Ohne Zweifel ist es zu begrüßen, wenn Menschen den Konsum dieser Substanzen einstellen oder gar nicht erst damit anfangen. Die Verbreitung von Suchtmitteln so niedrig wie möglich zu halten, ist ein vernünftiges gesellschaftspolitisches Ziel.
Es ist aber realitätsfremd zu glauben, dass es jemals eine Welt völlig ohne Rauschmittel geben wird. Es hat Rauschmittel immer gegeben. Uns geht es nicht um Drogenverherrlichung, sondern um Aufklärung, Prävention, staatliche Aufsicht und Kontrolle, um ein Höchstmaß an Jugend- und Verbraucherschutz und darum, die Organisierte Kriminalität nachhaltig zu bekämpfen.
Die Frage, über die wir hier streiten, ist, ob ein Verbot zum Erreichen dieser Ziele sachdienlich ist. Auch wenn sich die Landesregierung windet, so unterstreicht ihre Antwort doch das, was sich in der Fachwelt längst als Mehrheitsmeinung durchgesetzt hat: Die Cannabisprohibition ist genauso gescheitert wie die Alkoholprohibition in den USA und in vielen anderen Ländern.
Unzählige wissenschaftliche Studien belegen das. Ärzte, Kriminologen, Polizeipräsidenten, Polizeigewerkschafter, ehemalige Gesundheitsministerinnen und -minister und EU-Kommissare - sie alle fordern eine Kehrtwende in der Cannabispolitik. Der Economist widmete diesem Thema vor wenigen Monaten eine Titelstory. „Die Prohibition hat versagt - Legalisierung ist das kleinere Übel“ lautete der Unterzeile des Artikels mit dem Titel „How to stop the drug wars“.
Schauen wir uns die Ergebnisse der Verbotspolitik in Niedersachsen und auch in Deutschland an. Jeder vierte Deutsche hat bereits Cannabis konsumiert. Bei den 15- bis 24-Jährigen sind es sogar 39 %. Damit sind wir auf Platz vier in Europa und rangieren übrigens weit vor den liberalen Niederlanden. Es gibt bundesweit, geschätzt, 3 Millionen Konsumenten pro Jahr. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht spricht in einer aktuellen Studie von Konsumraten - ich zitiere - auf historisch hohem Niveau trotz der jahrzehntelangen Verbotspolitik. Allein in Niedersachsen werden jährlich zwischen 500 und 1 300 kg mit einem Schwarzmarktwert von rund acht Millionen Euro beschlagnahmt. 130 000 Strafverfahren wurden im letzten Jahr bundesweit eingeleitet. Rund 78 % davon richteten sich gegen einfache Konsu
menten, die nichts mit Handel, mit Schmuggel oder mit Anbau zu tun hatten. In Niedersachsen standen vor zehn Jahren gut fünf von zehn Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz in einem Zusammenhang mit Cannabis. Heute sind es sieben von zehn. Im selben Zeitraum, also in den letzten zehn Jahren, sind in Niedersachsen über 155 000 Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis registriert worden. Auch hier trifft es vor allem einfache Konsumenten. Die Tendenz steigt. Das betrifft übrigens vor allem Erwachsene. Bei Minderjährigen ist die Zahl zum Glück rückläufig. Die beliebte Behauptung, dass bei der Verfolgung von Cannabisdelikten vor allem die großen Fische im Visier des Staates seien, ist nachweislich falsch.
Immense Personal- und Zeitressourcen bei Polizei und Justiz werden durch die Masse der Verfahren gebunden. Viele der arbeitenden Beamten sind frustriert, weil sie selbst bei kleinsten Mengen ein Verfahren einleiten müssen, das nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1994 mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin eingestellt werden muss. Diese Politik verhindert, dass sich unzählige Polizisten und Staatsanwälte voll den echten Straftätern in diesem Lande widmen können.
Bereits 1992 empfahl eine vom Niedersächsischen Justizministerium eingesetzte Kommission zur Reform des Strafrechts, die von dem Kriminologen Peter-Alexis Albrecht geleitet wurde, die Entkriminalisierung von Cannabisprodukten. Passiert ist seitdem gar nichts. Warum eigentlich nicht?
Nun stellt sich die Frage, durch welche Fakten diese Aussage untermauert wird und wie auf dieser Basis eine Unterscheidung gegenüber anderen legalen und illegalen Drogen möglich wird. An Letzterem hapert es ganz gewaltig. Schauen wir uns die Zahl der Krankheits- und Todesfälle durch legale und illegale Drogen an. Das Statistische Bundesamt wies am 23. Juni 2009 darauf hin, dass wesentlich mehr Krankheits- und Todesfälle durch legale Drogen als durch illegale Drogen zu verzeichnen sind. Demnach wurden im Jahr 2007
knapp 532 000 Patienten infolge des Konsums von legalen Drogen wie Alkohol und Tabak behandelt, während es bei den illegalen Drogen rund 80 000 Patienten gewesen seien. An legalen Drogen sind 58 000 Menschen gestorben, an illegalen Drogen 1 375 Menschen. Dabei ist im Übrigen nicht eine Person am Konsum von Cannabis gestorben.
