Protocol of the Session on February 18, 2010

(Norbert Böhlke [CDU]: Das wün- schen Sie sich! Das ist nicht so!)

- Sie werden das gleich vortragen können und mit Ihrer Position bei den Pflegebedürftigen und Pflegenden sicherlich viel Freude auslösen. - Die SPDFraktion hat im August 2009 eine umfassende Anhörung durchgeführt. Herr Kollege Riese, für Ihre Statistik merke ich an: Das bedeutet, dass nach intensiven Vorbereitungen bis zur Einbringung des heute vorliegenden Antrags sechs Monate vergangen sind. Das erspart Ihnen das Nachrechnen. Ich wollte Ihnen hier nur eine Hilfestellung geben.

Die Errichtung einer Pflegekammer liegt in der Zuständigkeit der Länder, was durch das Rechtsgutachten von Professor Dr. Igl 2008 noch einmal eindrucksvoll untermauert wurde. Die SPD hat sich - das verhehle ich überhaupt nicht - bisher immer kritisch und negativ zur Einrichtung von Kammern für weitere Berufe positioniert, vor allem deshalb, weil die Einrichtung entsprechender Kammern in der Regel die Konsequenz hat, dass mit dieser Einrichtung auch eine eigenständige Altersversorgung verbunden ist. Wir sagen ganz deutlich: Wir wollen keine Sondereinrichtungen in der Altersversorgung, sondern eine Stärkung der bestehenden gesetzlichen Alterssicherungssysteme.

Sowohl die Betroffenen bei unserer Anhörung als auch die Nationale Konferenz zur Errichtung von Pflegekammern in Deutschland haben deutlich gemacht, dass sie weder eine eigenständige Altersversorgung anstreben, noch in die Tarifhoheit der Gewerkschaften eingreifen wollen. Unter diesen Voraussetzungen fällt es der SPD-Fraktion

leicht, die Schaffung einer Pflegekammer zu fordern und die Landesregierung zu bitten, schnellstmöglich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, dass die Pflegekräfte ihre Interessen endlich auf Augenhöhe beeinflussen können, zumal sich zwischenzeitlich auch ein Arbeitgeberverband Pflege auf Bundesebene gegründet hat. Zudem sind alle ärztlichen Berufe verkammert. Angesichts der vor uns liegenden Herausforderungen gerade in der Pflege müssen wir die strikte Trennung zwischen Altenpflege und Krankenpflege überwinden. Gleichzeitig müssen Pflegekräfte hinsichtlich ihrer Selbstverwaltungsrechte und Selbstverwaltungsmöglichkeiten auf Augenhöhe mit ärztlichen Heilberufen handeln können.

(Zustimmung von Ulla Groskurt [SPD])

Zahlreiche Schreiben von Pflegekräften machen deutlich, dass sie über die Initiativen von SPD und Grünen in Niedersachsen froh sind. Herr Böhlke, über 90 % der Beschäftigten in der Pflege wünschen sich eine solche Kammer.

(Zustimmung bei der SPD)

Regelung der Aus- und Weiterbildung, Sicherung von Qualitätsstandards, Abnahme des pflegerischen Staatsexamens, Entwicklung des Berufsbildes - das sind einige wichtige Aufgaben von Kammern. Ich finde, es verdient unseren gemeinsamen Respekt und unsere Anerkennung, dass die Pflegeberufe in einem der größten Felder sozialpolitischer Herausforderungen in der Zukunft selber in diesem Ausmaß Verantwortung übernehmen wollen. Wir unterstützen dieses Begehren und werden alles dafür tun, dass es zu einem Erfolg geführt wird.

Meine Damen und Herren, ich bin mir auch sicher, dass eine Landesregierung und eine Ministerin, die gerade beim Thema Pflege immer wieder deutlich macht, dass sie den Aufgaben nicht gewachsen ist, das Angebot einer Pflegekammer normalerweise mit Kusshand annehmen wird. In diesem Sinne freuen wir uns auf die zielgerichteten Beratungen im Interesse der Pflegeberufe und im Interesse der Pflegebedürftigen. Sie werden außer Aussitzen keine Argumente haben, um diese Pflegekammer ablehnen zu können.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und Zustimmung von Christel Wegner [fraktionslos])

Für die CDU-Fraktion spricht Frau Mundlos. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schwarz, ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass Sie in dieser Diktion gesprochen haben, weil das Thema viel zu ernst ist, um uns gegenseitig immer wieder Leseunfähigkeit, Leseunwilligkeit oder Handlungsunwilligkeit vorzuwerfen.

