zentralen Zukunftsfrage.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ihr Umweltminister ist ein Risiko ersten Ranges.

Meine Damen und Herren, die Konservativen und die Gelben sind hier im Land längst zum Entwicklungshindernis in schwerer Zeit geworden. Da taktiert eine Bundeskanzlerin monatelang in der Griechenlandfrage, lässt die Zweifel am Euro wachsen und macht die NRW-Wahl zur teuersten Landtagswahl aller Zeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da empfiehlt der Außenminister den Griechen die deutschen Sekundärtugenden als Weg aus der Krise, dass man vor Fremdschämen fast im Boden versinken möchte. Da tritt ein ehemaliger Finanzmanager, der Bundespräsident Köhler, mitten in der Eurokrise beleidigt zurück, obwohl er eigentlich jemand sein müsste, der die Mechanismen der Märkte erklären könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Da kommt dann Herr Wulff und fühlt sich berufen, die Welt zu retten. Da fragt man sich: Vor wem eigentlich will er die Welt retten, und wer muss eigentlich gerettet werden, das Land oder die Partei?

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wer will überhaupt gerettet werden?)

Herrscht nicht längst Götterdämmerung, meine Damen und Herren, wenn die Wildsau mit der Gurkentruppe versucht, den Haushalt zu sanieren?

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

In ZEIT Online erschien am Samstag die Überschrift: Wulffs Kurs führt vom Chaos zum Stillstand. - Was auffällt: Je weiter weg von Niedersachsen, desto weniger kann man verstehen, was

ausgerechnet Sie, Herr Wulff, als Bundespräsident qualifizieren sollte. Macht Sie das nicht stutzig? Auch den gemäßigten Beobachtern fällt partout nichts ein, was Sie für dieses Amt qualifiziert. Ihnen selbst ist ja bislang auch keine qualifizierte Bemerkung eingefallen, außer dass Sie irgendwas zusammenführen wollen. „Zu den großen gesellschaftlichen Fragen hatte Wulff bisher so wenig zu sagen wie die Berliner Koalition selbst“; das schreibt Herr Thiele, DIE ZEIT. Das ist kein Satz von mir.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Das ist leider bitter, aber das ist wahr.

Sie haben hier immer gern von John F. Kennedy und Nelson Mandela geschwärmt, Herr Ministerpräsident. Träumen ist erlaubt. Aber, mit Verlaub: Das waren große Staatsmänner. - Ich glaube nicht, dass es denen eingefallen wäre, sich eigens Professoren zu mieten, um ihnen den Weg ins Amt vorauszudenken. Bleibt die Frage: Was bleibt an Qualifikationen für Ihre Präsidentschaft? Die einzige Antwort, die mir einfällt, ist: Sie neigen nicht zum Rücktritt.

Meine Damen und Herren! Herr Wulff, Sie haben dem Landtag und der Bevölkerung hier in Niedersachsen eine Menge zu erklären! Und das hat heute und hier im Landtag zu erfolgen.

Kollege Wenzel, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen!

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. - Ich erwarte, dass der Ministerpräsident hier heute selbst Stellung nimmt.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Lachen bei der CDU - Hans-Werner Schwarz [FDP]: So weit kommt es noch! Das war ja wohl lä- cherlich!)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Rickert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Als ich den Wortlaut der Aktuellen Stun

de der Grünen gelesen habe, habe ich mich gefragt: Ist hier die Diskreditierung des Amtes des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland sowie der untaugliche Versuch, das Amt des Ministerpräsidenten zu beschädigen, gewagt worden?

(Helge Limburg [GRÜNE] lacht)

Ich habe mich gefragt, ob ich mich für die FDPFraktion auf diesem Niveau an der Debatte beteiligen soll. Diese Frage stellt sich auch aus Respekt vor den beiden von mir genannten Ämtern des Bundespräsidenten und des Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der FDP)

Dennoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, einige Anmerkungen zur Kandidatur von Christian Wulff, allerdings ohne Aufgeregtheit und ohne Polemik. Die Nominierung von Christian Wulff als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ist für alle Niedersachsen eine große Ehre und sollte uns mit Stolz erfüllen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lebhafter Widerspruch bei den GRÜNEN)

Der Versuch der Grünen, im Rahmen der Aktuellen Stunde noch einmal mit Lehm zu werfen, wirkt kleinkariert und peinlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die diffamierenden Bezeichnungen und Äußerungen zu respektablen Personen dieser Landesregierung bestätigen mich in dieser Annahme.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Die Stich- wörter „Gurkentruppe“ und „Wildsau“ sind Zitate, Herr Rickert!)

Denn die Erfolge als Ministerpräsident spricht ihm niemand ab. Dass man als Opposition manche Dinge kritischer und auch distanzierter sieht, ist nicht nur Ihr gutes Recht, meine Damen und Herren von der Opposition, nein, geradezu Ihre Pflicht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Stimmt!)