Bei den Suchtberatungsstellen in Niedersachsen sind 40 % aller Klienten wegen Alkoholmissbrauchs in Behandlung. Cannabis hat einen Anteil von 12 bis 13 %. Niemand kommt aufgrund all dieser Zahlen und vor allem des hoch problematischen Alkoholmissbrauchs bei jungen Menschen, bei Jugendlichen auf die Idee, Alkohol zu verbieten. Gleiches gilt für den Tabakkonsum, obwohl bekannt ist, dass Raucher im Schnitt 15 Jahre früher sterben als Nichtraucher. Doch Cannabis bleibt verboten, obwohl die bereits erwähnte Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht darauf hinweist, dass weniger als 10 % der Konsumenten überhaupt zu Risikokonsumenten werden. Selbst die Landesregierung gibt auf Seite 12 der Antwort auf die Große Anfrage zu - ich zitiere -:
„Die Intensität der Abhängigkeit wird als geringer als bei einer Reihe anderer Suchtmittel eingeschätzt.“
Ein weiteres beliebtes Argument ist, dass sich die Wirksamkeit der Cannabisprodukte in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt und dadurch die Gefahr zugenommen habe. Der Jahresbericht 2009 zum Stand der Drogenproblematik in Europa weist darauf hin, dass es für diese Behauptung keine Belege gibt. Ich zitiere:
„In den meisten der 16 europäischen Länder … blieb die durchschnittliche Stärke von Cannabisharz und Cannabiskraut im Zeitraum 2002 bis 2007 stabil oder ging zurück.“
Im Übrigen spricht auch das Argument der unterschiedlichen Stärke dafür, dass der Staat den kontrollierten Verkauf zulässt und dafür sorgt, dass es wie beim Alkohol Verbraucherhinweise über den Wirkungsgehalt gibt.
Meine Damen und Herren, ein weiteres beliebtes Argument ist die Behauptung, dass eine Entkriminalisierung dazu führen würde, dass der Konsum im ganzen Lande drastisch ansteigen würde. Die Landesregierung behauptet sogar, dass ein Erfolg
Auch diese Behauptung lässt sich wissenschaftlich nicht belegen. In den Niederlanden, wo seit über 30 Jahren der Verkauf in den sogenannten Coffeeshops an Volljährige toleriert wird, konsumieren deutlich weniger Jugendliche und Erwachsene Cannabis als in Deutschland.
Laut europäischer Beobachtungsstelle haben in Deutschland 7,6 % aller 15- bis 24-Jährigen im letzten Monat Cannabis konsumiert, während es in Holland nur 5,3 % gewesen sind.
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Schweizer Parlaments drückt dies wie folgt aus:
„Die verbreitete Vermutung einer ins Gewicht fallenden generalpräventiven Wirkung der Konsumstrafbarkeit kann nicht nachgewiesen werden und scheint auch wenig plausibel.“
Zwischen der Verbreitung/Häufigkeit des Drogenkonsums und der strafrechtlichen Verfolgungs- und Sanktionspraxis bestehe kein signifikanter Zusammenhang. Dafür gibt es jedoch Folgewirkungen des Verbotes, die nicht zu verantworten sind und denen wir uns stellen müssen.
Wenn der Staat keinen Einfluss nimmt, kommen gestreckte Substanzen in Umlauf. Vom großen Handel profitiert vor allem die organisierte Kriminalität, die zum Teil auch die sogenannten harten Drogen anbietet. Um all diese Probleme zu lösen und junge Leute aufzuklären, muss Hanf dem Schwarzmarkt entzogen werden.
Herr Kollege, die rote Lampe zeigt an, dass die Redezeit abgelaufen ist. Kommen Sie bitte zum Schluss!
- - - bei dem nicht der Konsum bekämpft worden ist, sondern giftiger Alkohol aus Schwarzbrennereien in Umlauf gekommen ist.
Herr Präsident, ich komme zum letzten Satz. - Sie sehen, es gibt keine sinnvolle Begründung für die Verbotspolitik. Der Verkauf an Volljährige sollte staatlich reguliert und besteuert werden, damit wir das Geld endlich in bessere Aufklärung und Prävention investieren können.
Meine Damen und Herren, für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Özkan das Wort. Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es auf den Punkt zu bringen: Die Große Anfrage zielt letztendlich darauf ab, Cannabiskonsum über einen geregelten Markt zu legalisieren. Das ist der falsche Weg. Wir als Landesregierung lehnen dies ab.
Cannabis ist international und in Deutschland nach wie vor die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge. Sie schädigt die Lunge und kann krebserregend sein.
Die gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums sind wesentlich höher, als noch in den 90erJahren angenommen.
Frau Ministerin, entschuldigen Sie die Unterbrechung. - Meine Damen und Herren, wenn Sie das Thema nicht interessiert, dann können Sie den Plenarsaal verlassen. Frau Ministerin, bitte!
Der aktuelle Forschungsstand bestätigt, dass Cannabis Abhängigkeit erzeugen kann, dass insbesondere bei Jugendlichen stärkerer Cannabiskon
sum negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung sowie auf schulische und berufliche Leistungen haben kann und dass ein früher und regelmäßiger Gebrauch von Cannabis das Risiko für den späteren Konsum von anderen, härteren illegalen Drogen erhöht. Durch eine Legalisierung von Cannabis würden wir diese Forschungserkenntnisse missachten und eine Gefährdung junger Menschen in Kauf nehmen. Das wollen wir nicht.