(Petra Tiemann [SPD]: Das finden wir auch! - Johanne Modder [SPD]: Ja! Dann machen Sie doch mal was! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Beweisen Sie Handlungsfähigkeit!)

Deshalb will ich versuchen, mich ganz anders einzulassen.

Meine Damen und Herren, Pflegebedürftigkeit ist kein Einzelschicksal. Alle gesellschaftlichen Gruppen, alle Altersstufen sind davon betroffen. Jeder von uns kann morgen selber betroffen sein. Dieses Thema geht uns alle an. Deshalb steht das Thema Pflege mit vielen unterschiedlichen Einzelaspekten hier im Landtag immer wieder auf der Tagesordnung. Heute geht es um Pflegeausbildung und Pflegekammern. Ich glaube, dass alle Antragsteller eint, dass sie die Pflegesituation für zu Pflegende und Pflegende verbessern wollen. Die Form der Pflegeausbildung wird seit vielen Jahren diskutiert, wie zahlreiche Modellversuche belegen, unter anderem auch hier in Hannover im Henriettenstift. Letztlich kommen fast alle Beteiligten zu dem Ergebnis, dass eine generalistische Ausbildung angestrebt werden sollte. Dem trägt unser Antrag Rechnung.

Zum einen müssen wir der demografischen Entwicklung Rechnung tragen; denn auch in der Krankenpflege werden künftig mehr Kenntnisse über die Anforderungen in der Altenpflege erforderlich sein. Zum anderen erzwingen die Zunahme der Demenzerkrankungen sowie der vermehrte Bedarf an kultursensibler Pflege für Menschen mit Migrationshintergrund geradezu eine andere Form der Pflegeausbildung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein weiteres Argument ist, dass ca. 80 % der Ausbildungsinhalte bereits heute identisch sind. Deshalb ist zwangsläufig eine bessere Koordinierung und Zusammenarbeit zu fordern.

Wir haben eine fraktionsinterne Anhörung durchgeführt und konnten feststellen, dass unser Antrag auf breite Zustimmung stößt. Ich will nur aus einigen Stellungnahmen kurz zitieren. Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe:

„Dass die Pflegeausbildung in allen Stufen eine generalistische Ausrichtung benötigt, kann unseres Erachtens heute nicht mehr ernsthaft angezweifelt werden

Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen:

„… sollte auch mit Rücksicht auf europäische Anforderungen zur Weiterentwicklung der Pflege eine generalistische Ausbildung geschaffen werden.“

Zum Zugang für Hauptschüler wird dort gesagt:

„… kann es sich die Gesellschaft mutmaßlich nicht leisten, auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verzichten, die vom Grundsatz her bereit und befähigt sind, in der Pflege zu arbeiten.“

Die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen äußern sich in ähnlicher Weise: Universell einsetzbare Pflegefachkräfte würden benötigt.

Interessant war dabei, dass die AOK den generalistischen Ansatz unterstützt hat, aber darauf aufmerksam gemacht hat, dass es einen Schwerpunkt für Kinderkrankenpflege geben muss. Ich will nicht verhehlen, dass wir in unserer Fraktion diskutiert haben, ob wir hier nicht eine Veränderung unseres Antrags vornehmen sollten. Wir haben davon zum jetzigen Zeitpunkt Abstand genommen, weil wir davon überzeugt sind, dass unsere Ministerin diesen Aspekt berücksichtigen wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist Zeit, die Pflegeausbildung zu verbessern und effizienter zu gestalten. Dazu wird dieser Antrag einen entscheidenden Beitrag leisten können.

