Ich möchte diese Diskussion nicht verlängern. Aber das darf hier natürlich nicht unwidersprochen vorgetragen werden. Natürlich muss jeder Unternehmer einmal im Jahr eine entsprechende Steuererklärung abgeben. Bei der Umsatzsteuer muss er das jeden Monat machen. Natürlich muss er alle Belege vorhalten, damit geprüft werden kann.
- Entschuldigen Sie, bitte! Wir wollen die vielen Leitz-Ordner doch gar nicht haben. Stellen Sie sich vor, VW würde jedes Mal sämtliche Leitz-Ordner in das Finanzamt Gifhorn bringen. Dann müssten wir ja scheunenweise anbauen. Es ist doch viel besser, wenn wir dort vor Ort prüfen. Das ist auch vernünftig.
- Genau! Deshalb, weil Sie sagen: „Besser unsinnige Arbeit, Hauptsache, es schafft Arbeitsplätze, gleichgültig ob es sinnvoll ist oder nicht“, werde ich mich mit Ihrer Partei auch nie anfreunden können.
Es ärgert auch mich, dass jeder, der eine Einkommensteuererklärung abgibt oder einen Lohnsteuerjahresausgleich durchführt, jeden Beleg mit einsenden muss. Deshalb habe ich vorgeschlagen,
dass wir im Rahmen der Elektronischen Steuererklärung (ELSTER) generell darauf verzichten, dem Finanzamt Unterlagen zu übersenden; denn eigentlich kann man niemandem klarmachen, dass er die Erklärung per E-Mail schicken soll und seine paar Belege, die er hat, in einen Briefumschlag eintütet, eine Briefmarke aufklebt und zum Finanzamt schicken muss, wo beides wieder zusammengeführt werden muss. Ich habe nur leider in der Finanzministerkonferenz und im Finanzausschuss des Bundesrates keinerlei Unterstützung dafür bekommen. Ich werde aber weiter daran arbeiten.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE] - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist eine gute Sache!)
Ich weise noch darauf hin, dass die Grundlage dieser Beratung die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 16/138 war. Sie lautet auf Ablehnung.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um ein Handzeichen. - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit können wir diesen Tagesordnungspunkt abschließen.
Erste Beratung: Den Fortschritt sichern, Arbeitslosigkeit bekämpfen, Bürokratie vermeiden - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/118
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2007 entschieden, dass die Arbeitsgemeinschaften aus Bundesagentur für Arbeit und Kommunen zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verstoßen. Bis Ende 2010 besteht die Pflicht des Bundesgesetzgebers zur Neuregelung der Zuständigkeiten für die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das Ziel von CDU und FDP ist es, den damit eingetretenen Zustand der Rechtsunsi
cherheit möglichst schnell zu beenden. Das Personal in den Arbeitsgemeinschaften und zugelassenen kommunalen Trägern, den sogenannten Optionskommunen, braucht Klarheit. Anderenfalls droht ein unwiederbringlicher personeller Aderlass mit der Folge einer spürbar höheren Langzeitarbeitslosigkeit. Das wollen wir auf jeden Fall verhindern!
Der Problemdruck der Langzeitarbeitslosigkeit ist nach wie vor sehr hoch. In Niedersachsen gab es im vergangenen Monat 222 000 Arbeitslose im Rechtskreis des SGB II gegenüber 93 000 Arbeitslosen mit reinem Versicherungsanspruch auf Arbeitslosengeld I im Rechtskreis des SGB III. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld I, also des Arbeitslosengeldes alter Art, um rund ein Viertel zurückgegangen, während die Zahl der Langzeitarbeitslosen bzw. Bezieher von Leistungen nach dem SGB II nur um 9,5 % und im Arbeitsagenturbezirk Hannover sogar nur um minimale 1,5 % gesunken ist.