Stichwort Pflegekammer. Auch diese Debatte währt fast so lange wie die Debatte um die Veränderung der Pflegeausbildung. Wenn man einmal recherchiert, wie die Entwicklung verlaufen ist, stellt man fest, dass der Altenpflegeverband zwischenzeitlich aus dem Deutschen Pflegerat ausgestiegen ist, weil eine Zwangsverpflichtung abge

lehnt wurde. Bei der Sichtung der gesamten Materialien stelle ich fest, dass eine große Einigkeit zur Einrichtung einer Pflegekammer eben doch nicht gegeben ist. Die Gemengelage ist schwierig, und ich will sie gern mit einigen Worten beleuchten.

Der Hartmannbund sagt: Bürokratismus XXL.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Gute Adresse!)

Wenn wir gerade bei der Pflege immer über Entbürokratisierung diskutieren und das hochhalten, dann muss man hier genauer hinschauen. Auch die Frage, ob das wirklich eine Lösung für die Problematik der Pflegeberufe ist und ob hier nicht ein weiterer Kostenfaktor entsteht, muss beleuchtet werden. Wenn wir immer diskutieren, was Pflegekräfte verdienen, und sie zwangsverpflichtet werden sollen, von dem, was sie verdienen, in eine Kammer einzuzahlen, finde ich das schon ein bisschen widersprüchlich. Aber auch das sollten wir im Ausschuss gern in Ruhe beleuchten.

Frau Helmhold, es ist richtig, dass verfassungsrechtliche Bedenken so oder so am Ende in ein Fazit münden werden. Auch das müssen wir uns genauer anschauen. Wir wissen auch, dass viele andere lieber gleich eine Gesundheitskammer möchten. Wenn wir weiter über den Tellerrand schauen, sehen wir, dass diese Diskussion nicht nur auf Niedersachsen oder Deutschland beschränkt ist, sondern dass sie europaweit geführt wird.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Im Saar- land hat die CDU das beantragt!)

Ich habe etwas Interessantes gefunden. Frau Helmhold, wenn Sie auf das Saarland verweisen, verweise ich auf Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen. Die Argumente ähneln denen, die schon vorgetragen wurden. Er mündet dann darin, dass gesagt wird: Bitte prüft einmal, ob man dem Anspruch, Pflege zu verbessern, damit gerecht werden kann. - Eine Anhörung hat stattgefunden. Ich habe ehrlich gesagt gestaunt; denn es gab weitestgehend Ablehnung: Sozialverband - Ablehnung; ver.di - Ablehnung.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Bei ver.di ist das doch klar!)

Auch das muss man sich genauer anschauen.

Ich will dieses Thema noch mit einem Zitat aus Nordrhein-Westfalen aus dem Bericht der Enque

tekommission Pflege begleiten und deutlich machen, dass wir es mit einer ausgesprochen schwierigen Gemengelage zu tun haben. Dort wird die Einrichtung einer Pflegekammer beleuchtet. Ich will daraus nur zwei Sätze zitieren:

„Viele Pflegende setzen zwar große Erwartungen in die Einrichtung einer Pflegekammer.“

So weit besteht Konsens. Dann steht da aber noch:

„Die Möglichkeiten einer Pflegekammer werden überschätzt.“

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Heute und hier vermag ich mir kein abschließenden Urteil zu bilden. Ich bin sehr dafür, dass wir das im Ausschuss ruhig und sachlich diskutieren und gut abwägen. Das Thema ist sehr facettenreich, wie ich aufgezeigt habe. Ich sage ausdrücklich: Trotzdem ist die CDU-Fraktion für diese Diskussion, aber auch für die Bewertung aller Argumente - eben wirklich aller Argumente - offen.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zuletzt noch ein paar grundsätzliche Sätze zur Pflege in Niedersachsen sagen, weil das auch von den anderen Fraktionen angesprochen wurde. Deutschland hat - bei allen Kritikpunkten - insgesamt immer noch eines der besten Gesundheitssysteme überhaupt. Das gilt auch für die Pflege.

(Norbert Böhlke [CDU]: Richtig!)

Wenn Sie, Herr Schwarz, die Statistik nehmen, dann mag es zwar sein, dass Sie Niedersachsen nicht immer auf Platz 1 finden.

(Uwe Schwarz [SPD]: Platz 16 muss auch nicht sein!)