Wir haben folgendes Problem: In den Argen ist bis heute die Frage ungeklärt, wer den Hut aufhat. Das Prinzip der gleichen Augenhöhe zwischen Bundesagentur und kommunaler Seite funktioniert vielfach nicht. Faktisch sind zwar die Kommunen in der Trägervertretung der Arge mit 50 % gut vertreten, aber rechtlich entscheidet die Bundesagentur. Das zeigt auch das aktuelle Beispiel des Jobcenters Region Hannover. Dort hat die Bundesagentur praxisfern und verhängnisvoll die sogenannten sonstigen weiteren Leistungen gestrichen. Wegfallen sollen so wichtige, bewährte Maßnahmen wie die Ausbildungsplatzlotsen, die Mitfinanzierung der Pro-Aktiv-Center, an denen sich auch das Land beteiligt, und das Teilzeitausbildungsprojekt SINA für alleinerziehende junge Mütter.
Der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP enthält nun den Vorschlag, wie der Knoten durchzuschlagen ist und wie wir auf Bundesebene ein scharfes Schwert zum nachhaltigen Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit schmieden können.
Der Antrag hat vier Eckpunkte: erstens Grundsicherung für Arbeitsuchende aus einer Hand, zweitens dezentrale und kommunale Gestaltungsverantwortung stärken, drittens deutliche Steigerung der Zahl der Optionskommunen - Stichwort Entkontingentierung - und dauerhafte Sicherung der bestehenden Optionskommunen - Stichwort Ent
fristung - und viertens den nicht mehr verfassungsgemäßen Argen einen rechtlich gangbaren Weg eröffnen.
Die bisherige Diskussion zeigt sehr unterschiedliche Positionen von Bundesagentur, kommunalen Spitzenverbänden, Ländern und Bund. Die Möglichkeiten der Neuregelung reichen von der getrennten Trägerschaft mit Kooperationen über das Modell der bundeseigenen Verwaltung bis hin zum Ländermodell mit kommunaler Aufgabenträgerschaft nach Landesrecht.
Der Städtetag und der Städte- und Gemeindebund lehnen die Kommunalisierung der Trägerschaft bei der Langzeitarbeitslosigkeit ab. Der Landkreistag hingegen ist für die kommunale Trägerschaft. In dieser Gemengelage müssen wir kurzfristig eine Lösung finden, die den Arbeitsuchenden am besten weiterhilft und nicht auf dem Altar der Partikularinteressen geopfert wird.
Der kleinste gemeinsame Nenner kann die Wahlfreiheit für die Kommunen sein, eigenverantwortlich dauerhaft im Wege der Option tätig zu sein oder sich für die Aufgabentrennung zu entscheiden, auch in einer Neuauflage der bisherigen Arbeitsgemeinschaften. Diese Wahlfreiheit scheint nun langsam auch für die kommunalen Spitzenverbände ein gangbarer Weg zu werden, auch wenn es wieder einige Absetzmanöver gibt, wie gerade das Gutachten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zeigt. Aber darüber wird zu reden sein.
Für die Neuauflage der Argen setzt dies die Änderung des Grundgesetzes mit der Zulassung der Mischverwaltung von Bund und Kommunen voraus, die das Bundesverfassungsgericht noch im letzten Dezember verworfen hat. Im Zuge dessen müssten dann die Hauptkritikpunkte an den heutigen Argen abgestellt werden; das sind die fehlende Personalhoheit, unterschiedliche Aufsichtsrechte von Bund und Ländern, ungenügende Einbeziehung der kommunalen Kompetenzen und zentralistisches Vorgehen der Bundesagentur.
Demgegenüber bereitet die dauerhafte rechtliche Absicherung der kommunalen Trägerschaft in Gestalt des Optionsmodells nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine verfassungsrechtlichen Probleme. Der Bundesgesetzgeber kann sogar über die jetzt vorgeschriebene zahlenmäßige Obergrenze hinaus weitere Optionskommunen dauerhaft zulassen. Dieses Ziel verfolgt der Antrag
der Fraktionen der CDU und der FDP ausdrücklich und bittet die Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen.
Bei der morgigen Sonderkonferenz der Arbeits- und Sozialminister könnte ein Durchbruch gelingen. Dafür wollen wir unserer Landesregierung den Rücken stärken.
Rechtliche Grundlage für diesen Weg ist Artikel 106 Abs. 8 Grundgesetz. Danach kann der Bund in einzelnen Ländern und Kommunen besondere Einrichtungen veranlassen und für die unmittelbar verursachten Sonderbelastungen den erforderlichen finanziellen Ausgleich gewähren. So wäre etwa eine Verdoppelung der heutigen Zahl der Optionskommunen verfassungsrechtlich unbedenklich; denn diese Zulassung weiterer kommunaler Träger wäre noch keine durch Artikel 84 Abs. 1 Satz 7 Grundgesetz verbotene direkte Aufgabenübertragung des Bundes an die Kommunen.
Die Forderung des Städte- und Gemeindebundes nach Ausgestaltung der SGB-II-Aufgaben als Selbstverwaltungsaufgabe und nach Einbeziehung der kreisangehörigen Gemeinden in die Aufgabenwahrnehmung lässt sich erfüllen. Unser niedersächsisches Ausführungsgesetz zum SGB II ermöglicht bereits heute eine entsprechende Heranziehungsvereinbarung.
Für die Zulassung kommunaler Träger zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende sprechen entscheidende Argumente. Um die noch immer stark unausgeschöpften Möglichkeiten zur Vermittlung Arbeitsuchender in neue Stellen auszuschöpfen, sind Arbeitsvermittlung und Leistungsgewährung aus einer Hand nötig. Dafür sind die Kommunen bestens geeignet. Sie haben den Schlüssel zur örtlichen Wirtschaft in der Hand und können verschiedene Angebote mit der Arbeitsvermittlung verknüpfen, wie Sozialberatung, Kinderbetreuung und auch den öffentlichen Personennahverkehr.
Das kooperative Jobcenter ist Teil der örtlichen Arbeitsagentur. Die Arbeitsagentur ist danach dann für die Transferzahlungen und für die Eingliederung in Arbeit zuständig und davon getrennt die Kommune für die Unterkunftskosten. Dies wür
de auf Kosten der Steuerzahler eine drastische Bürokratisierung mit Doppelarbeit bedeuten: doppelte Datenerfassung, doppelte Prüfung von Einkommen und Vermögen und doppelte Bescheide. Es käme zu widersprüchlichen Entscheidungen von Bundesagentur und Kommunen. Das wäre absolut bürgerfeindlich.
Die erfolgreiche Arbeit der Optionskommunen bestätigt demgegenüber auch der Evaluationsbericht 2007 des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, obwohl die Optionskommunen zurzeit unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Sie haben selbst nichts von den Einsparungen, die sie erzielen. Dies ist aber ein wichtiger Anreiz für den Erfolg. Dies zeigt beispielsweise die frühere Sozialhilfevereinbarung des Landkreises Hannover mit seinen 20 kreisangehörigen Städten und Gemeinden.
Gleichwohl weist die Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für April 2008 für Niedersachsen aus, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen bei den Optionskommunen gegenüber dem Vorjahr deutlich um 16 % gegenüber dem Vorjahr abgenommen hat, dagegen bei den Arbeitsgemeinschaften - wenn auch immer noch erfreulich - um 7,5 %, weniger als die Hälfte.
Die unterschiedlichen Interessen bei Kommunen, Ländern und Bund lassen noch keine Prognose zu, welche Lösung endgültig kommen wird. Im Ergebnis plädieren deshalb die Fraktionen der CDU und der FDP mit ihrem Antrag für die Wahlfreiheit der einzelnen kommunalen Träger, für welches Modell sie sich entscheiden. Dafür bitte ich Sie im Interesse der Arbeitsuchenden um Ihre Unterstützung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns, dass die Regierungskoalition mit ihrem Antrag ziemlich genau dort angekommen ist, wo wir bereits Anfang April unter dem Titel „Keine Rückkehr zur Zentralbürokratie bei der Organisation der Jobcenter - Dezentrale Organisation erhalten, Fördern in den Mittelpunkt stellen“ Flagge gezeigt haben.
Die künftige Verantwortung beim Arbeitslosengeld II muss weiterhin - wie Sie in Ihrem Antrag richtig schreiben - aus einer Hand erbracht werden.
Dabei schließen wir zur Erfüllung dieser Ziele ebenso wie Sie eine Änderung der Verfassung nicht aus, wollen aber gleichzeitig den Bund nicht aus der Pflicht für ein einheitliches Leistungsrecht und aus seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit entlassen.